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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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In den mit Holly geschmückten Ladenfenstern sangen nun auch die "ma¬
teriellen" Freuden der Weihnachtszeit an verheißungsvoll zu prangen. Zuerst
"scheinen an dem Fenster der Publichäuser die Gänse- oder Pudding-Club-
Subscriptionscinladungen (denn hier im Lande der Association ist diese, an
deren Spitze als Unternehmer ein Wirth steht, und deren Mitglieder Jung¬
gesellen und alle diejenigen sind, die eine Gans oder einen Pudding allein
nicht bezahlen tonnen, vielleicht eine der ältesten); kurz daraus häufen sich die
Rosinen in den Fenstern der ehrsamen Grocer (Spezcreikrämcr) in beunruhigen¬
der Weise, ganze Schiffsladungen dieser edlen Früchte scheinen ausgegossen zu
sein. In den Fenstern der Buchläden und auf dem Tische der Straßenverkäufer.
wachen die Weihnachtsbücher, die Weihnachtönovellen und Weihuachtsblätter,
voll illustrirter Gedichte und schönvcrziertcr Lieder ihre Erscheinung; und der
deutsche Bazar verkauft Spielsachen und "Weihnachtsbaume auf deutsche
Manier", die aber sehr schwindsüchtig aussehen. Die Zeitungen sind voll
lockender Offerten von "ewistma.8-Irl>.mi>erL" (Weihnachtökörbc), die "für gar
kein oder doch so gut wie gar kein Geld" Alles von köstlichen Getränk ent-
halten, was der rechte Engländer sich nur zur Weihnachtsfreude wünschen mag:
XX--^l<z (doppelt-starkes Vier), XXX--'Wlri-etc^ (dreifach starken Schnaps),
^i'<1la1 girr (zu Herzen gehenden Genever), 10 Pfund Kaffee und Familien-
ruin (kann^-w-lind^). Als Geschenk für Braut und Weib werden sogenannte
Parsümcriekorbchen empfohlen, welche alle möglichen Sorten von Essenzen ent¬
halten und nur zwei Schillinge tosten. Sie sind aber auch darnach! -- Am
Großartigsten entwickelt sich Kraft und Stoff der Weihnachtsvorfreuden in der
"e-Utto-sIivw," der großen Ausstellung des Mastviehs, das in diesen Tagen
Statt findet. Es Ware allein einer Beschreibung werth, wie John Bull sich
in dem Fett seiner Schweine weidet und spiegelt, während das Vieh kaum
"och grunzen kann und sehnsuchtsvoll den Tod erwartet, der es von der un¬
säglichen Bürde des eigenen Fleisches befreie; wie die Vettern und Basen
aus der Provinz mit roth gefrorenen Gesichtern herumstehen und bewundern.
U"d im Vorgefühl des Kommenden essen und trinken, bis man mit den Wor¬
ten der Schrift sagen könnte: "die ganze Erde ist voll ihres Gcfräßcs!"

Zugleich mit den grünen und sonstigen Vorboten der Weihnachtszeit be-
sinnen auch die Theater von London an dem allgemeinen Jubel Theil zu
"ahnen und ihn zu steigern. Die Weihuachtspantomimen (Llrrit-tmus-
Vcwtymimks) nehmen ihren Anfang, und zauberhafte Decorationen, Feentänze.
Kobolde. Zwerge. Niesen und der ganze Spuk der Romantik, zuweilen in ab¬
scheuliche Fratzen verkleidet, nehmen die Bühnen Londons, vom Prinzeßthcater
b's hinab zum niedrigsten Volkstheater "auf der andern Seite des Wassers"
Ganz London mit seinen zwei Millionen fünfmalhunderttausend Menschen
'"^ehe "den Ritt ins alte romantische Land" mit. und die Vorliebe fürs


In den mit Holly geschmückten Ladenfenstern sangen nun auch die „ma¬
teriellen" Freuden der Weihnachtszeit an verheißungsvoll zu prangen. Zuerst
"scheinen an dem Fenster der Publichäuser die Gänse- oder Pudding-Club-
Subscriptionscinladungen (denn hier im Lande der Association ist diese, an
deren Spitze als Unternehmer ein Wirth steht, und deren Mitglieder Jung¬
gesellen und alle diejenigen sind, die eine Gans oder einen Pudding allein
nicht bezahlen tonnen, vielleicht eine der ältesten); kurz daraus häufen sich die
Rosinen in den Fenstern der ehrsamen Grocer (Spezcreikrämcr) in beunruhigen¬
der Weise, ganze Schiffsladungen dieser edlen Früchte scheinen ausgegossen zu
sein. In den Fenstern der Buchläden und auf dem Tische der Straßenverkäufer.
wachen die Weihnachtsbücher, die Weihnachtönovellen und Weihuachtsblätter,
voll illustrirter Gedichte und schönvcrziertcr Lieder ihre Erscheinung; und der
deutsche Bazar verkauft Spielsachen und „Weihnachtsbaume auf deutsche
Manier", die aber sehr schwindsüchtig aussehen. Die Zeitungen sind voll
lockender Offerten von „ewistma.8-Irl>.mi>erL" (Weihnachtökörbc), die „für gar
kein oder doch so gut wie gar kein Geld" Alles von köstlichen Getränk ent-
halten, was der rechte Engländer sich nur zur Weihnachtsfreude wünschen mag:
XX—^l<z (doppelt-starkes Vier), XXX—'Wlri-etc^ (dreifach starken Schnaps),
^i'<1la1 girr (zu Herzen gehenden Genever), 10 Pfund Kaffee und Familien-
ruin (kann^-w-lind^). Als Geschenk für Braut und Weib werden sogenannte
Parsümcriekorbchen empfohlen, welche alle möglichen Sorten von Essenzen ent¬
halten und nur zwei Schillinge tosten. Sie sind aber auch darnach! — Am
Großartigsten entwickelt sich Kraft und Stoff der Weihnachtsvorfreuden in der
«e-Utto-sIivw,« der großen Ausstellung des Mastviehs, das in diesen Tagen
Statt findet. Es Ware allein einer Beschreibung werth, wie John Bull sich
in dem Fett seiner Schweine weidet und spiegelt, während das Vieh kaum
"och grunzen kann und sehnsuchtsvoll den Tod erwartet, der es von der un¬
säglichen Bürde des eigenen Fleisches befreie; wie die Vettern und Basen
aus der Provinz mit roth gefrorenen Gesichtern herumstehen und bewundern.
U"d im Vorgefühl des Kommenden essen und trinken, bis man mit den Wor¬
ten der Schrift sagen könnte: „die ganze Erde ist voll ihres Gcfräßcs!"

Zugleich mit den grünen und sonstigen Vorboten der Weihnachtszeit be-
sinnen auch die Theater von London an dem allgemeinen Jubel Theil zu
"ahnen und ihn zu steigern. Die Weihuachtspantomimen (Llrrit-tmus-
Vcwtymimks) nehmen ihren Anfang, und zauberhafte Decorationen, Feentänze.
Kobolde. Zwerge. Niesen und der ganze Spuk der Romantik, zuweilen in ab¬
scheuliche Fratzen verkleidet, nehmen die Bühnen Londons, vom Prinzeßthcater
b's hinab zum niedrigsten Volkstheater „auf der andern Seite des Wassers"
Ganz London mit seinen zwei Millionen fünfmalhunderttausend Menschen
'"^ehe „den Ritt ins alte romantische Land" mit. und die Vorliebe fürs


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[0483] In den mit Holly geschmückten Ladenfenstern sangen nun auch die „ma¬ teriellen" Freuden der Weihnachtszeit an verheißungsvoll zu prangen. Zuerst "scheinen an dem Fenster der Publichäuser die Gänse- oder Pudding-Club- Subscriptionscinladungen (denn hier im Lande der Association ist diese, an deren Spitze als Unternehmer ein Wirth steht, und deren Mitglieder Jung¬ gesellen und alle diejenigen sind, die eine Gans oder einen Pudding allein nicht bezahlen tonnen, vielleicht eine der ältesten); kurz daraus häufen sich die Rosinen in den Fenstern der ehrsamen Grocer (Spezcreikrämcr) in beunruhigen¬ der Weise, ganze Schiffsladungen dieser edlen Früchte scheinen ausgegossen zu sein. In den Fenstern der Buchläden und auf dem Tische der Straßenverkäufer. wachen die Weihnachtsbücher, die Weihnachtönovellen und Weihuachtsblätter, voll illustrirter Gedichte und schönvcrziertcr Lieder ihre Erscheinung; und der deutsche Bazar verkauft Spielsachen und „Weihnachtsbaume auf deutsche Manier", die aber sehr schwindsüchtig aussehen. Die Zeitungen sind voll lockender Offerten von „ewistma.8-Irl>.mi>erL" (Weihnachtökörbc), die „für gar kein oder doch so gut wie gar kein Geld" Alles von köstlichen Getränk ent- halten, was der rechte Engländer sich nur zur Weihnachtsfreude wünschen mag: XX—^l<z (doppelt-starkes Vier), XXX—'Wlri-etc^ (dreifach starken Schnaps), ^i'<1la1 girr (zu Herzen gehenden Genever), 10 Pfund Kaffee und Familien- ruin (kann^-w-lind^). Als Geschenk für Braut und Weib werden sogenannte Parsümcriekorbchen empfohlen, welche alle möglichen Sorten von Essenzen ent¬ halten und nur zwei Schillinge tosten. Sie sind aber auch darnach! — Am Großartigsten entwickelt sich Kraft und Stoff der Weihnachtsvorfreuden in der «e-Utto-sIivw,« der großen Ausstellung des Mastviehs, das in diesen Tagen Statt findet. Es Ware allein einer Beschreibung werth, wie John Bull sich in dem Fett seiner Schweine weidet und spiegelt, während das Vieh kaum "och grunzen kann und sehnsuchtsvoll den Tod erwartet, der es von der un¬ säglichen Bürde des eigenen Fleisches befreie; wie die Vettern und Basen aus der Provinz mit roth gefrorenen Gesichtern herumstehen und bewundern. U"d im Vorgefühl des Kommenden essen und trinken, bis man mit den Wor¬ ten der Schrift sagen könnte: „die ganze Erde ist voll ihres Gcfräßcs!" Zugleich mit den grünen und sonstigen Vorboten der Weihnachtszeit be- sinnen auch die Theater von London an dem allgemeinen Jubel Theil zu "ahnen und ihn zu steigern. Die Weihuachtspantomimen (Llrrit-tmus- Vcwtymimks) nehmen ihren Anfang, und zauberhafte Decorationen, Feentänze. Kobolde. Zwerge. Niesen und der ganze Spuk der Romantik, zuweilen in ab¬ scheuliche Fratzen verkleidet, nehmen die Bühnen Londons, vom Prinzeßthcater b's hinab zum niedrigsten Volkstheater „auf der andern Seite des Wassers" Ganz London mit seinen zwei Millionen fünfmalhunderttausend Menschen '"^ehe „den Ritt ins alte romantische Land" mit. und die Vorliebe fürs

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/483>, abgerufen am 18.06.2024.