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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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wollte. Es würden sich demnach die Verhältnisse wohl ähnlich gestalten, wie
1792 und im Winter auf 1793 unter Dumouriez und 1794 unter Jourdan,
nur mit dem Unterschiede, daß diesmal Antwerpen diejenige Rolle spielen
würde, welche in jener Zeit Holland spielte. Mit andern Worten die Fran¬
zosen würden eine Avantgarde gegen die Maas zur Beobachtung der Preußen
vorschieben, etwa auf der Linie von Stavelot an der Ambleve, bis nach Venlo
an der Maas abwärts; sie würden eine andere starke Avantgarde gegen Ant¬
werpen vorschieben und nun um Brüssel, Löwen, Hasselt. d. h. zwischen den
beiden Avantgarden, das Gros oder den Rest ihrer Armee vereinigen. Die
dabei verfolgten Zwecke wären, 1) die Einnahme Antwerpens oder wenigstens
seines verschanzten Lagers, was dann wohl mit einer nicht unbedeutenden
Niederlage der englisch-niederländischen Armee verknüpft sein und die Ein¬
nahme von Antwerpen selbst zur mehr oder minder nahen Folge haben würde!
2) die Einnahme irgend eines Platzes an der Maas, um über diesen Fluß
einen befestigten Uebergang zu erhalten; 3) die Beobachtung der preußische"
Rheinarmee; 4) Concentrirung aller verfügbaren Kräfte, uur unter Zurücklassung
eines Beobachtungscorps vor Antwerpen, um sich den Preußen zu wider¬
setzen, falls diese in den Angriff übergehen sollten. Diesen Zwecken müßten
die Franzosen nachleben, bis Antwerpen gefallen wäre. Gegen die Preußen
müßten sie sich rein abwehrend verhalten; sobald diese vom Rheine vorrücken,
muß ihnen an der Maas eine Vertheidigungsschlacht (das Wort im allgemein¬
sten Sinn genommen) geliefert werden. Sind die Preuße" zum Rückzug ge¬
zwungen, so verfolgt man sie noch einige Tage und kehrt dann von Neuem
in die Stellung an der Maas zurück, bis ein neuer Angriff erfolgt, um diesen
in derselben Weise abzutreiben. Die Franzosen würden also hier durch Ant¬
werpen in eiuer ganz ähnlichen Weise festgehalten, wie seinerzeit 1796 Bonn-
parte in Italien durch Mnntua, und es böten sich ihnen, falls die Preußen
ähnlich verführen, wie damals die Oestreich". Gelegenheiten zu eben so schönen
Zwischenoperationen. Das eben angezogene Beispiel würde für diesen F"it
auch die Lehre enthalten, daß die Franzosen nicht zu ihrem Vortheil weit über
die Maaslinie hinausgreifen dürsten, bevor Antwerpen in ihren Händen wäre-
Die Zwischenoperativnen könnten aber allerdings das preußische Heer allmälig
so schwächen, daß es nun nach dem Falle Antwerpens auch keines kräftige"
Widerstandes mehr fähig wäre, vielmehr jetzt ein Vordringen der Franzose"-
gleich dem Bonapartes anfangs 1797, keine Schwierigkeiten mehr fände.

Was sollen nun die Preußen unter den gegebenen Umstanden thun, ">"
Erfolge zu erzielen? Ihre Aufgabe ist ihnen im Allgemeinen mit großer Sicher
heit gestellt: sie müssen Antwerpen entsetzen. Dies kann aber auf zweierw
Weise versucht werden: 1) direct; 2) indirect. Der directe Weg wäre, d"ß
die preußische Armee mit Zurücklassung hinreichender Besatzungen in den go"


wollte. Es würden sich demnach die Verhältnisse wohl ähnlich gestalten, wie
1792 und im Winter auf 1793 unter Dumouriez und 1794 unter Jourdan,
nur mit dem Unterschiede, daß diesmal Antwerpen diejenige Rolle spielen
würde, welche in jener Zeit Holland spielte. Mit andern Worten die Fran¬
zosen würden eine Avantgarde gegen die Maas zur Beobachtung der Preußen
vorschieben, etwa auf der Linie von Stavelot an der Ambleve, bis nach Venlo
an der Maas abwärts; sie würden eine andere starke Avantgarde gegen Ant¬
werpen vorschieben und nun um Brüssel, Löwen, Hasselt. d. h. zwischen den
beiden Avantgarden, das Gros oder den Rest ihrer Armee vereinigen. Die
dabei verfolgten Zwecke wären, 1) die Einnahme Antwerpens oder wenigstens
seines verschanzten Lagers, was dann wohl mit einer nicht unbedeutenden
Niederlage der englisch-niederländischen Armee verknüpft sein und die Ein¬
nahme von Antwerpen selbst zur mehr oder minder nahen Folge haben würde!
2) die Einnahme irgend eines Platzes an der Maas, um über diesen Fluß
einen befestigten Uebergang zu erhalten; 3) die Beobachtung der preußische"
Rheinarmee; 4) Concentrirung aller verfügbaren Kräfte, uur unter Zurücklassung
eines Beobachtungscorps vor Antwerpen, um sich den Preußen zu wider¬
setzen, falls diese in den Angriff übergehen sollten. Diesen Zwecken müßten
die Franzosen nachleben, bis Antwerpen gefallen wäre. Gegen die Preußen
müßten sie sich rein abwehrend verhalten; sobald diese vom Rheine vorrücken,
muß ihnen an der Maas eine Vertheidigungsschlacht (das Wort im allgemein¬
sten Sinn genommen) geliefert werden. Sind die Preuße» zum Rückzug ge¬
zwungen, so verfolgt man sie noch einige Tage und kehrt dann von Neuem
in die Stellung an der Maas zurück, bis ein neuer Angriff erfolgt, um diesen
in derselben Weise abzutreiben. Die Franzosen würden also hier durch Ant¬
werpen in eiuer ganz ähnlichen Weise festgehalten, wie seinerzeit 1796 Bonn-
parte in Italien durch Mnntua, und es böten sich ihnen, falls die Preußen
ähnlich verführen, wie damals die Oestreich«. Gelegenheiten zu eben so schönen
Zwischenoperationen. Das eben angezogene Beispiel würde für diesen F"it
auch die Lehre enthalten, daß die Franzosen nicht zu ihrem Vortheil weit über
die Maaslinie hinausgreifen dürsten, bevor Antwerpen in ihren Händen wäre-
Die Zwischenoperativnen könnten aber allerdings das preußische Heer allmälig
so schwächen, daß es nun nach dem Falle Antwerpens auch keines kräftige"
Widerstandes mehr fähig wäre, vielmehr jetzt ein Vordringen der Franzose"-
gleich dem Bonapartes anfangs 1797, keine Schwierigkeiten mehr fände.

Was sollen nun die Preußen unter den gegebenen Umstanden thun, ">"
Erfolge zu erzielen? Ihre Aufgabe ist ihnen im Allgemeinen mit großer Sicher
heit gestellt: sie müssen Antwerpen entsetzen. Dies kann aber auf zweierw
Weise versucht werden: 1) direct; 2) indirect. Der directe Weg wäre, d"ß
die preußische Armee mit Zurücklassung hinreichender Besatzungen in den go"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/424>, abgerufen am 26.06.2024.