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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Provinz ist, deren gesammte Bevölkerung sich immer zur katholischen Religion
bekennt*) hat, derselben noch treu anhängt, und um die Aufrechthaltung der
Einheit im katholischen Glauben auf den öffentlichen Landtagen sowohl als
bei anderen sich darbietenden Gelegenheiten"*) wiederholt und dringend ge¬
bethen hat. Deswegen kann und darf ich als Bischof der in Tirol gelegenen
Diöcese Trient die gemischten Ehen nicht begünstigen, sondern muß die mir
auferlegte Pflicht treu und genau erfüllen." Alle Vermittlungsversuche blieben
fruchtlos. Dem katholischen Theile erübrigte angesichts unseres Eherechtcs nur
ein Ausweg, die Auswanderung aus dem östreichischen Kniserstaat, wozu
ihm denn auch von der k. k. Statthaltern die Bewilligung ertheilt wurde.
Wenn die Bischöfe des Landes solchen Ansichten huldigen, ist es erklärlich,
daß die Geistlichkeit, die im verstärkten ständischen Ausschuß gebührend ver¬
treten war, und die mit ihr einverstandener Vertrauensmänner ein Ansuchen
an die Regierung stellten, wozu der intelligente Theil der Tiroler nie seine
Zustimmung erklären wird.




Die "nationale Partei".

Um zunächst meinen eignen Standpunkt der Bewegung gegenüber festzustellen,
die seit dem Frieden von Villafranca begonnen hat, erlauben Sie mir die Bemerkung,
daß ich weder ein "Gothaer" noch ein "Eisenacher", sondern ein Preuße bin. Das
soll nicht blos eine statistische Notiz sein, sondern ich will damit eine Ansicht aus-
sprechen: die Ansicht nämlich, daß es sür die Bestimmtheit, ich möchte sagen An¬
schaulichkeit dieser Bewegung zweckmäßiger gewesen wäre, wenn sich Preußen ganz
von derselben ausgeschlossen hätte. Ich habe dafür mehrfache Gründe.

Zunächst gibt die gegenwärtige Parteibildung eine ganz falsche Vorstellung von
der Stärke der Partei. In Preußen ist die Ueberzeugung, daß Preußen eine höhere
und stärkere Stelle innerhalb des Bundes einzunehmen das Recht und die Pflicht
habe, fo allgemein, daß, die Ultramontanen und die Männer der Krcuz-
zeitungspartci abgerechnet (und auch die letzteren nicht ganz), das gesammte Volk
sich zu derselben bekennt. Und das ganze Volk, in Waffen geübt, ist bereit, sür
dieselbe einzutreten.

Es gibt also eine ganz falsche Vorstellung von der Stärke dieser Partei in
Preußen, wenn nnr einzelne Namen -- wie achtungswerth sie auch sein mögen
-- ein derartiges Programm unterzeichnen. Worauf es den Regierungen und dem
Volk ankommt, ist, zu wissen, wie stark und wie lebhaft diese Ansicht in den mittei-
und kleindcutschcn Staaten vertreten sei.




")Die Abschrift entspricht dem Original buchstäblich.
"Mre Anspielung aus die sogenannte "Riesenpetitivn" im Jahre 1348.

Provinz ist, deren gesammte Bevölkerung sich immer zur katholischen Religion
bekennt*) hat, derselben noch treu anhängt, und um die Aufrechthaltung der
Einheit im katholischen Glauben auf den öffentlichen Landtagen sowohl als
bei anderen sich darbietenden Gelegenheiten"*) wiederholt und dringend ge¬
bethen hat. Deswegen kann und darf ich als Bischof der in Tirol gelegenen
Diöcese Trient die gemischten Ehen nicht begünstigen, sondern muß die mir
auferlegte Pflicht treu und genau erfüllen." Alle Vermittlungsversuche blieben
fruchtlos. Dem katholischen Theile erübrigte angesichts unseres Eherechtcs nur
ein Ausweg, die Auswanderung aus dem östreichischen Kniserstaat, wozu
ihm denn auch von der k. k. Statthaltern die Bewilligung ertheilt wurde.
Wenn die Bischöfe des Landes solchen Ansichten huldigen, ist es erklärlich,
daß die Geistlichkeit, die im verstärkten ständischen Ausschuß gebührend ver¬
treten war, und die mit ihr einverstandener Vertrauensmänner ein Ansuchen
an die Regierung stellten, wozu der intelligente Theil der Tiroler nie seine
Zustimmung erklären wird.




Die „nationale Partei".

Um zunächst meinen eignen Standpunkt der Bewegung gegenüber festzustellen,
die seit dem Frieden von Villafranca begonnen hat, erlauben Sie mir die Bemerkung,
daß ich weder ein „Gothaer" noch ein „Eisenacher", sondern ein Preuße bin. Das
soll nicht blos eine statistische Notiz sein, sondern ich will damit eine Ansicht aus-
sprechen: die Ansicht nämlich, daß es sür die Bestimmtheit, ich möchte sagen An¬
schaulichkeit dieser Bewegung zweckmäßiger gewesen wäre, wenn sich Preußen ganz
von derselben ausgeschlossen hätte. Ich habe dafür mehrfache Gründe.

Zunächst gibt die gegenwärtige Parteibildung eine ganz falsche Vorstellung von
der Stärke der Partei. In Preußen ist die Ueberzeugung, daß Preußen eine höhere
und stärkere Stelle innerhalb des Bundes einzunehmen das Recht und die Pflicht
habe, fo allgemein, daß, die Ultramontanen und die Männer der Krcuz-
zeitungspartci abgerechnet (und auch die letzteren nicht ganz), das gesammte Volk
sich zu derselben bekennt. Und das ganze Volk, in Waffen geübt, ist bereit, sür
dieselbe einzutreten.

Es gibt also eine ganz falsche Vorstellung von der Stärke dieser Partei in
Preußen, wenn nnr einzelne Namen — wie achtungswerth sie auch sein mögen
— ein derartiges Programm unterzeichnen. Worauf es den Regierungen und dem
Volk ankommt, ist, zu wissen, wie stark und wie lebhaft diese Ansicht in den mittei-
und kleindcutschcn Staaten vertreten sei.




")Die Abschrift entspricht dem Original buchstäblich.
"Mre Anspielung aus die sogenannte „Riesenpetitivn" im Jahre 1348.
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[0050] Provinz ist, deren gesammte Bevölkerung sich immer zur katholischen Religion bekennt*) hat, derselben noch treu anhängt, und um die Aufrechthaltung der Einheit im katholischen Glauben auf den öffentlichen Landtagen sowohl als bei anderen sich darbietenden Gelegenheiten"*) wiederholt und dringend ge¬ bethen hat. Deswegen kann und darf ich als Bischof der in Tirol gelegenen Diöcese Trient die gemischten Ehen nicht begünstigen, sondern muß die mir auferlegte Pflicht treu und genau erfüllen." Alle Vermittlungsversuche blieben fruchtlos. Dem katholischen Theile erübrigte angesichts unseres Eherechtcs nur ein Ausweg, die Auswanderung aus dem östreichischen Kniserstaat, wozu ihm denn auch von der k. k. Statthaltern die Bewilligung ertheilt wurde. Wenn die Bischöfe des Landes solchen Ansichten huldigen, ist es erklärlich, daß die Geistlichkeit, die im verstärkten ständischen Ausschuß gebührend ver¬ treten war, und die mit ihr einverstandener Vertrauensmänner ein Ansuchen an die Regierung stellten, wozu der intelligente Theil der Tiroler nie seine Zustimmung erklären wird. Die „nationale Partei". Um zunächst meinen eignen Standpunkt der Bewegung gegenüber festzustellen, die seit dem Frieden von Villafranca begonnen hat, erlauben Sie mir die Bemerkung, daß ich weder ein „Gothaer" noch ein „Eisenacher", sondern ein Preuße bin. Das soll nicht blos eine statistische Notiz sein, sondern ich will damit eine Ansicht aus- sprechen: die Ansicht nämlich, daß es sür die Bestimmtheit, ich möchte sagen An¬ schaulichkeit dieser Bewegung zweckmäßiger gewesen wäre, wenn sich Preußen ganz von derselben ausgeschlossen hätte. Ich habe dafür mehrfache Gründe. Zunächst gibt die gegenwärtige Parteibildung eine ganz falsche Vorstellung von der Stärke der Partei. In Preußen ist die Ueberzeugung, daß Preußen eine höhere und stärkere Stelle innerhalb des Bundes einzunehmen das Recht und die Pflicht habe, fo allgemein, daß, die Ultramontanen und die Männer der Krcuz- zeitungspartci abgerechnet (und auch die letzteren nicht ganz), das gesammte Volk sich zu derselben bekennt. Und das ganze Volk, in Waffen geübt, ist bereit, sür dieselbe einzutreten. Es gibt also eine ganz falsche Vorstellung von der Stärke dieser Partei in Preußen, wenn nnr einzelne Namen — wie achtungswerth sie auch sein mögen — ein derartiges Programm unterzeichnen. Worauf es den Regierungen und dem Volk ankommt, ist, zu wissen, wie stark und wie lebhaft diese Ansicht in den mittei- und kleindcutschcn Staaten vertreten sei. ")Die Abschrift entspricht dem Original buchstäblich. "Mre Anspielung aus die sogenannte „Riesenpetitivn" im Jahre 1348.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/50>, abgerufen am 28.09.2024.