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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Neue Arbeiten mis dem Gebiete der LitenttimMichte.

Grundriß zurGeschichte der deutschen Dichtung. Aus den Quellen
von Carl Goedeke. 1. Bd. Hannover. Ehlermann. -- Wenn wir bei der
Besprechung dieses Wert's nicht so ausführlich sind, als bei Koberstein. so liegt
der Grund nicht darin, daß wir ihm einen geringeren Werth beilegen; im Gegen¬
theil kann man eine häusig gemißbrauchte Redensart mit vollstem Recht dar¬
auf anwenden: es befriedigt ein tief gefühltes Bedürfniß. -- Es hat nämlich
unserer Literaturgeschichte bisher an einer soliden bibliographischen Basis gefehlt,
jeder Schriftsteller mußte darin von vorn anfangen, namentlich seit Gervinus
und seine Nachfolger ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die Darstellung und
die ästhetische Kritik gewandt und die herkömmliche Form der Begründung
durch Citate beseitigt haben. -- Dieser vernachlässigten Seite der Literatur¬
geschichte hat Goedeke ausschließlich seinen Fleiß zugewandt. (Wir sprechen
hier von dem zweiten Abschnitt, seit Gottsched; der erste ist in diesen Blättern
schon angezeigt worden.) -- Sein erstes Bestreben war Vollständigkeit der
Bibliographie und Sicherheit jeder Angabe; in letzterer Beziehung ist das Ver-
Zeichniß musterhaft, da er. so weit es irgend möglich, nur nach eigner An¬
schauung der Quellen urtheilt. Was die Vollständigkeit betrifft, so kann mit
einem Wurf natürlich nicht alles geschehen; er sagt selbst nach Seneca: union
tMuc reswt "zM-is, multumqu" rest-i-M; une ulu MÄveluävwr occAsw
'^uiä aälme ac^ieieiM; eine spätere Auslage wird noch manches hinzuzufügen
haben. -- Hier sei noch ein Wunsch ausgesprochen. Die erste Aufgabe ist
Natürlich die genaue Angabe sämmtlicher Drucke (bei Gesammtausgaben wo-
'Uögljch auch ein Jnhaltsverzeichniß; bei Dichtern vom ersten Range auch die
einzelnen Gedichte). Dann folgen die Briefsammlungen. Was nun das bio¬
graphische Material betrifft, so kann die Lebensbeschreibung der Einzelnen
'"'ehe vollständig erzählt werden, ohne dem Buch eine andere Tendenz zugeben;
°s genügt eine summarische Uebersicht mit genauer Angabe der Quellen. aus
^nen man sich über das weitere unterrichten kann. Hier wären nun zwei
Wege einzuschlagen: entweder es werden nur diejenigen Schriften angeführt,
welche neues Material enthalten, also die Wissenschaft bereichern; oder, wenn
Verzeichnis) der biographischen Versuche vollständig sein soll, so müssen
fingen, aus welchen nichts zu lernen ist (d. h. in biographischer Beziehung),
^n den andern gesondert werden. - In Bezug auf die ästhetische Kritik
die Angabe der ersten und wichtigsten Recensionen wünschenswert!); ab¬
flute Vollständigkeit würde hier nicht nützen, sondern schaden. - Man er-
^<N'te nach diesen Angaben nicht etwa blos ein zweckmäßig registrirtes Bücher-


Neue Arbeiten mis dem Gebiete der LitenttimMichte.

Grundriß zurGeschichte der deutschen Dichtung. Aus den Quellen
von Carl Goedeke. 1. Bd. Hannover. Ehlermann. — Wenn wir bei der
Besprechung dieses Wert's nicht so ausführlich sind, als bei Koberstein. so liegt
der Grund nicht darin, daß wir ihm einen geringeren Werth beilegen; im Gegen¬
theil kann man eine häusig gemißbrauchte Redensart mit vollstem Recht dar¬
auf anwenden: es befriedigt ein tief gefühltes Bedürfniß. — Es hat nämlich
unserer Literaturgeschichte bisher an einer soliden bibliographischen Basis gefehlt,
jeder Schriftsteller mußte darin von vorn anfangen, namentlich seit Gervinus
und seine Nachfolger ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die Darstellung und
die ästhetische Kritik gewandt und die herkömmliche Form der Begründung
durch Citate beseitigt haben. — Dieser vernachlässigten Seite der Literatur¬
geschichte hat Goedeke ausschließlich seinen Fleiß zugewandt. (Wir sprechen
hier von dem zweiten Abschnitt, seit Gottsched; der erste ist in diesen Blättern
schon angezeigt worden.) — Sein erstes Bestreben war Vollständigkeit der
Bibliographie und Sicherheit jeder Angabe; in letzterer Beziehung ist das Ver-
Zeichniß musterhaft, da er. so weit es irgend möglich, nur nach eigner An¬
schauung der Quellen urtheilt. Was die Vollständigkeit betrifft, so kann mit
einem Wurf natürlich nicht alles geschehen; er sagt selbst nach Seneca: union
tMuc reswt «zM-is, multumqu« rest-i-M; une ulu MÄveluävwr occAsw
'^uiä aälme ac^ieieiM; eine spätere Auslage wird noch manches hinzuzufügen
haben. — Hier sei noch ein Wunsch ausgesprochen. Die erste Aufgabe ist
Natürlich die genaue Angabe sämmtlicher Drucke (bei Gesammtausgaben wo-
'Uögljch auch ein Jnhaltsverzeichniß; bei Dichtern vom ersten Range auch die
einzelnen Gedichte). Dann folgen die Briefsammlungen. Was nun das bio¬
graphische Material betrifft, so kann die Lebensbeschreibung der Einzelnen
'"'ehe vollständig erzählt werden, ohne dem Buch eine andere Tendenz zugeben;
°s genügt eine summarische Uebersicht mit genauer Angabe der Quellen. aus
^nen man sich über das weitere unterrichten kann. Hier wären nun zwei
Wege einzuschlagen: entweder es werden nur diejenigen Schriften angeführt,
welche neues Material enthalten, also die Wissenschaft bereichern; oder, wenn
Verzeichnis) der biographischen Versuche vollständig sein soll, so müssen
fingen, aus welchen nichts zu lernen ist (d. h. in biographischer Beziehung),
^n den andern gesondert werden. - In Bezug auf die ästhetische Kritik
die Angabe der ersten und wichtigsten Recensionen wünschenswert!); ab¬
flute Vollständigkeit würde hier nicht nützen, sondern schaden. - Man er-
^<N'te nach diesen Angaben nicht etwa blos ein zweckmäßig registrirtes Bücher-


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[0433] Neue Arbeiten mis dem Gebiete der LitenttimMichte. Grundriß zurGeschichte der deutschen Dichtung. Aus den Quellen von Carl Goedeke. 1. Bd. Hannover. Ehlermann. — Wenn wir bei der Besprechung dieses Wert's nicht so ausführlich sind, als bei Koberstein. so liegt der Grund nicht darin, daß wir ihm einen geringeren Werth beilegen; im Gegen¬ theil kann man eine häusig gemißbrauchte Redensart mit vollstem Recht dar¬ auf anwenden: es befriedigt ein tief gefühltes Bedürfniß. — Es hat nämlich unserer Literaturgeschichte bisher an einer soliden bibliographischen Basis gefehlt, jeder Schriftsteller mußte darin von vorn anfangen, namentlich seit Gervinus und seine Nachfolger ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die Darstellung und die ästhetische Kritik gewandt und die herkömmliche Form der Begründung durch Citate beseitigt haben. — Dieser vernachlässigten Seite der Literatur¬ geschichte hat Goedeke ausschließlich seinen Fleiß zugewandt. (Wir sprechen hier von dem zweiten Abschnitt, seit Gottsched; der erste ist in diesen Blättern schon angezeigt worden.) — Sein erstes Bestreben war Vollständigkeit der Bibliographie und Sicherheit jeder Angabe; in letzterer Beziehung ist das Ver- Zeichniß musterhaft, da er. so weit es irgend möglich, nur nach eigner An¬ schauung der Quellen urtheilt. Was die Vollständigkeit betrifft, so kann mit einem Wurf natürlich nicht alles geschehen; er sagt selbst nach Seneca: union tMuc reswt «zM-is, multumqu« rest-i-M; une ulu MÄveluävwr occAsw '^uiä aälme ac^ieieiM; eine spätere Auslage wird noch manches hinzuzufügen haben. — Hier sei noch ein Wunsch ausgesprochen. Die erste Aufgabe ist Natürlich die genaue Angabe sämmtlicher Drucke (bei Gesammtausgaben wo- 'Uögljch auch ein Jnhaltsverzeichniß; bei Dichtern vom ersten Range auch die einzelnen Gedichte). Dann folgen die Briefsammlungen. Was nun das bio¬ graphische Material betrifft, so kann die Lebensbeschreibung der Einzelnen '"'ehe vollständig erzählt werden, ohne dem Buch eine andere Tendenz zugeben; °s genügt eine summarische Uebersicht mit genauer Angabe der Quellen. aus ^nen man sich über das weitere unterrichten kann. Hier wären nun zwei Wege einzuschlagen: entweder es werden nur diejenigen Schriften angeführt, welche neues Material enthalten, also die Wissenschaft bereichern; oder, wenn Verzeichnis) der biographischen Versuche vollständig sein soll, so müssen fingen, aus welchen nichts zu lernen ist (d. h. in biographischer Beziehung), ^n den andern gesondert werden. - In Bezug auf die ästhetische Kritik die Angabe der ersten und wichtigsten Recensionen wünschenswert!); ab¬ flute Vollständigkeit würde hier nicht nützen, sondern schaden. - Man er- ^<N'te nach diesen Angaben nicht etwa blos ein zweckmäßig registrirtes Bücher-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/433>, abgerufen am 26.06.2024.