Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

meinem Kopfkissen und weiter hinten in der Höhlengruft lagen ebenfalls der¬
artige Memento Mori. Es war gut. daß der Mond nicht Heller geschienen,
mein Traum wurde düsterer gewesen sein. Beim Sonnenlicht nahm sich das
leichter, und zu Hamletsgedanken hatte ich nicht mehr die Stimmung und
noch viel weniger Zeit. Die Freunde mußten sich, wenn sie überhaupt da
waren. jetzt finden, und sie fanden sich. Ich durchstrich die Vertiefungen
zwischen den Sandwehen und Schutthaufen der Nachbarschaft, wobei ich bei
einem Haar in einen jener Mumienbrunnen gestürzt wäre, deren ich mich,
vielleicht zu meinem Glück, des Nachts erinnert. Er war mindestens vierzig
Schuh tief, und -als ich hinabsah, funkelten mir von dem Absatz in der Mitte die
unheimlichen gelben Augensterne des Concertmeisters der nächtlichen Musikanten,
ungeheuren Uhus entgegen. Ich kam in die Nähe des Sphinx, wo ein paar
andere Concertgeber der Nacht, zwei graue Schakale, aufgejagt wurden. Da
hörte ich deutlich einen Schuß von der großen Pyramide her. Rasch arbei¬
tete ich mich durch Schutt und Steinbrocken dorthin, und als ich den letzten
Hügel passirt. erblickte ich. was ich gesucht. Es waren 5le Freunde, munter
und wohlbehalten um ein lustig flackerndes Feuer gelagert und bereits um¬
geben von den Fcllahin, welche uns auf die Cheopspyramide führen sollten.
Ein freudiges Hurrah gab das andere. Dann kam das Warum und Um
Gotteswillen wie nur und das So und Darum. Die Gefährten hatten nichts
un't Abdurachman und vorläufig auch noch nichts mit König Cheops zu thun
gehabt. Auch Ehren-Hassan war nicht bei Osiris gewesen. Man hatte sich,
wie schon gemeldet, bei dem ersten Dorfe links, statt rechts gewendet und
war dann einige Stunden in der Irre herumgeritten, durch Sümpfe, durch
Klee- und Gerstenfelder, endlich grade auf die große Pyramide zu, an deren
Nordostecke man gegen zwei Uhr eingetroffen war. Mein Schießen hatte man
uicht gehört, noch weniger natürlich mein Rufen, und da Hassan nicht ge¬
wußt, wo die Felsengräber sich befinden, so hatte die ganze Gesellschaft ohne
Betten und Mäntel unter freiem Himmel campirt.

Bei einigen Tassen vom besten Mokka, zu dem Hassan der Weise ein
Glas sehr trinkbaren Cognacs kredenzte, wurde das Ungemach der Nacht bald
vergessen. Ich erzählte meinen Traum, um den der Romantiker mich natür¬
lich beneidete, und dann machten wir uns in der heitersten Laune bereit, die
Pyramide zu besteigen. Dieselbe war ursprünglich auf allen vier Seiten mit
polirten Steinplatten belegt, von denen man an der zweitgrößten oben noch
beträchtliche Spuren sieht. Jetzt sind diese Platten von der größten ganz ab¬
gefallen, und so Präsentiren sich ihre Kanten aus nicht zu großer Entfernung
betrachtet, gezähnt wie eine Säge, ihre Seiten wie nach oben zu schmaler
werdende Freitreppen. Die Spitze ist heruntergestürzt, oder wie böse Zungen
wissen wollen, von großbritannischen Kiselacks, die allenthalben ihren werthen


14*

meinem Kopfkissen und weiter hinten in der Höhlengruft lagen ebenfalls der¬
artige Memento Mori. Es war gut. daß der Mond nicht Heller geschienen,
mein Traum wurde düsterer gewesen sein. Beim Sonnenlicht nahm sich das
leichter, und zu Hamletsgedanken hatte ich nicht mehr die Stimmung und
noch viel weniger Zeit. Die Freunde mußten sich, wenn sie überhaupt da
waren. jetzt finden, und sie fanden sich. Ich durchstrich die Vertiefungen
zwischen den Sandwehen und Schutthaufen der Nachbarschaft, wobei ich bei
einem Haar in einen jener Mumienbrunnen gestürzt wäre, deren ich mich,
vielleicht zu meinem Glück, des Nachts erinnert. Er war mindestens vierzig
Schuh tief, und -als ich hinabsah, funkelten mir von dem Absatz in der Mitte die
unheimlichen gelben Augensterne des Concertmeisters der nächtlichen Musikanten,
ungeheuren Uhus entgegen. Ich kam in die Nähe des Sphinx, wo ein paar
andere Concertgeber der Nacht, zwei graue Schakale, aufgejagt wurden. Da
hörte ich deutlich einen Schuß von der großen Pyramide her. Rasch arbei¬
tete ich mich durch Schutt und Steinbrocken dorthin, und als ich den letzten
Hügel passirt. erblickte ich. was ich gesucht. Es waren 5le Freunde, munter
und wohlbehalten um ein lustig flackerndes Feuer gelagert und bereits um¬
geben von den Fcllahin, welche uns auf die Cheopspyramide führen sollten.
Ein freudiges Hurrah gab das andere. Dann kam das Warum und Um
Gotteswillen wie nur und das So und Darum. Die Gefährten hatten nichts
un't Abdurachman und vorläufig auch noch nichts mit König Cheops zu thun
gehabt. Auch Ehren-Hassan war nicht bei Osiris gewesen. Man hatte sich,
wie schon gemeldet, bei dem ersten Dorfe links, statt rechts gewendet und
war dann einige Stunden in der Irre herumgeritten, durch Sümpfe, durch
Klee- und Gerstenfelder, endlich grade auf die große Pyramide zu, an deren
Nordostecke man gegen zwei Uhr eingetroffen war. Mein Schießen hatte man
uicht gehört, noch weniger natürlich mein Rufen, und da Hassan nicht ge¬
wußt, wo die Felsengräber sich befinden, so hatte die ganze Gesellschaft ohne
Betten und Mäntel unter freiem Himmel campirt.

Bei einigen Tassen vom besten Mokka, zu dem Hassan der Weise ein
Glas sehr trinkbaren Cognacs kredenzte, wurde das Ungemach der Nacht bald
vergessen. Ich erzählte meinen Traum, um den der Romantiker mich natür¬
lich beneidete, und dann machten wir uns in der heitersten Laune bereit, die
Pyramide zu besteigen. Dieselbe war ursprünglich auf allen vier Seiten mit
polirten Steinplatten belegt, von denen man an der zweitgrößten oben noch
beträchtliche Spuren sieht. Jetzt sind diese Platten von der größten ganz ab¬
gefallen, und so Präsentiren sich ihre Kanten aus nicht zu großer Entfernung
betrachtet, gezähnt wie eine Säge, ihre Seiten wie nach oben zu schmaler
werdende Freitreppen. Die Spitze ist heruntergestürzt, oder wie böse Zungen
wissen wollen, von großbritannischen Kiselacks, die allenthalben ihren werthen


14*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0117" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187068"/>
          <p xml:id="ID_352" prev="#ID_351"> meinem Kopfkissen und weiter hinten in der Höhlengruft lagen ebenfalls der¬<lb/>
artige Memento Mori. Es war gut. daß der Mond nicht Heller geschienen,<lb/>
mein Traum wurde düsterer gewesen sein. Beim Sonnenlicht nahm sich das<lb/>
leichter, und zu Hamletsgedanken hatte ich nicht mehr die Stimmung und<lb/>
noch viel weniger Zeit. Die Freunde mußten sich, wenn sie überhaupt da<lb/>
waren. jetzt finden, und sie fanden sich. Ich durchstrich die Vertiefungen<lb/>
zwischen den Sandwehen und Schutthaufen der Nachbarschaft, wobei ich bei<lb/>
einem Haar in einen jener Mumienbrunnen gestürzt wäre, deren ich mich,<lb/>
vielleicht zu meinem Glück, des Nachts erinnert. Er war mindestens vierzig<lb/>
Schuh tief, und -als ich hinabsah, funkelten mir von dem Absatz in der Mitte die<lb/>
unheimlichen gelben Augensterne des Concertmeisters der nächtlichen Musikanten,<lb/>
ungeheuren Uhus entgegen. Ich kam in die Nähe des Sphinx, wo ein paar<lb/>
andere Concertgeber der Nacht, zwei graue Schakale, aufgejagt wurden. Da<lb/>
hörte ich deutlich einen Schuß von der großen Pyramide her. Rasch arbei¬<lb/>
tete ich mich durch Schutt und Steinbrocken dorthin, und als ich den letzten<lb/>
Hügel passirt. erblickte ich. was ich gesucht. Es waren 5le Freunde, munter<lb/>
und wohlbehalten um ein lustig flackerndes Feuer gelagert und bereits um¬<lb/>
geben von den Fcllahin, welche uns auf die Cheopspyramide führen sollten.<lb/>
Ein freudiges Hurrah gab das andere. Dann kam das Warum und Um<lb/>
Gotteswillen wie nur und das So und Darum. Die Gefährten hatten nichts<lb/>
un't Abdurachman und vorläufig auch noch nichts mit König Cheops zu thun<lb/>
gehabt. Auch Ehren-Hassan war nicht bei Osiris gewesen. Man hatte sich,<lb/>
wie schon gemeldet, bei dem ersten Dorfe links, statt rechts gewendet und<lb/>
war dann einige Stunden in der Irre herumgeritten, durch Sümpfe, durch<lb/>
Klee- und Gerstenfelder, endlich grade auf die große Pyramide zu, an deren<lb/>
Nordostecke man gegen zwei Uhr eingetroffen war. Mein Schießen hatte man<lb/>
uicht gehört, noch weniger natürlich mein Rufen, und da Hassan nicht ge¬<lb/>
wußt, wo die Felsengräber sich befinden, so hatte die ganze Gesellschaft ohne<lb/>
Betten und Mäntel unter freiem Himmel campirt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_353" next="#ID_354"> Bei einigen Tassen vom besten Mokka, zu dem Hassan der Weise ein<lb/>
Glas sehr trinkbaren Cognacs kredenzte, wurde das Ungemach der Nacht bald<lb/>
vergessen. Ich erzählte meinen Traum, um den der Romantiker mich natür¬<lb/>
lich beneidete, und dann machten wir uns in der heitersten Laune bereit, die<lb/>
Pyramide zu besteigen. Dieselbe war ursprünglich auf allen vier Seiten mit<lb/>
polirten Steinplatten belegt, von denen man an der zweitgrößten oben noch<lb/>
beträchtliche Spuren sieht. Jetzt sind diese Platten von der größten ganz ab¬<lb/>
gefallen, und so Präsentiren sich ihre Kanten aus nicht zu großer Entfernung<lb/>
betrachtet, gezähnt wie eine Säge, ihre Seiten wie nach oben zu schmaler<lb/>
werdende Freitreppen. Die Spitze ist heruntergestürzt, oder wie böse Zungen<lb/>
wissen wollen, von großbritannischen Kiselacks, die allenthalben ihren werthen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 14*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0117] meinem Kopfkissen und weiter hinten in der Höhlengruft lagen ebenfalls der¬ artige Memento Mori. Es war gut. daß der Mond nicht Heller geschienen, mein Traum wurde düsterer gewesen sein. Beim Sonnenlicht nahm sich das leichter, und zu Hamletsgedanken hatte ich nicht mehr die Stimmung und noch viel weniger Zeit. Die Freunde mußten sich, wenn sie überhaupt da waren. jetzt finden, und sie fanden sich. Ich durchstrich die Vertiefungen zwischen den Sandwehen und Schutthaufen der Nachbarschaft, wobei ich bei einem Haar in einen jener Mumienbrunnen gestürzt wäre, deren ich mich, vielleicht zu meinem Glück, des Nachts erinnert. Er war mindestens vierzig Schuh tief, und -als ich hinabsah, funkelten mir von dem Absatz in der Mitte die unheimlichen gelben Augensterne des Concertmeisters der nächtlichen Musikanten, ungeheuren Uhus entgegen. Ich kam in die Nähe des Sphinx, wo ein paar andere Concertgeber der Nacht, zwei graue Schakale, aufgejagt wurden. Da hörte ich deutlich einen Schuß von der großen Pyramide her. Rasch arbei¬ tete ich mich durch Schutt und Steinbrocken dorthin, und als ich den letzten Hügel passirt. erblickte ich. was ich gesucht. Es waren 5le Freunde, munter und wohlbehalten um ein lustig flackerndes Feuer gelagert und bereits um¬ geben von den Fcllahin, welche uns auf die Cheopspyramide führen sollten. Ein freudiges Hurrah gab das andere. Dann kam das Warum und Um Gotteswillen wie nur und das So und Darum. Die Gefährten hatten nichts un't Abdurachman und vorläufig auch noch nichts mit König Cheops zu thun gehabt. Auch Ehren-Hassan war nicht bei Osiris gewesen. Man hatte sich, wie schon gemeldet, bei dem ersten Dorfe links, statt rechts gewendet und war dann einige Stunden in der Irre herumgeritten, durch Sümpfe, durch Klee- und Gerstenfelder, endlich grade auf die große Pyramide zu, an deren Nordostecke man gegen zwei Uhr eingetroffen war. Mein Schießen hatte man uicht gehört, noch weniger natürlich mein Rufen, und da Hassan nicht ge¬ wußt, wo die Felsengräber sich befinden, so hatte die ganze Gesellschaft ohne Betten und Mäntel unter freiem Himmel campirt. Bei einigen Tassen vom besten Mokka, zu dem Hassan der Weise ein Glas sehr trinkbaren Cognacs kredenzte, wurde das Ungemach der Nacht bald vergessen. Ich erzählte meinen Traum, um den der Romantiker mich natür¬ lich beneidete, und dann machten wir uns in der heitersten Laune bereit, die Pyramide zu besteigen. Dieselbe war ursprünglich auf allen vier Seiten mit polirten Steinplatten belegt, von denen man an der zweitgrößten oben noch beträchtliche Spuren sieht. Jetzt sind diese Platten von der größten ganz ab¬ gefallen, und so Präsentiren sich ihre Kanten aus nicht zu großer Entfernung betrachtet, gezähnt wie eine Säge, ihre Seiten wie nach oben zu schmaler werdende Freitreppen. Die Spitze ist heruntergestürzt, oder wie böse Zungen wissen wollen, von großbritannischen Kiselacks, die allenthalben ihren werthen 14*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/117
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/117>, abgerufen am 24.07.2024.