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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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2.

Im vorigen Abschnitt haben wir nur solche marokkanische Küstenstädte
beschrieben, die man wegen ihrer Entfernung von den drei Hauptstädten des
Reiches als excentrische bezeichnen kann. Jetzt wenden wir uns zu denen,
welche den Residenzen des Sultans näher liegen und deshalb als Ein- und
Ausfuhrhäfen für dieselben dienen, eine Eigenschaft, die ihnen trotz ihrer
weiteren Entfernung von den Stätten europäischer Cultur eine größere poli¬
tische und commerzielle Wichtigkeit verleiht, als Tetuan, Tanger und Larasch sie
besitzen.

22 Lieues südlich von Larasch gelangt man an die Mündung des sehn,
eines breiten und wasserreichen Stromes, der aus den Gebirgen östlich von
Feß kommt. Hier stand in der Zeit, als die Portugiesen in diesen Gegenden
Besitzungen hatten, die Stadt Marmora oder Mehedia mit einem große""
wohlgeschützten Hafen, der Tiefe genug hatte, um die größten Schisse auf¬
zunehmen. Die Stadt ist jetzt eine weite fast ganz verlassene Ruine, der
Hafen versandet. Das Phlegma der Mauren hat gelassen zugesehen, wie sich
im Laus der Jahrzehnte Sand und Schlamm im Fahrwasser des prächtigen
Beckens häuften, so daß jetzt die Einfahrt durch eine Barre geschlossen ist, u"d
das ganze Becken sich in einen seichten Landsee verwandelt hat, der nur zur
Zeit der Fluth mit dem Meer in Verbindung steht. Ueberdies ist dem Platz
von der Regierung aller Handel und alle Schifffahrt verboten, man wollte
die verhaßten Europäer uicht in der Nähe der Hauptstädte sehen. Die Stadt
Mamora, deren Reste noch vorhanden sind, stand in dem Winkel, den der
Fluß bei seiner Mündung in das alte Hafenbecken bildet, und dehnte sich
am Fuß einer beträchtlichen, auf dem Gipfel mit Wald bekränzten Höhe ans.
Die noch ziemlich gut erhaltene Stadtmauer läuft etwa zweitausend Schritt
am User des sehn hin. Sie wurde einst von den Wellen der Fluth bespült-
An ihrem Ende erblickt man ein rundes Fort, das, wie die Zahl und Lage
seiner Schießscharten zeigt, mit dreißig Geschützen den Hafen bestrick). Nach
der Landseite hin zieht sich eine sehr starke, jetzt zum Theil zusammengestürzte
Mauer hin. Ueber der Stadt erhebt sich eine noch gut erhaltene Citadelle,
die eine Besatzung von einigen hundert schwarzen Soldaten hat, welche indeß
nur die Aufgabe haben, zu wachen, daß kein Schmugglerschiff sich nähert und
überhaupt kein Handelssahrzeug seine Ladung landet. Das Land ist in der
Nachbarschaft schön und fruchtbar. Im Süden streckt sich der prächtige Wald
von Beine hin. Mamora ist nur 25 Lieues von Mequinez entfernt, das


Bilder nus Marokko.
2.

Im vorigen Abschnitt haben wir nur solche marokkanische Küstenstädte
beschrieben, die man wegen ihrer Entfernung von den drei Hauptstädten des
Reiches als excentrische bezeichnen kann. Jetzt wenden wir uns zu denen,
welche den Residenzen des Sultans näher liegen und deshalb als Ein- und
Ausfuhrhäfen für dieselben dienen, eine Eigenschaft, die ihnen trotz ihrer
weiteren Entfernung von den Stätten europäischer Cultur eine größere poli¬
tische und commerzielle Wichtigkeit verleiht, als Tetuan, Tanger und Larasch sie
besitzen.

22 Lieues südlich von Larasch gelangt man an die Mündung des sehn,
eines breiten und wasserreichen Stromes, der aus den Gebirgen östlich von
Feß kommt. Hier stand in der Zeit, als die Portugiesen in diesen Gegenden
Besitzungen hatten, die Stadt Marmora oder Mehedia mit einem große»»
wohlgeschützten Hafen, der Tiefe genug hatte, um die größten Schisse auf¬
zunehmen. Die Stadt ist jetzt eine weite fast ganz verlassene Ruine, der
Hafen versandet. Das Phlegma der Mauren hat gelassen zugesehen, wie sich
im Laus der Jahrzehnte Sand und Schlamm im Fahrwasser des prächtigen
Beckens häuften, so daß jetzt die Einfahrt durch eine Barre geschlossen ist, u»d
das ganze Becken sich in einen seichten Landsee verwandelt hat, der nur zur
Zeit der Fluth mit dem Meer in Verbindung steht. Ueberdies ist dem Platz
von der Regierung aller Handel und alle Schifffahrt verboten, man wollte
die verhaßten Europäer uicht in der Nähe der Hauptstädte sehen. Die Stadt
Mamora, deren Reste noch vorhanden sind, stand in dem Winkel, den der
Fluß bei seiner Mündung in das alte Hafenbecken bildet, und dehnte sich
am Fuß einer beträchtlichen, auf dem Gipfel mit Wald bekränzten Höhe ans.
Die noch ziemlich gut erhaltene Stadtmauer läuft etwa zweitausend Schritt
am User des sehn hin. Sie wurde einst von den Wellen der Fluth bespült-
An ihrem Ende erblickt man ein rundes Fort, das, wie die Zahl und Lage
seiner Schießscharten zeigt, mit dreißig Geschützen den Hafen bestrick). Nach
der Landseite hin zieht sich eine sehr starke, jetzt zum Theil zusammengestürzte
Mauer hin. Ueber der Stadt erhebt sich eine noch gut erhaltene Citadelle,
die eine Besatzung von einigen hundert schwarzen Soldaten hat, welche indeß
nur die Aufgabe haben, zu wachen, daß kein Schmugglerschiff sich nähert und
überhaupt kein Handelssahrzeug seine Ladung landet. Das Land ist in der
Nachbarschaft schön und fruchtbar. Im Süden streckt sich der prächtige Wald
von Beine hin. Mamora ist nur 25 Lieues von Mequinez entfernt, das


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[0512] Bilder nus Marokko. 2. Im vorigen Abschnitt haben wir nur solche marokkanische Küstenstädte beschrieben, die man wegen ihrer Entfernung von den drei Hauptstädten des Reiches als excentrische bezeichnen kann. Jetzt wenden wir uns zu denen, welche den Residenzen des Sultans näher liegen und deshalb als Ein- und Ausfuhrhäfen für dieselben dienen, eine Eigenschaft, die ihnen trotz ihrer weiteren Entfernung von den Stätten europäischer Cultur eine größere poli¬ tische und commerzielle Wichtigkeit verleiht, als Tetuan, Tanger und Larasch sie besitzen. 22 Lieues südlich von Larasch gelangt man an die Mündung des sehn, eines breiten und wasserreichen Stromes, der aus den Gebirgen östlich von Feß kommt. Hier stand in der Zeit, als die Portugiesen in diesen Gegenden Besitzungen hatten, die Stadt Marmora oder Mehedia mit einem große»» wohlgeschützten Hafen, der Tiefe genug hatte, um die größten Schisse auf¬ zunehmen. Die Stadt ist jetzt eine weite fast ganz verlassene Ruine, der Hafen versandet. Das Phlegma der Mauren hat gelassen zugesehen, wie sich im Laus der Jahrzehnte Sand und Schlamm im Fahrwasser des prächtigen Beckens häuften, so daß jetzt die Einfahrt durch eine Barre geschlossen ist, u»d das ganze Becken sich in einen seichten Landsee verwandelt hat, der nur zur Zeit der Fluth mit dem Meer in Verbindung steht. Ueberdies ist dem Platz von der Regierung aller Handel und alle Schifffahrt verboten, man wollte die verhaßten Europäer uicht in der Nähe der Hauptstädte sehen. Die Stadt Mamora, deren Reste noch vorhanden sind, stand in dem Winkel, den der Fluß bei seiner Mündung in das alte Hafenbecken bildet, und dehnte sich am Fuß einer beträchtlichen, auf dem Gipfel mit Wald bekränzten Höhe ans. Die noch ziemlich gut erhaltene Stadtmauer läuft etwa zweitausend Schritt am User des sehn hin. Sie wurde einst von den Wellen der Fluth bespült- An ihrem Ende erblickt man ein rundes Fort, das, wie die Zahl und Lage seiner Schießscharten zeigt, mit dreißig Geschützen den Hafen bestrick). Nach der Landseite hin zieht sich eine sehr starke, jetzt zum Theil zusammengestürzte Mauer hin. Ueber der Stadt erhebt sich eine noch gut erhaltene Citadelle, die eine Besatzung von einigen hundert schwarzen Soldaten hat, welche indeß nur die Aufgabe haben, zu wachen, daß kein Schmugglerschiff sich nähert und überhaupt kein Handelssahrzeug seine Ladung landet. Das Land ist in der Nachbarschaft schön und fruchtbar. Im Süden streckt sich der prächtige Wald von Beine hin. Mamora ist nur 25 Lieues von Mequinez entfernt, das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/512>, abgerufen am 23.07.2024.