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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Fürstbischof von Treue (derselbe, der jüngst das in diesen Blättern abgedruckte
R-hupe über gemischte Ehen erließ) erhob sich nachdrücklichst gegen jede Geld¬
ablösung, "dn das Einkommen des Seelsorgers nach kirchlichen Gesetzen auf
der Scholle gegründet.sein müsse." und der oben erwähnte Joseph v. Gio-
vanelli belehrte die Geistlichen, daß der benannte Zehent, auch wenn er nicht
Wachse, vom Zehenlholden herbeigeschafft werden müsse. Man ging der Frage
vorerst dadurch aus dem Wege, daß man aus Antrag des Letzteren dem Fis-
cus Bericht über alle Gewohnheiten und Uebungen in Zehmtsachen vom gan¬
zen Lande Tirol abheischte. Zwei Jahre später erklärte der Generalreferent
dem ständischen Ausschuß, er könne deshalb in dieser Angelegenheit keinen
Vortrag erstatten, weil die Akten in Verstoß gerathen. Im Jahre 1846 end-
Uch beschloß man. daß rücksichtlich der Ablösung kein direkter Zwang ange¬
wandt werden dürfe. Am selben Grundsatz hielt damals die Regierung fest.

Es gab Leute unter den ständischen Vertretern, die eine Eisenbahn durch
Tirol für "Poesie" erklärten. Fremde, Touristen. Protestanten waren ja immer
schief angesehene Gäste, und der Gouverneucr Graf Brandis konnte es bei
der Eröffnung de,s Landtags vom Jahr 1847 nicht genugsam bedauern, "daß
Tirol nun so oft der Gegenstand öffentlicher Besprechung in Flugschriften und
Tngesblättern geworden, in denen die Regierung mancher Vernachlässigung
der Landesinteresscn schnöde beschuldigt, und die Beschlüsse der Stunde, viel¬
leicht ohne sie zu kennen, vielleicht absichtlich, verdreht, und die Gesinnung des
Landes verhöhnt werde." Die deutschen Publicisten, die den jungfräuli¬
chen Boden Tirols zu betreten wagten, schalt er "Dämonen des Neides und
der Zwietracht, von der Hölle ausgesandt, um alle Ordnung zu verrücken und
das Glück der Völker zu zerstören." Man berieth in dieser gottesfürchtigen
Versammlung alles Ernstes, ob dem Gelübde wegen der Befreiung des Landes
von der feindlichen "Invasion" im Jahre 1703 bloß mit einer Prozession
u> Innsbruck genügt, oder überdies auch noch ein Fasttag im ganzen
Lande gehalten werden solle. Nach langer Debatte und Nachschlagnng der
Elender von 1770, 1790 und 1800, in denen der 1. December nicht
"is gebotener Fasttag bezeichnet war, entschied man sich endlich auf An¬
fachen des brixcner Consistoriums beim nächsten Landtag für einen frei¬
willigen. Der "stillen Frage", die sich manches Congreßmitglied stellen mochte.
°b die Stände nur materielle Interessen zu fördern berufen seien, begegnete
^of Brandis durch die Verweisung auf die Leistungen der durch ihr Bemühen
eingesehen Jesuiten. "Die Zeit ist zwar noch zu kurz", tröstete er im Jahre
^44, um Früchte des kaum gesetzten Baumes erwarten zu können, allein was
^'r von diesen ehrwürdigen Vätern sehen, ihr frommer Wandel, ihr freundliches
Nehmen gegen die Jugend und ihr Eifer. Religiosität und wissenschaftliches
streben in derselben anzuregncn. läßt uns hoffen, daß sie ihre Bestimmung und-


Fürstbischof von Treue (derselbe, der jüngst das in diesen Blättern abgedruckte
R-hupe über gemischte Ehen erließ) erhob sich nachdrücklichst gegen jede Geld¬
ablösung, „dn das Einkommen des Seelsorgers nach kirchlichen Gesetzen auf
der Scholle gegründet.sein müsse." und der oben erwähnte Joseph v. Gio-
vanelli belehrte die Geistlichen, daß der benannte Zehent, auch wenn er nicht
Wachse, vom Zehenlholden herbeigeschafft werden müsse. Man ging der Frage
vorerst dadurch aus dem Wege, daß man aus Antrag des Letzteren dem Fis-
cus Bericht über alle Gewohnheiten und Uebungen in Zehmtsachen vom gan¬
zen Lande Tirol abheischte. Zwei Jahre später erklärte der Generalreferent
dem ständischen Ausschuß, er könne deshalb in dieser Angelegenheit keinen
Vortrag erstatten, weil die Akten in Verstoß gerathen. Im Jahre 1846 end-
Uch beschloß man. daß rücksichtlich der Ablösung kein direkter Zwang ange¬
wandt werden dürfe. Am selben Grundsatz hielt damals die Regierung fest.

Es gab Leute unter den ständischen Vertretern, die eine Eisenbahn durch
Tirol für „Poesie" erklärten. Fremde, Touristen. Protestanten waren ja immer
schief angesehene Gäste, und der Gouverneucr Graf Brandis konnte es bei
der Eröffnung de,s Landtags vom Jahr 1847 nicht genugsam bedauern, „daß
Tirol nun so oft der Gegenstand öffentlicher Besprechung in Flugschriften und
Tngesblättern geworden, in denen die Regierung mancher Vernachlässigung
der Landesinteresscn schnöde beschuldigt, und die Beschlüsse der Stunde, viel¬
leicht ohne sie zu kennen, vielleicht absichtlich, verdreht, und die Gesinnung des
Landes verhöhnt werde." Die deutschen Publicisten, die den jungfräuli¬
chen Boden Tirols zu betreten wagten, schalt er „Dämonen des Neides und
der Zwietracht, von der Hölle ausgesandt, um alle Ordnung zu verrücken und
das Glück der Völker zu zerstören." Man berieth in dieser gottesfürchtigen
Versammlung alles Ernstes, ob dem Gelübde wegen der Befreiung des Landes
von der feindlichen „Invasion" im Jahre 1703 bloß mit einer Prozession
u> Innsbruck genügt, oder überdies auch noch ein Fasttag im ganzen
Lande gehalten werden solle. Nach langer Debatte und Nachschlagnng der
Elender von 1770, 1790 und 1800, in denen der 1. December nicht
"is gebotener Fasttag bezeichnet war, entschied man sich endlich auf An¬
fachen des brixcner Consistoriums beim nächsten Landtag für einen frei¬
willigen. Der „stillen Frage", die sich manches Congreßmitglied stellen mochte.
°b die Stände nur materielle Interessen zu fördern berufen seien, begegnete
^of Brandis durch die Verweisung auf die Leistungen der durch ihr Bemühen
eingesehen Jesuiten. „Die Zeit ist zwar noch zu kurz", tröstete er im Jahre
^44, um Früchte des kaum gesetzten Baumes erwarten zu können, allein was
^'r von diesen ehrwürdigen Vätern sehen, ihr frommer Wandel, ihr freundliches
Nehmen gegen die Jugend und ihr Eifer. Religiosität und wissenschaftliches
streben in derselben anzuregncn. läßt uns hoffen, daß sie ihre Bestimmung und-


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[0363] Fürstbischof von Treue (derselbe, der jüngst das in diesen Blättern abgedruckte R-hupe über gemischte Ehen erließ) erhob sich nachdrücklichst gegen jede Geld¬ ablösung, „dn das Einkommen des Seelsorgers nach kirchlichen Gesetzen auf der Scholle gegründet.sein müsse." und der oben erwähnte Joseph v. Gio- vanelli belehrte die Geistlichen, daß der benannte Zehent, auch wenn er nicht Wachse, vom Zehenlholden herbeigeschafft werden müsse. Man ging der Frage vorerst dadurch aus dem Wege, daß man aus Antrag des Letzteren dem Fis- cus Bericht über alle Gewohnheiten und Uebungen in Zehmtsachen vom gan¬ zen Lande Tirol abheischte. Zwei Jahre später erklärte der Generalreferent dem ständischen Ausschuß, er könne deshalb in dieser Angelegenheit keinen Vortrag erstatten, weil die Akten in Verstoß gerathen. Im Jahre 1846 end- Uch beschloß man. daß rücksichtlich der Ablösung kein direkter Zwang ange¬ wandt werden dürfe. Am selben Grundsatz hielt damals die Regierung fest. Es gab Leute unter den ständischen Vertretern, die eine Eisenbahn durch Tirol für „Poesie" erklärten. Fremde, Touristen. Protestanten waren ja immer schief angesehene Gäste, und der Gouverneucr Graf Brandis konnte es bei der Eröffnung de,s Landtags vom Jahr 1847 nicht genugsam bedauern, „daß Tirol nun so oft der Gegenstand öffentlicher Besprechung in Flugschriften und Tngesblättern geworden, in denen die Regierung mancher Vernachlässigung der Landesinteresscn schnöde beschuldigt, und die Beschlüsse der Stunde, viel¬ leicht ohne sie zu kennen, vielleicht absichtlich, verdreht, und die Gesinnung des Landes verhöhnt werde." Die deutschen Publicisten, die den jungfräuli¬ chen Boden Tirols zu betreten wagten, schalt er „Dämonen des Neides und der Zwietracht, von der Hölle ausgesandt, um alle Ordnung zu verrücken und das Glück der Völker zu zerstören." Man berieth in dieser gottesfürchtigen Versammlung alles Ernstes, ob dem Gelübde wegen der Befreiung des Landes von der feindlichen „Invasion" im Jahre 1703 bloß mit einer Prozession u> Innsbruck genügt, oder überdies auch noch ein Fasttag im ganzen Lande gehalten werden solle. Nach langer Debatte und Nachschlagnng der Elender von 1770, 1790 und 1800, in denen der 1. December nicht "is gebotener Fasttag bezeichnet war, entschied man sich endlich auf An¬ fachen des brixcner Consistoriums beim nächsten Landtag für einen frei¬ willigen. Der „stillen Frage", die sich manches Congreßmitglied stellen mochte. °b die Stände nur materielle Interessen zu fördern berufen seien, begegnete ^of Brandis durch die Verweisung auf die Leistungen der durch ihr Bemühen eingesehen Jesuiten. „Die Zeit ist zwar noch zu kurz", tröstete er im Jahre ^44, um Früchte des kaum gesetzten Baumes erwarten zu können, allein was ^'r von diesen ehrwürdigen Vätern sehen, ihr frommer Wandel, ihr freundliches Nehmen gegen die Jugend und ihr Eifer. Religiosität und wissenschaftliches streben in derselben anzuregncn. läßt uns hoffen, daß sie ihre Bestimmung und-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/363>, abgerufen am 24.08.2024.