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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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lag einer Brücke zwischen den beiden Stadttheilen nicht zulassen, so hat der
Verkehr zwischen denselben Schwierigkeiten, auf deren Hebung man bedacht
war, ohne bis jetzt ein Auskunftsmittel zu finden. Brest selbst zerfällt in¬
folge seiner Lage am Fuß und am Abhang einer steilen Hohe in eine Ober-
und eine Unterstadt. Mehre der von oben nach unten laufenden Straßen sind so ab¬
schüssig, daß sie nur zu Fuß passirt werden können, und die Dächer mancher fünf
Stock hohen Häuser befinden sich auf gleicher Höhe mit den Gärten ihrer höher
wohnenden Nachbarn. Ein tiefer, aber schmaler Grund, gebildet von der
Mündung des Penseld, zieht sich vom Hafen herauf um den Hügelrücken,
auf dem die Stadt steht und bildet das Becken des innern Hafens. Auf der
Südseite der Mündung dieses Grundes erhebt sich auf einem sanft abfallenden
Felsen das alte Schloß oder Castell von Brest. Es ist von fünf gewaltigen
Thürmen stark'ire. welche durch Curtincn verbunden sind, die über hundert
Fuß Höhe haben. Diese Werke sind mit einer beträchtlichen Anzahl sehr
schwerer Kanonen armirt, aber die obere Reihe hat zu viel Elevation, um von
großem Nutzen zu sein. Das Castell ist alt, aber bedeutende Theile wurden um das
Jahr 1690 von Vauban hinzugefügt. Der Grund ist oberhalb des Castells
auf beiden Seiten mit einer Mauer eingefaßt, welche die Stadt von dem Ar¬
senal, dem Hafenbecken und den Werften trennt. Aus dem Nordufer des
Flusses, in einiger Entfernung Don dessen Mündung, befinden sich vier große
Werftschlippen, von denen zwei offen, zwei bedeckt sind. Weiter oben, aus
dem andern Ufer trifft man acht Kalfaterdocks, die gelegentlich auch zum
Bauen von Schissen benutzt werden. An diese stoßen, vom Quai durch einen
offnen, mit Ankern aller Größen bedeckten Raum getrennt, die Gießerei, eine
Scgelfabrik, Seilerwerkstätten u. a. in bedeckten Gebäuden von 1200 Fuß
Länge. Hieran endlich reiht sich ein anderer offner Platz, auf denen Hun¬
derte und aber Hunderte von Schiffskanonen zu sofortigen Gebrauch bereit
liegen. Außer den Gebäuden und Werkstätten, die man gewöhnlich in einem Platz
von diesem Charakter antrifft, findet sich hier noch eine große und sehr wohl¬
eingerichtete Kaserne für Seeleute, die sich in allen Beziehungen vortheilhaft
von den elenden, ungesunden Schiffsrümpfen unterscheidet, in denen England
seine nicht unmittelbar im Dienst an Bord nöthigen Matrosen unterbringt.
Mehre Tausend Verbrecher waren bisher beschäftigt, die schmutzigsten und
beschwerlichsten Arbeiten der Wersten von Brest zu thun, indeß ist das Sy¬
stem, nach dem man diese Leute benutzte, jetzt aufgegeben, und bald werden
sich keine Galeerensträflinge mehr hier befinden.

Der Kriegshafen von Brest mit seinen Wersten umfaßt ein Areal von 131 eng¬
lischen Ackern. Die Zahl besoldeter Arbeiter, welche regelmäßig hier beschäftigt sind,
beläuft sich auf mehr als 5000, und man zahlt ihnen durchschnittlich einen Lohn
von jährlich 3,750,000 Franken. Jedes Jahr könnte man in diesem Hasen drei


lag einer Brücke zwischen den beiden Stadttheilen nicht zulassen, so hat der
Verkehr zwischen denselben Schwierigkeiten, auf deren Hebung man bedacht
war, ohne bis jetzt ein Auskunftsmittel zu finden. Brest selbst zerfällt in¬
folge seiner Lage am Fuß und am Abhang einer steilen Hohe in eine Ober-
und eine Unterstadt. Mehre der von oben nach unten laufenden Straßen sind so ab¬
schüssig, daß sie nur zu Fuß passirt werden können, und die Dächer mancher fünf
Stock hohen Häuser befinden sich auf gleicher Höhe mit den Gärten ihrer höher
wohnenden Nachbarn. Ein tiefer, aber schmaler Grund, gebildet von der
Mündung des Penseld, zieht sich vom Hafen herauf um den Hügelrücken,
auf dem die Stadt steht und bildet das Becken des innern Hafens. Auf der
Südseite der Mündung dieses Grundes erhebt sich auf einem sanft abfallenden
Felsen das alte Schloß oder Castell von Brest. Es ist von fünf gewaltigen
Thürmen stark'ire. welche durch Curtincn verbunden sind, die über hundert
Fuß Höhe haben. Diese Werke sind mit einer beträchtlichen Anzahl sehr
schwerer Kanonen armirt, aber die obere Reihe hat zu viel Elevation, um von
großem Nutzen zu sein. Das Castell ist alt, aber bedeutende Theile wurden um das
Jahr 1690 von Vauban hinzugefügt. Der Grund ist oberhalb des Castells
auf beiden Seiten mit einer Mauer eingefaßt, welche die Stadt von dem Ar¬
senal, dem Hafenbecken und den Werften trennt. Aus dem Nordufer des
Flusses, in einiger Entfernung Don dessen Mündung, befinden sich vier große
Werftschlippen, von denen zwei offen, zwei bedeckt sind. Weiter oben, aus
dem andern Ufer trifft man acht Kalfaterdocks, die gelegentlich auch zum
Bauen von Schissen benutzt werden. An diese stoßen, vom Quai durch einen
offnen, mit Ankern aller Größen bedeckten Raum getrennt, die Gießerei, eine
Scgelfabrik, Seilerwerkstätten u. a. in bedeckten Gebäuden von 1200 Fuß
Länge. Hieran endlich reiht sich ein anderer offner Platz, auf denen Hun¬
derte und aber Hunderte von Schiffskanonen zu sofortigen Gebrauch bereit
liegen. Außer den Gebäuden und Werkstätten, die man gewöhnlich in einem Platz
von diesem Charakter antrifft, findet sich hier noch eine große und sehr wohl¬
eingerichtete Kaserne für Seeleute, die sich in allen Beziehungen vortheilhaft
von den elenden, ungesunden Schiffsrümpfen unterscheidet, in denen England
seine nicht unmittelbar im Dienst an Bord nöthigen Matrosen unterbringt.
Mehre Tausend Verbrecher waren bisher beschäftigt, die schmutzigsten und
beschwerlichsten Arbeiten der Wersten von Brest zu thun, indeß ist das Sy¬
stem, nach dem man diese Leute benutzte, jetzt aufgegeben, und bald werden
sich keine Galeerensträflinge mehr hier befinden.

Der Kriegshafen von Brest mit seinen Wersten umfaßt ein Areal von 131 eng¬
lischen Ackern. Die Zahl besoldeter Arbeiter, welche regelmäßig hier beschäftigt sind,
beläuft sich auf mehr als 5000, und man zahlt ihnen durchschnittlich einen Lohn
von jährlich 3,750,000 Franken. Jedes Jahr könnte man in diesem Hasen drei


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[0042] lag einer Brücke zwischen den beiden Stadttheilen nicht zulassen, so hat der Verkehr zwischen denselben Schwierigkeiten, auf deren Hebung man bedacht war, ohne bis jetzt ein Auskunftsmittel zu finden. Brest selbst zerfällt in¬ folge seiner Lage am Fuß und am Abhang einer steilen Hohe in eine Ober- und eine Unterstadt. Mehre der von oben nach unten laufenden Straßen sind so ab¬ schüssig, daß sie nur zu Fuß passirt werden können, und die Dächer mancher fünf Stock hohen Häuser befinden sich auf gleicher Höhe mit den Gärten ihrer höher wohnenden Nachbarn. Ein tiefer, aber schmaler Grund, gebildet von der Mündung des Penseld, zieht sich vom Hafen herauf um den Hügelrücken, auf dem die Stadt steht und bildet das Becken des innern Hafens. Auf der Südseite der Mündung dieses Grundes erhebt sich auf einem sanft abfallenden Felsen das alte Schloß oder Castell von Brest. Es ist von fünf gewaltigen Thürmen stark'ire. welche durch Curtincn verbunden sind, die über hundert Fuß Höhe haben. Diese Werke sind mit einer beträchtlichen Anzahl sehr schwerer Kanonen armirt, aber die obere Reihe hat zu viel Elevation, um von großem Nutzen zu sein. Das Castell ist alt, aber bedeutende Theile wurden um das Jahr 1690 von Vauban hinzugefügt. Der Grund ist oberhalb des Castells auf beiden Seiten mit einer Mauer eingefaßt, welche die Stadt von dem Ar¬ senal, dem Hafenbecken und den Werften trennt. Aus dem Nordufer des Flusses, in einiger Entfernung Don dessen Mündung, befinden sich vier große Werftschlippen, von denen zwei offen, zwei bedeckt sind. Weiter oben, aus dem andern Ufer trifft man acht Kalfaterdocks, die gelegentlich auch zum Bauen von Schissen benutzt werden. An diese stoßen, vom Quai durch einen offnen, mit Ankern aller Größen bedeckten Raum getrennt, die Gießerei, eine Scgelfabrik, Seilerwerkstätten u. a. in bedeckten Gebäuden von 1200 Fuß Länge. Hieran endlich reiht sich ein anderer offner Platz, auf denen Hun¬ derte und aber Hunderte von Schiffskanonen zu sofortigen Gebrauch bereit liegen. Außer den Gebäuden und Werkstätten, die man gewöhnlich in einem Platz von diesem Charakter antrifft, findet sich hier noch eine große und sehr wohl¬ eingerichtete Kaserne für Seeleute, die sich in allen Beziehungen vortheilhaft von den elenden, ungesunden Schiffsrümpfen unterscheidet, in denen England seine nicht unmittelbar im Dienst an Bord nöthigen Matrosen unterbringt. Mehre Tausend Verbrecher waren bisher beschäftigt, die schmutzigsten und beschwerlichsten Arbeiten der Wersten von Brest zu thun, indeß ist das Sy¬ stem, nach dem man diese Leute benutzte, jetzt aufgegeben, und bald werden sich keine Galeerensträflinge mehr hier befinden. Der Kriegshafen von Brest mit seinen Wersten umfaßt ein Areal von 131 eng¬ lischen Ackern. Die Zahl besoldeter Arbeiter, welche regelmäßig hier beschäftigt sind, beläuft sich auf mehr als 5000, und man zahlt ihnen durchschnittlich einen Lohn von jährlich 3,750,000 Franken. Jedes Jahr könnte man in diesem Hasen drei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/42>, abgerufen am 26.06.2024.