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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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päischen. in allen Hauptpunkten wohl noch das zu gelten haben, was man
vor fünfzehn Jahren bei Gelegenheit des französisch-marokkani>chen Kriegs über
diese Fragen in Erfahrung brachte.

Das Sultanat Marokko, arabisch Moghrib El Alfa, d. i. West'
reich, ist mit seinem Flächeninhalt von 10,500 Quadratmeilen ungefähr so
groß wie Frankreich, doch kann nur etwa ein Drittel dieses Gebiets als volle"
Sinns dem Sultan Unterthan betrachtet werden, indem ein sehr beträchtlich"'
Theil der nomadisirenden Bevölkerung im Süden und Osten so gut wie un¬
abhängig von den Herrschern Marokkos ist und entweder gar nichts oder nur
gelegentlich und gezwungen zu den Steuern beiträgt. Die Grenzen sind im
Norden das Mittelmeer, im Westen der Atlantische Ocean, im Süden der Staat
des Sidi Hedscham, im Südosten das Steppenland Beleb El Dscherid. im
Nordosten endlich Algerien. Der Atlas, welcher sich hier im Miltsin mehr
als zehntausend Fuß über den Meeresspiegel erhebt, streicht als lauge Kette
in der Richtung von Nordosten nach Südwesten durch das Land, theilt es so
in eine nordwestliche und eine südöstliche Hälfte und entsendet namentlich nach
dem Mittelmeer verschiedene Seitenzweige, welche mit schroffen Vorgebirge"
endigen. So bietet der Boden und das Klima allen Stufenwechsel vom
schneeigen Hochgebirge bis zur dürren gluthauchendcn Wüsteuebene. Frucht'
bare Strecken sind häufig anzutreffen, und vorzüglich der Nordwesten ist gut
bebaut und reich an Getreide und Vieh. Die Flüsse, welche den Abdachungen
des Atlas entströmen, sind nur zum Theil schiffbar. Die bedeutendsten sind
die zwischen Tlemsen und der spanischen Festung Melitta in das Mitteln-er
mündende Maluwijch. der aus der Gegend von Feß kommende, einige Meile"
nördlich von Rabat in das Atlantische Meer sich ergießende sehn. und die
weiter südlich, nicht fern vom Cap Blanco ebenfalls in den Atlantischen Ocean
strömende Om Er Beg, sowie der Tensift, der an der Hauptstadt, Marokko
oder Maraksch vorüberfließt. Die Zahl der Einwohner läßt sich in >"0'
hanunedanischen Ländern des Haremsgeheimnisses wegen nie genau bestimme"'
hier kommt noch hinzu, daß ein Theil der Araber nomadisirt, andere Stämme
als stets im Aufstand unnahbar für die Berechnung sind. Indeß nimmt
man etwa 8V2 Millionen Einwohner für das Sultanat an. Von diesem
sind gegen 350,000 Juden, die übrigen bestehen aus Mauren. Berbern und
Arabern. Die Mauren sollen ungefähr 3'/- Million Köpfe zählen, sie bilde"
die Bewohner der Städte und treiben Handel und Handwerke; auch geh"'
aus ihrer Mitte die Beamten hervor. Ihr Charakter wird nicht gelobt, in-
dem man sie als treulos, lügenhaft, feig, geizig und überaus fanatisch tM
dert. Die Berbern sind Ureinwohner des Landes, dieselben, welche man in
Algerien Kabylen nennt. Sie zerfallen in zwei Hauptstümme: die Amazirg.
2,300,000, und die Schillak, etwa I'/, Millionen Köpfe stark, haben durch'


päischen. in allen Hauptpunkten wohl noch das zu gelten haben, was man
vor fünfzehn Jahren bei Gelegenheit des französisch-marokkani>chen Kriegs über
diese Fragen in Erfahrung brachte.

Das Sultanat Marokko, arabisch Moghrib El Alfa, d. i. West'
reich, ist mit seinem Flächeninhalt von 10,500 Quadratmeilen ungefähr so
groß wie Frankreich, doch kann nur etwa ein Drittel dieses Gebiets als volle»
Sinns dem Sultan Unterthan betrachtet werden, indem ein sehr beträchtlich"'
Theil der nomadisirenden Bevölkerung im Süden und Osten so gut wie un¬
abhängig von den Herrschern Marokkos ist und entweder gar nichts oder nur
gelegentlich und gezwungen zu den Steuern beiträgt. Die Grenzen sind im
Norden das Mittelmeer, im Westen der Atlantische Ocean, im Süden der Staat
des Sidi Hedscham, im Südosten das Steppenland Beleb El Dscherid. im
Nordosten endlich Algerien. Der Atlas, welcher sich hier im Miltsin mehr
als zehntausend Fuß über den Meeresspiegel erhebt, streicht als lauge Kette
in der Richtung von Nordosten nach Südwesten durch das Land, theilt es so
in eine nordwestliche und eine südöstliche Hälfte und entsendet namentlich nach
dem Mittelmeer verschiedene Seitenzweige, welche mit schroffen Vorgebirge»
endigen. So bietet der Boden und das Klima allen Stufenwechsel vom
schneeigen Hochgebirge bis zur dürren gluthauchendcn Wüsteuebene. Frucht'
bare Strecken sind häufig anzutreffen, und vorzüglich der Nordwesten ist gut
bebaut und reich an Getreide und Vieh. Die Flüsse, welche den Abdachungen
des Atlas entströmen, sind nur zum Theil schiffbar. Die bedeutendsten sind
die zwischen Tlemsen und der spanischen Festung Melitta in das Mitteln-er
mündende Maluwijch. der aus der Gegend von Feß kommende, einige Meile»
nördlich von Rabat in das Atlantische Meer sich ergießende sehn. und die
weiter südlich, nicht fern vom Cap Blanco ebenfalls in den Atlantischen Ocean
strömende Om Er Beg, sowie der Tensift, der an der Hauptstadt, Marokko
oder Maraksch vorüberfließt. Die Zahl der Einwohner läßt sich in >»0'
hanunedanischen Ländern des Haremsgeheimnisses wegen nie genau bestimme»'
hier kommt noch hinzu, daß ein Theil der Araber nomadisirt, andere Stämme
als stets im Aufstand unnahbar für die Berechnung sind. Indeß nimmt
man etwa 8V2 Millionen Einwohner für das Sultanat an. Von diesem
sind gegen 350,000 Juden, die übrigen bestehen aus Mauren. Berbern und
Arabern. Die Mauren sollen ungefähr 3'/- Million Köpfe zählen, sie bilde"
die Bewohner der Städte und treiben Handel und Handwerke; auch geh"'
aus ihrer Mitte die Beamten hervor. Ihr Charakter wird nicht gelobt, in-
dem man sie als treulos, lügenhaft, feig, geizig und überaus fanatisch tM
dert. Die Berbern sind Ureinwohner des Landes, dieselben, welche man in
Algerien Kabylen nennt. Sie zerfallen in zwei Hauptstümme: die Amazirg.
2,300,000, und die Schillak, etwa I'/, Millionen Köpfe stark, haben durch'


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/468>, abgerufen am 26.06.2024.