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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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schaftliche Mahlzeiten zu Ehren eines Gottes feierte, theils überhaupt Leute,
welche auf öffentliche Kosten gespeist wurden. Freilich lag es nun nahe, die¬
sen Namen dem ganzen Gewerbe der ungebetenen und doch überall sich ein¬
drängenden Tischgenossen zu ertheilen, die später handwerksmäßig für Befrie¬
digung ihrer Hungerleiderei und Lüsternheit die Lachnerven der reichen Leute
kitzelten. Xenophon hat in seinem "Gastmahle" das Gebühren eines solchen
Lustigmachers in folgenden Zügen geschildert. Als die Gäste im Hause des
wichen Kallias schon beim Mahle saßen, hörte man stark an die Hausthüre
klopfen, und bald meldete der Thürhüter, Philippus der Lustigmacher sei
draußen und sage, er komme ausgestattet mit Allem, was dazu gehöre, um
an einem fremden Mahle theilnehmen zu können, und sein Diener sei ganz
müde, weil er nichts zu tragen habe und noch ohne Frühstück sei. Kaum
hatte nun der Hausherr die Erlaubniß gegeben, so stand der Angemeldete
auch bereits an,f der Schwelle und führte sich mit den Worten ein: "Ich bin,
wie ihr wißt, der Spaßmacher Philippus und erscheine gerne, weil ich glaube,
daß es lustiger ist, uneingeladen zu Tische zu kommen, als eingeladen."
Nachdem er nun den ihm zukommenden untersten Platz eingenommen hatte,
versuchte er es, wiewol vergeblich, durch seine Witze die Gesellschaft zum Lachen
ZU bringen, hörte endlich auf zu essen und verhüllte sich seufzend und stöhnend
das Haupt. Ueber den Grund seiner Verzweiflung befragt, sagte er mit wei¬
nerlicher Stimme: durch das Schwinden des Gelächters aus dem Leben sei
seine Existenz im höchsten Grade gefährdet; denn Niemand werde ihn nun
Mehr zu sich einladen. Lachend trösteten ihn hierauf die Anwesenden und
schließlich ließ er sich bereden, seinem Appetit weiter Genüge zu leisten.' Hier
^'scheint also der Parasit in der Gesellschaft eines Sokrates und Antisthenes
wehr als geduldete, denn als nothwendige Beigabe des Mahles, und man
sieht es ihm an, daß ihm nicht recht behaglich zu Muthe ist. An andern
Orten fand er.freilich einen besseren Spielraum. In den "Gefangenen" des
Plautus sagt der Schmarotzer Ergasilus: "Wir ernähren uns beständig,
wie die. Mäuse, von fremder Kost. Wenn sich freilich die Leute Feiertage
Wachen und aufs Land begeben, so haben auch unsere Zähne Feiertage.
Alsdann gleichen wir den Windspielen; nach und nach aber, wenn die Leute
w die Stadt zurückkommen, werden wir wieder zu dicken und verdrießlichen
Bullenbeißern. Es wird auch hier allmälig ganz aus mit uns; wer nicht
Ohrfeigen leiden und sich Schüsseln auf dem Kopfe zerschlagen lassen kann,
der mag nur den Sack nehmen und vor's Thor betteln gehen!" Und der be¬
rühmte griechische Komiker Antiphanes läßt Einen dieses Schlages von
s^es rühmen: "Meinen Charakter kennst du; Stolz wohnt nicht in mir, son¬
dern ich bin sür meine Freunde ein Klotz beim Schlägebekommen, ein Donner¬
keil beim Zuschlagen, ein Sturmwind beim Hinauswerfen, ein Strick beim


schaftliche Mahlzeiten zu Ehren eines Gottes feierte, theils überhaupt Leute,
welche auf öffentliche Kosten gespeist wurden. Freilich lag es nun nahe, die¬
sen Namen dem ganzen Gewerbe der ungebetenen und doch überall sich ein¬
drängenden Tischgenossen zu ertheilen, die später handwerksmäßig für Befrie¬
digung ihrer Hungerleiderei und Lüsternheit die Lachnerven der reichen Leute
kitzelten. Xenophon hat in seinem „Gastmahle" das Gebühren eines solchen
Lustigmachers in folgenden Zügen geschildert. Als die Gäste im Hause des
wichen Kallias schon beim Mahle saßen, hörte man stark an die Hausthüre
klopfen, und bald meldete der Thürhüter, Philippus der Lustigmacher sei
draußen und sage, er komme ausgestattet mit Allem, was dazu gehöre, um
an einem fremden Mahle theilnehmen zu können, und sein Diener sei ganz
müde, weil er nichts zu tragen habe und noch ohne Frühstück sei. Kaum
hatte nun der Hausherr die Erlaubniß gegeben, so stand der Angemeldete
auch bereits an,f der Schwelle und führte sich mit den Worten ein: „Ich bin,
wie ihr wißt, der Spaßmacher Philippus und erscheine gerne, weil ich glaube,
daß es lustiger ist, uneingeladen zu Tische zu kommen, als eingeladen."
Nachdem er nun den ihm zukommenden untersten Platz eingenommen hatte,
versuchte er es, wiewol vergeblich, durch seine Witze die Gesellschaft zum Lachen
ZU bringen, hörte endlich auf zu essen und verhüllte sich seufzend und stöhnend
das Haupt. Ueber den Grund seiner Verzweiflung befragt, sagte er mit wei¬
nerlicher Stimme: durch das Schwinden des Gelächters aus dem Leben sei
seine Existenz im höchsten Grade gefährdet; denn Niemand werde ihn nun
Mehr zu sich einladen. Lachend trösteten ihn hierauf die Anwesenden und
schließlich ließ er sich bereden, seinem Appetit weiter Genüge zu leisten.' Hier
^'scheint also der Parasit in der Gesellschaft eines Sokrates und Antisthenes
wehr als geduldete, denn als nothwendige Beigabe des Mahles, und man
sieht es ihm an, daß ihm nicht recht behaglich zu Muthe ist. An andern
Orten fand er.freilich einen besseren Spielraum. In den „Gefangenen" des
Plautus sagt der Schmarotzer Ergasilus: „Wir ernähren uns beständig,
wie die. Mäuse, von fremder Kost. Wenn sich freilich die Leute Feiertage
Wachen und aufs Land begeben, so haben auch unsere Zähne Feiertage.
Alsdann gleichen wir den Windspielen; nach und nach aber, wenn die Leute
w die Stadt zurückkommen, werden wir wieder zu dicken und verdrießlichen
Bullenbeißern. Es wird auch hier allmälig ganz aus mit uns; wer nicht
Ohrfeigen leiden und sich Schüsseln auf dem Kopfe zerschlagen lassen kann,
der mag nur den Sack nehmen und vor's Thor betteln gehen!" Und der be¬
rühmte griechische Komiker Antiphanes läßt Einen dieses Schlages von
s^es rühmen: „Meinen Charakter kennst du; Stolz wohnt nicht in mir, son¬
dern ich bin sür meine Freunde ein Klotz beim Schlägebekommen, ein Donner¬
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[0403] schaftliche Mahlzeiten zu Ehren eines Gottes feierte, theils überhaupt Leute, welche auf öffentliche Kosten gespeist wurden. Freilich lag es nun nahe, die¬ sen Namen dem ganzen Gewerbe der ungebetenen und doch überall sich ein¬ drängenden Tischgenossen zu ertheilen, die später handwerksmäßig für Befrie¬ digung ihrer Hungerleiderei und Lüsternheit die Lachnerven der reichen Leute kitzelten. Xenophon hat in seinem „Gastmahle" das Gebühren eines solchen Lustigmachers in folgenden Zügen geschildert. Als die Gäste im Hause des wichen Kallias schon beim Mahle saßen, hörte man stark an die Hausthüre klopfen, und bald meldete der Thürhüter, Philippus der Lustigmacher sei draußen und sage, er komme ausgestattet mit Allem, was dazu gehöre, um an einem fremden Mahle theilnehmen zu können, und sein Diener sei ganz müde, weil er nichts zu tragen habe und noch ohne Frühstück sei. Kaum hatte nun der Hausherr die Erlaubniß gegeben, so stand der Angemeldete auch bereits an,f der Schwelle und führte sich mit den Worten ein: „Ich bin, wie ihr wißt, der Spaßmacher Philippus und erscheine gerne, weil ich glaube, daß es lustiger ist, uneingeladen zu Tische zu kommen, als eingeladen." Nachdem er nun den ihm zukommenden untersten Platz eingenommen hatte, versuchte er es, wiewol vergeblich, durch seine Witze die Gesellschaft zum Lachen ZU bringen, hörte endlich auf zu essen und verhüllte sich seufzend und stöhnend das Haupt. Ueber den Grund seiner Verzweiflung befragt, sagte er mit wei¬ nerlicher Stimme: durch das Schwinden des Gelächters aus dem Leben sei seine Existenz im höchsten Grade gefährdet; denn Niemand werde ihn nun Mehr zu sich einladen. Lachend trösteten ihn hierauf die Anwesenden und schließlich ließ er sich bereden, seinem Appetit weiter Genüge zu leisten.' Hier ^'scheint also der Parasit in der Gesellschaft eines Sokrates und Antisthenes wehr als geduldete, denn als nothwendige Beigabe des Mahles, und man sieht es ihm an, daß ihm nicht recht behaglich zu Muthe ist. An andern Orten fand er.freilich einen besseren Spielraum. In den „Gefangenen" des Plautus sagt der Schmarotzer Ergasilus: „Wir ernähren uns beständig, wie die. Mäuse, von fremder Kost. Wenn sich freilich die Leute Feiertage Wachen und aufs Land begeben, so haben auch unsere Zähne Feiertage. Alsdann gleichen wir den Windspielen; nach und nach aber, wenn die Leute w die Stadt zurückkommen, werden wir wieder zu dicken und verdrießlichen Bullenbeißern. Es wird auch hier allmälig ganz aus mit uns; wer nicht Ohrfeigen leiden und sich Schüsseln auf dem Kopfe zerschlagen lassen kann, der mag nur den Sack nehmen und vor's Thor betteln gehen!" Und der be¬ rühmte griechische Komiker Antiphanes läßt Einen dieses Schlages von s^es rühmen: „Meinen Charakter kennst du; Stolz wohnt nicht in mir, son¬ dern ich bin sür meine Freunde ein Klotz beim Schlägebekommen, ein Donner¬ keil beim Zuschlagen, ein Sturmwind beim Hinauswerfen, ein Strick beim

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/403>, abgerufen am 26.06.2024.