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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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on legen, um auf gleiche Weise die Mauern der Stadt und der Kasbah zu
^stören. Um aber hineinzubringen, müßte man noch drei Ringmauern neh¬
men, von denen jede mit einem ungemein starken eiscnbcschlagncn Thore ver¬
gehen ist. Man würde Kanonen auszuschiffen haben, um sie einzuschießen,
oder Minen oder Petarden anwenden; unterdeß aber wäre man einem mör¬
derischen Feuer von der Flanke und von vorn ausgesetzt, wofern Einwohner
und Besatzung sich vertheidigen wollten. Bei einem Angriff zu Lande aber
hätte man auf den Hügeln und Dämmen im Süden Stellung zu nehmen,
irischen dem Meer und der Straße nach Feß, nachdem die Landung in der
Nähe des alten Tanger außer dem Bereich der Hafenbatterien bewerkstelligt
wäre.

Das Innere der Stadt hat wenig Bemerkenswerthes. Man geht durch
düstre vielgewundcne Gassen, in denen man einer trägen, mürrisch blickenden
Bevölkerung begegnet. Nur das europäische Quartier, wo sich die Wohnungen
der Konsuln befinden, gibt der Stadt eine gewisse Bedeutung und einiges
^eben. Es liegt im Südosten, also dem zur See Anlangenden zur Linken,,
hinter dem erwähnten doppelten Stockwerk von Wällen, die gegen den Hafen
wort machen. Die Wohnungen der Konsuln sind schön, haben jede einen
Hof und einen Garten und bieten in ihrer gemischten, halb maurischen, halb
europäischen Bauart einen ungemein malerischen Anblick. Zwischen denselben
stehen die Häuser der übrigen Europäer und der jüdischen Handelsleute. Sonst
'se in der ganzen Stadt nur eine Straße, die vom HafeNthor nach dem Thor
von Feß hinaufsteigende Alkassarijeh bemerkenswerth, indem sie als Bazar
°>eilt. Von den Moscheen ist nur die Hauptmoschee zu nennen, die ein ele¬
gantes Minaret besitzt. Einwohner gibt man der Stadt 8000. doch rechnen
ändere nur 6000 heraus. Der Hafen von Tanger ist wenig geräumig und
uicht sehr tief, indem bei der höchsten Flut das Wasser in ihm nicht über
^ Fuß steigt; auch ist er dem in diesen Strichen sehr heftigen Nordostwind
ausgesetzt. Die kleinen Kauffahrer, die nicht mehr als 5 bis 6 Fuß Wasser
bedürfen, können sich davor schützen, indem sie hart vor der Stadt Anker wer-
^U- Die Rhede ist tief und weit. Sie ist die beste in ganz Marokko und
,d)e einzige dieser Küsten, welche eine ganze Kriegsflotte aufnehmen kann. Doch
'se auch sie dem Nordost offen, und so müssen große Schiffe, wenn Sturm
^ost. eiligst^die Anker lichten, um die schützende spanische Küste aufzusuchen.

Tanger gehörte während des ganzen fünfzehnten Jahrhunderts den Por¬
tugiesen. 1662 kam es an England, welches den Platz aber schon 1684
Wieder aufgab, da die Garnison von den Mauren eng blockirt gehalten wurde
""d man damals Gibraltar noch nicht besaß. Bei der Räumung sprengte
'"an die Hauptwerke und den Hafendamm, dessen Trümmer noch jetzt einen
^den des Hakens unsicher machen. Uebrigens versandet auch die Rhede von


Grenzboten IV. 1859. 59

on legen, um auf gleiche Weise die Mauern der Stadt und der Kasbah zu
^stören. Um aber hineinzubringen, müßte man noch drei Ringmauern neh¬
men, von denen jede mit einem ungemein starken eiscnbcschlagncn Thore ver¬
gehen ist. Man würde Kanonen auszuschiffen haben, um sie einzuschießen,
oder Minen oder Petarden anwenden; unterdeß aber wäre man einem mör¬
derischen Feuer von der Flanke und von vorn ausgesetzt, wofern Einwohner
und Besatzung sich vertheidigen wollten. Bei einem Angriff zu Lande aber
hätte man auf den Hügeln und Dämmen im Süden Stellung zu nehmen,
irischen dem Meer und der Straße nach Feß, nachdem die Landung in der
Nähe des alten Tanger außer dem Bereich der Hafenbatterien bewerkstelligt
wäre.

Das Innere der Stadt hat wenig Bemerkenswerthes. Man geht durch
düstre vielgewundcne Gassen, in denen man einer trägen, mürrisch blickenden
Bevölkerung begegnet. Nur das europäische Quartier, wo sich die Wohnungen
der Konsuln befinden, gibt der Stadt eine gewisse Bedeutung und einiges
^eben. Es liegt im Südosten, also dem zur See Anlangenden zur Linken,,
hinter dem erwähnten doppelten Stockwerk von Wällen, die gegen den Hafen
wort machen. Die Wohnungen der Konsuln sind schön, haben jede einen
Hof und einen Garten und bieten in ihrer gemischten, halb maurischen, halb
europäischen Bauart einen ungemein malerischen Anblick. Zwischen denselben
stehen die Häuser der übrigen Europäer und der jüdischen Handelsleute. Sonst
'se in der ganzen Stadt nur eine Straße, die vom HafeNthor nach dem Thor
von Feß hinaufsteigende Alkassarijeh bemerkenswerth, indem sie als Bazar
°>eilt. Von den Moscheen ist nur die Hauptmoschee zu nennen, die ein ele¬
gantes Minaret besitzt. Einwohner gibt man der Stadt 8000. doch rechnen
ändere nur 6000 heraus. Der Hafen von Tanger ist wenig geräumig und
uicht sehr tief, indem bei der höchsten Flut das Wasser in ihm nicht über
^ Fuß steigt; auch ist er dem in diesen Strichen sehr heftigen Nordostwind
ausgesetzt. Die kleinen Kauffahrer, die nicht mehr als 5 bis 6 Fuß Wasser
bedürfen, können sich davor schützen, indem sie hart vor der Stadt Anker wer-
^U- Die Rhede ist tief und weit. Sie ist die beste in ganz Marokko und
,d)e einzige dieser Küsten, welche eine ganze Kriegsflotte aufnehmen kann. Doch
'se auch sie dem Nordost offen, und so müssen große Schiffe, wenn Sturm
^ost. eiligst^die Anker lichten, um die schützende spanische Küste aufzusuchen.

Tanger gehörte während des ganzen fünfzehnten Jahrhunderts den Por¬
tugiesen. 1662 kam es an England, welches den Platz aber schon 1684
Wieder aufgab, da die Garnison von den Mauren eng blockirt gehalten wurde
""d man damals Gibraltar noch nicht besaß. Bei der Räumung sprengte
'"an die Hauptwerke und den Hafendamm, dessen Trümmer noch jetzt einen
^den des Hakens unsicher machen. Uebrigens versandet auch die Rhede von


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[0477] on legen, um auf gleiche Weise die Mauern der Stadt und der Kasbah zu ^stören. Um aber hineinzubringen, müßte man noch drei Ringmauern neh¬ men, von denen jede mit einem ungemein starken eiscnbcschlagncn Thore ver¬ gehen ist. Man würde Kanonen auszuschiffen haben, um sie einzuschießen, oder Minen oder Petarden anwenden; unterdeß aber wäre man einem mör¬ derischen Feuer von der Flanke und von vorn ausgesetzt, wofern Einwohner und Besatzung sich vertheidigen wollten. Bei einem Angriff zu Lande aber hätte man auf den Hügeln und Dämmen im Süden Stellung zu nehmen, irischen dem Meer und der Straße nach Feß, nachdem die Landung in der Nähe des alten Tanger außer dem Bereich der Hafenbatterien bewerkstelligt wäre. Das Innere der Stadt hat wenig Bemerkenswerthes. Man geht durch düstre vielgewundcne Gassen, in denen man einer trägen, mürrisch blickenden Bevölkerung begegnet. Nur das europäische Quartier, wo sich die Wohnungen der Konsuln befinden, gibt der Stadt eine gewisse Bedeutung und einiges ^eben. Es liegt im Südosten, also dem zur See Anlangenden zur Linken,, hinter dem erwähnten doppelten Stockwerk von Wällen, die gegen den Hafen wort machen. Die Wohnungen der Konsuln sind schön, haben jede einen Hof und einen Garten und bieten in ihrer gemischten, halb maurischen, halb europäischen Bauart einen ungemein malerischen Anblick. Zwischen denselben stehen die Häuser der übrigen Europäer und der jüdischen Handelsleute. Sonst 'se in der ganzen Stadt nur eine Straße, die vom HafeNthor nach dem Thor von Feß hinaufsteigende Alkassarijeh bemerkenswerth, indem sie als Bazar °>eilt. Von den Moscheen ist nur die Hauptmoschee zu nennen, die ein ele¬ gantes Minaret besitzt. Einwohner gibt man der Stadt 8000. doch rechnen ändere nur 6000 heraus. Der Hafen von Tanger ist wenig geräumig und uicht sehr tief, indem bei der höchsten Flut das Wasser in ihm nicht über ^ Fuß steigt; auch ist er dem in diesen Strichen sehr heftigen Nordostwind ausgesetzt. Die kleinen Kauffahrer, die nicht mehr als 5 bis 6 Fuß Wasser bedürfen, können sich davor schützen, indem sie hart vor der Stadt Anker wer- ^U- Die Rhede ist tief und weit. Sie ist die beste in ganz Marokko und ,d)e einzige dieser Küsten, welche eine ganze Kriegsflotte aufnehmen kann. Doch 'se auch sie dem Nordost offen, und so müssen große Schiffe, wenn Sturm ^ost. eiligst^die Anker lichten, um die schützende spanische Küste aufzusuchen. Tanger gehörte während des ganzen fünfzehnten Jahrhunderts den Por¬ tugiesen. 1662 kam es an England, welches den Platz aber schon 1684 Wieder aufgab, da die Garnison von den Mauren eng blockirt gehalten wurde ""d man damals Gibraltar noch nicht besaß. Bei der Räumung sprengte '"an die Hauptwerke und den Hafendamm, dessen Trümmer noch jetzt einen ^den des Hakens unsicher machen. Uebrigens versandet auch die Rhede von Grenzboten IV. 1859. 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/477>, abgerufen am 26.06.2024.