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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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höchster Bedeutung, Dieses Ergebniß besteht in einem Hafen, in welchem ein
Heer von 100.000 Mann mit allen Bedürfnissen an Heergeräth. Munition.
Lebensmitteln. Pferden binnen wenigen Stunden eingeschifft werden kann.
"Wer eine derartige Operation noch nicht gesehen hat. sagt Buhl. vermag
sich kaum eine Vorstellung zu machen von der Raschheit. mit welcher franzö¬
sische Truppen an Bord geschafft und wenn sie dort sind, sammt allem Zube¬
hör in den verschiedenen Mumm untergebracht werden. 2000 Mann wer¬
den auf ein Linienschiff gerechnet, und da die großen Docks 40 Fahrzeuge
der Art fassen können, so könnte man mit dieser Anzahl in jedem Augenblick
80.000 Mann an Bord marschiren lassen, ohne daß man dazu Boote bedürfte."
und sobald sie den innern Hafen verlassen hätten, könnte eine ebenso starke
Macht auf Schiffen, die inzwischen auf der Rhede gewartet hatten, untergebracht
werden. "Dies ist, sagt unsre Quelle, eine große Thatsache, die werth
ist. daß man sich ihrer stets erinnert." Dieselbe wird aber noch bedeutsamer
bei folgender Betrachtung.

Frankreich richtet seine Aufmerksamkeit nicht blos auf Cherbourg. sondern
es ist mit gleichem Ernst darauf bedacht, auch seine übrigen nördlichen Häfen
zu verbessern und deren Vertheidigungswerke zu verstärken. Ob dies im Hin¬
blick auf einen Angriff auf England oder in Befürchtung der Möglichkeit eines
Angriffs von England her geschieht, muß dahingestellt bleiben. Auf keinen
Fall bedeutet es den Frieden und herzliches EinVerständniß zwischen den
Mächten am Kanal. Man kann kaum annehmen, daß ein Staat, dessen Fi¬
nanzen sich eben nicht im blühenden Zustand befinden. Millionen auf Millio¬
nen ausgeben sollte, um Mittel der Zerstörung zu schaffen, wenn er nicht
eine Zeit und einen Ort im Auge hätte, wo er sie zu benutzen gedächte. Eins
ist sicher, daß über kurz oder lang wieder Krieg von Frankreich ausgehen
wird; denn selbst wenn der Wunsch darnach in Paris nicht vorhanden wäre
(der letzte brachte doch nur mäßige Lorbeeren), so hat keine Regierung es in
ihrer Gewalt, eine so mächtige Flotte und ein so starkes Heer wie Frankreich
zu halten, ohne sie zu verwenden. Sie sind, namentlich in Frankreich, gleich
dem Schwert der Sage, das Blut haben mußte.

Der wichtigste nördliche Kriegshafen Frankreichs nach Cherbourg ist unzweifel¬
haft Brest. Es liegt an einem der prächtigsten Naturhäfen der Welt, der nur
durch einen schmalen und wohlbefestigten Kanal von der See her zugänglich
ist. Die Bevölkerung der Umgebung ist eine wesentlich maritime, und auch
nach andern Seiten hin besitzt Brest alle Eigenschaften eines Kriegshafens er¬
sten Ranges. Die Stadt besteht aus zwei verschiedenen Quartieren, von denen
das eine, auf dem rechten Ufer des Flusses Parseit gelegen. Recouvrance
heißt, während das andere, welches auf der linken Seite liegt, den Namen
Brest im engern Sinn führt. Da die Bedürfnisse der Sckiffscchrt die Erbau-


höchster Bedeutung, Dieses Ergebniß besteht in einem Hafen, in welchem ein
Heer von 100.000 Mann mit allen Bedürfnissen an Heergeräth. Munition.
Lebensmitteln. Pferden binnen wenigen Stunden eingeschifft werden kann.
„Wer eine derartige Operation noch nicht gesehen hat. sagt Buhl. vermag
sich kaum eine Vorstellung zu machen von der Raschheit. mit welcher franzö¬
sische Truppen an Bord geschafft und wenn sie dort sind, sammt allem Zube¬
hör in den verschiedenen Mumm untergebracht werden. 2000 Mann wer¬
den auf ein Linienschiff gerechnet, und da die großen Docks 40 Fahrzeuge
der Art fassen können, so könnte man mit dieser Anzahl in jedem Augenblick
80.000 Mann an Bord marschiren lassen, ohne daß man dazu Boote bedürfte."
und sobald sie den innern Hafen verlassen hätten, könnte eine ebenso starke
Macht auf Schiffen, die inzwischen auf der Rhede gewartet hatten, untergebracht
werden. „Dies ist, sagt unsre Quelle, eine große Thatsache, die werth
ist. daß man sich ihrer stets erinnert." Dieselbe wird aber noch bedeutsamer
bei folgender Betrachtung.

Frankreich richtet seine Aufmerksamkeit nicht blos auf Cherbourg. sondern
es ist mit gleichem Ernst darauf bedacht, auch seine übrigen nördlichen Häfen
zu verbessern und deren Vertheidigungswerke zu verstärken. Ob dies im Hin¬
blick auf einen Angriff auf England oder in Befürchtung der Möglichkeit eines
Angriffs von England her geschieht, muß dahingestellt bleiben. Auf keinen
Fall bedeutet es den Frieden und herzliches EinVerständniß zwischen den
Mächten am Kanal. Man kann kaum annehmen, daß ein Staat, dessen Fi¬
nanzen sich eben nicht im blühenden Zustand befinden. Millionen auf Millio¬
nen ausgeben sollte, um Mittel der Zerstörung zu schaffen, wenn er nicht
eine Zeit und einen Ort im Auge hätte, wo er sie zu benutzen gedächte. Eins
ist sicher, daß über kurz oder lang wieder Krieg von Frankreich ausgehen
wird; denn selbst wenn der Wunsch darnach in Paris nicht vorhanden wäre
(der letzte brachte doch nur mäßige Lorbeeren), so hat keine Regierung es in
ihrer Gewalt, eine so mächtige Flotte und ein so starkes Heer wie Frankreich
zu halten, ohne sie zu verwenden. Sie sind, namentlich in Frankreich, gleich
dem Schwert der Sage, das Blut haben mußte.

Der wichtigste nördliche Kriegshafen Frankreichs nach Cherbourg ist unzweifel¬
haft Brest. Es liegt an einem der prächtigsten Naturhäfen der Welt, der nur
durch einen schmalen und wohlbefestigten Kanal von der See her zugänglich
ist. Die Bevölkerung der Umgebung ist eine wesentlich maritime, und auch
nach andern Seiten hin besitzt Brest alle Eigenschaften eines Kriegshafens er¬
sten Ranges. Die Stadt besteht aus zwei verschiedenen Quartieren, von denen
das eine, auf dem rechten Ufer des Flusses Parseit gelegen. Recouvrance
heißt, während das andere, welches auf der linken Seite liegt, den Namen
Brest im engern Sinn führt. Da die Bedürfnisse der Sckiffscchrt die Erbau-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/41>, abgerufen am 29.06.2024.