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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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die unmittelbar darauf erfolgten Verwarnungen zeigen wenigstens so viel, daß man
keineswegs die Absicht hat, diese Verordnungen ein blos beschriebenes Papier bleiben
Zu lassen. Leider gibt es noch in Deutschland manche wohlmeinende Liberale, die ihr
eigenes Leid leichter tragen, wenn sie in einem anderen deutschen Vaterlande ein
stärkeres Leid wahrnehmen. Wir sind im Gegentheil fist davon überzeugt, daß die
Sache des Liberalismus in ganz Deutschland, ja in ganz Europa, solidarisch mit
einander verbunden ist. daß jeder Verlust, den sie an irgend einem Punkt erleidet,
sich überall fühlbar macht. Wir wünschen von Herzen, daß sich auch bei der
östreichischen Presse diese Ueberzeugung mehr und mehr befestigen möge.

Wir in Preußen haben keine Ursache, auf diese Zustände vornehm herab¬
zusehen. Denn noch vor zwei Jahren war es bei uns nicht anders, und daß es
seitdem anders geworden, ist nicht unser Verdienst. Aber ein wichtiger Unterschied
bestand doch zwischen dem Prcßrcgiment des Herrn von Westphalen und dem gegen¬
wärtigen östreichischen. In Preußen war jene Bedrückung etwas ganz Unnvthiges,
sie geschah lediglich im Interesse einer kleinen Partei; und seitdem die öffentlichen
Angelegenheiten frei besprochen werden können, ist die Stimmung der Presse und
des Publicums nicht gespannter, sondern viel behaglicher, weil im Ganzen die Grund-
lcigen des wirthschaftlichen und sittlichen Lebens noch vollständig gesund sind. Daß
Oestreich größere Ursachen hat, eine Beleuchtung seiner innern Zustände bedenklich
zu finden, wenn es sich nicht zu sehr wesentlichen Reformen verstehen will, zeigen
die neuesten finanziellen Versuche, zeigen die ungarischen Zerwürfnisse. Durch ein
bloßes Decret das Deficit abzuschaffen, will nicht gelingen, und die Notabeln um
Nath zu fragen, nützt um fo weniger, wenn man denjenigen Nath nicht hören will,
der allein Hülfe verspricht. Bisher hat nur ein geistvoller ungarischer Schriftsteller
auf die echten Garantien für Oestreich hingewiesen- Oestreich wird gedeihen, sobald es
sich daran erinnert, daß es aus verschiedenen Nationalitäten zusammengesetzt ist, und
sobald es sich bemüht, durch und vermittelst dieser Nationalitäten, d. h. durch eine
Föderativ-Verfassung zu regieren; solange es gegen den Willen derselben zu re¬
gieren fortfährt und solange es sich an den europäischen Welthändeln nach allen
S t t eiten hin betheiligt, wird der Staat immer mehr kosten als er einbringt.




Literatur.

Neueste Sammlung ausgewählter griechischer und römischer Clas-
°r, verdeutscht von den berufensten Ucbersctzern. -- Stuttgart, Krais Und Hoffmann.
Wir geben hier eine Uebersicht dessen, was in dieser vortrefflichen Sammlung bereits ge-
^'t'se. -- 1) Griechische Dichter. Homers Odyssee und Ilias; Aeschylus: beides


die unmittelbar darauf erfolgten Verwarnungen zeigen wenigstens so viel, daß man
keineswegs die Absicht hat, diese Verordnungen ein blos beschriebenes Papier bleiben
Zu lassen. Leider gibt es noch in Deutschland manche wohlmeinende Liberale, die ihr
eigenes Leid leichter tragen, wenn sie in einem anderen deutschen Vaterlande ein
stärkeres Leid wahrnehmen. Wir sind im Gegentheil fist davon überzeugt, daß die
Sache des Liberalismus in ganz Deutschland, ja in ganz Europa, solidarisch mit
einander verbunden ist. daß jeder Verlust, den sie an irgend einem Punkt erleidet,
sich überall fühlbar macht. Wir wünschen von Herzen, daß sich auch bei der
östreichischen Presse diese Ueberzeugung mehr und mehr befestigen möge.

Wir in Preußen haben keine Ursache, auf diese Zustände vornehm herab¬
zusehen. Denn noch vor zwei Jahren war es bei uns nicht anders, und daß es
seitdem anders geworden, ist nicht unser Verdienst. Aber ein wichtiger Unterschied
bestand doch zwischen dem Prcßrcgiment des Herrn von Westphalen und dem gegen¬
wärtigen östreichischen. In Preußen war jene Bedrückung etwas ganz Unnvthiges,
sie geschah lediglich im Interesse einer kleinen Partei; und seitdem die öffentlichen
Angelegenheiten frei besprochen werden können, ist die Stimmung der Presse und
des Publicums nicht gespannter, sondern viel behaglicher, weil im Ganzen die Grund-
lcigen des wirthschaftlichen und sittlichen Lebens noch vollständig gesund sind. Daß
Oestreich größere Ursachen hat, eine Beleuchtung seiner innern Zustände bedenklich
zu finden, wenn es sich nicht zu sehr wesentlichen Reformen verstehen will, zeigen
die neuesten finanziellen Versuche, zeigen die ungarischen Zerwürfnisse. Durch ein
bloßes Decret das Deficit abzuschaffen, will nicht gelingen, und die Notabeln um
Nath zu fragen, nützt um fo weniger, wenn man denjenigen Nath nicht hören will,
der allein Hülfe verspricht. Bisher hat nur ein geistvoller ungarischer Schriftsteller
auf die echten Garantien für Oestreich hingewiesen- Oestreich wird gedeihen, sobald es
sich daran erinnert, daß es aus verschiedenen Nationalitäten zusammengesetzt ist, und
sobald es sich bemüht, durch und vermittelst dieser Nationalitäten, d. h. durch eine
Föderativ-Verfassung zu regieren; solange es gegen den Willen derselben zu re¬
gieren fortfährt und solange es sich an den europäischen Welthändeln nach allen
S t t eiten hin betheiligt, wird der Staat immer mehr kosten als er einbringt.




Literatur.

Neueste Sammlung ausgewählter griechischer und römischer Clas-
°r, verdeutscht von den berufensten Ucbersctzern. — Stuttgart, Krais Und Hoffmann.
Wir geben hier eine Uebersicht dessen, was in dieser vortrefflichen Sammlung bereits ge-
^'t'se. — 1) Griechische Dichter. Homers Odyssee und Ilias; Aeschylus: beides


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/449>, abgerufen am 26.06.2024.