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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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öwßen Mißtrauen der ausländischen Finanzwelt gegen Rußlands materielle
Garantien, sondern mehr in den damaligen politischen Verhältnissen und
Stimmungen zu suchen sein. Erst im Spätjahr 1855. als der Frieden nur
"och eine Frage der Zeit war. gelang der Abschluß dieses Urlebens von
50 Mill. SR. a 5°/o durch Vermittelung des Hauses Stieglitz und Comp. in
Petersburg. Es war das sechste fünfprocentige und wurde in Inscriptionen
auf 500 SR. emittirt; seine Amortisation begann im Jahr 1858 ans einem
Specialfond." "welcher mit dem der andern Anleihen nicht verschmolzen und
jährlich vom Nominalcapital der Anleihe zwei von Hundert löschen wird."
Da diese Anleihe zu einem sehr niedrigen Cours ausgegeben wurde, so be¬
theiligten sich daran vornehmlich die englischen Bankhäuser, obschon dieselbe
nicht in den londoner Courszettel aufgenommen wurde.

In den beiden folgenden Jahren scheinen die Staatsanleihen, deren Con-
trcchirung die Bestände der fundirten Schuld nachweisen, den Fonds der Neichs-
creditanstalten fast ausschließlich entnommen worden zu sein. Gleichzeitig fand
aber auch die außerordentlich vermehrte Ausgabe von Reichscreditbillets in
den früher bezeichneten Progressionen statt. Das Jahr 1856 hatte nun bei
Gelegenheit der Krönung eine Schenkung von Steuer- und Strafgelderresten
gebracht, deren Gesammtbetrag offiziell mit 25 MM. SR. beziffert wurde; dazu
war im Frühjahr 1856 die Revision des Zolltarifs, die Aufhebung der Pa߬
steuer, so wie der Abschluß des Handels- und Schiffahrtsvcrtrages mit Frank¬
reich getreten -- lauter Maßregeln, welche, mindestens vorläufig, die Staats¬
einkünfte verminderten. Wenn auch gleichzeitig die Pächter mehrerer Monopole,
S- B. des Branntweins und Tabaks höhere Pachtsumcn als früher zahlten;
so können doch diese Steigerungen die erwähnten Verminderungen nicht aus¬
reichen. Um so auffälliger mußte es erscheinen, daß in demselben Moment
(20. IM 1857) auch eine Herabsetzung des Zinsfußes der Neichscreditaustalten
decretirt und den Bankgläubigern, welche darauf nicht eingehen mochten, die
Zurückziehung ihrer Einlagen innerhalb gewisser Fristen freigestellt wurde.
Freilich ist dabei nicht gesagt, ob deren Auszahlung in Baarcm oder aber¬
mals in Neichscreditbillets zu geschehen habe. Als Grund der Maßregeln
rvurde indessen angegeben, daß die Capitale von den Kreditanstalten nicht
Verwendet werden könnten, und zugleich wurde auch die Errichtung von Com-
Wunalbanken für örtliche Handels- und Industriezwecke concessionirt, so daß
°s in der That den Anschein gewann, als beabsichtige der Staat das bis-
herige Monopol der Neichscreditanstalten principiell zu beseitigen und die dort
Agenten Capitalien der Gewerbsthätigkeit zukommen zu lassen. Momentan
hatte die Maßregel den moralischen Erfolg, in die schon begonnene Ent-
^Mhung der Neichscreditbillets einen Stillstand zu bringen, beziehcntUch die
Aalutaverhültnisse zu verbessern. Allein diese Wirkung blieb eben blos mo.nen-


Bttnzboten IV. 18S9.

öwßen Mißtrauen der ausländischen Finanzwelt gegen Rußlands materielle
Garantien, sondern mehr in den damaligen politischen Verhältnissen und
Stimmungen zu suchen sein. Erst im Spätjahr 1855. als der Frieden nur
"och eine Frage der Zeit war. gelang der Abschluß dieses Urlebens von
50 Mill. SR. a 5°/o durch Vermittelung des Hauses Stieglitz und Comp. in
Petersburg. Es war das sechste fünfprocentige und wurde in Inscriptionen
auf 500 SR. emittirt; seine Amortisation begann im Jahr 1858 ans einem
Specialfond." „welcher mit dem der andern Anleihen nicht verschmolzen und
jährlich vom Nominalcapital der Anleihe zwei von Hundert löschen wird."
Da diese Anleihe zu einem sehr niedrigen Cours ausgegeben wurde, so be¬
theiligten sich daran vornehmlich die englischen Bankhäuser, obschon dieselbe
nicht in den londoner Courszettel aufgenommen wurde.

In den beiden folgenden Jahren scheinen die Staatsanleihen, deren Con-
trcchirung die Bestände der fundirten Schuld nachweisen, den Fonds der Neichs-
creditanstalten fast ausschließlich entnommen worden zu sein. Gleichzeitig fand
aber auch die außerordentlich vermehrte Ausgabe von Reichscreditbillets in
den früher bezeichneten Progressionen statt. Das Jahr 1856 hatte nun bei
Gelegenheit der Krönung eine Schenkung von Steuer- und Strafgelderresten
gebracht, deren Gesammtbetrag offiziell mit 25 MM. SR. beziffert wurde; dazu
war im Frühjahr 1856 die Revision des Zolltarifs, die Aufhebung der Pa߬
steuer, so wie der Abschluß des Handels- und Schiffahrtsvcrtrages mit Frank¬
reich getreten — lauter Maßregeln, welche, mindestens vorläufig, die Staats¬
einkünfte verminderten. Wenn auch gleichzeitig die Pächter mehrerer Monopole,
S- B. des Branntweins und Tabaks höhere Pachtsumcn als früher zahlten;
so können doch diese Steigerungen die erwähnten Verminderungen nicht aus¬
reichen. Um so auffälliger mußte es erscheinen, daß in demselben Moment
(20. IM 1857) auch eine Herabsetzung des Zinsfußes der Neichscreditaustalten
decretirt und den Bankgläubigern, welche darauf nicht eingehen mochten, die
Zurückziehung ihrer Einlagen innerhalb gewisser Fristen freigestellt wurde.
Freilich ist dabei nicht gesagt, ob deren Auszahlung in Baarcm oder aber¬
mals in Neichscreditbillets zu geschehen habe. Als Grund der Maßregeln
rvurde indessen angegeben, daß die Capitale von den Kreditanstalten nicht
Verwendet werden könnten, und zugleich wurde auch die Errichtung von Com-
Wunalbanken für örtliche Handels- und Industriezwecke concessionirt, so daß
°s in der That den Anschein gewann, als beabsichtige der Staat das bis-
herige Monopol der Neichscreditanstalten principiell zu beseitigen und die dort
Agenten Capitalien der Gewerbsthätigkeit zukommen zu lassen. Momentan
hatte die Maßregel den moralischen Erfolg, in die schon begonnene Ent-
^Mhung der Neichscreditbillets einen Stillstand zu bringen, beziehcntUch die
Aalutaverhültnisse zu verbessern. Allein diese Wirkung blieb eben blos mo.nen-


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[0341] öwßen Mißtrauen der ausländischen Finanzwelt gegen Rußlands materielle Garantien, sondern mehr in den damaligen politischen Verhältnissen und Stimmungen zu suchen sein. Erst im Spätjahr 1855. als der Frieden nur "och eine Frage der Zeit war. gelang der Abschluß dieses Urlebens von 50 Mill. SR. a 5°/o durch Vermittelung des Hauses Stieglitz und Comp. in Petersburg. Es war das sechste fünfprocentige und wurde in Inscriptionen auf 500 SR. emittirt; seine Amortisation begann im Jahr 1858 ans einem Specialfond." „welcher mit dem der andern Anleihen nicht verschmolzen und jährlich vom Nominalcapital der Anleihe zwei von Hundert löschen wird." Da diese Anleihe zu einem sehr niedrigen Cours ausgegeben wurde, so be¬ theiligten sich daran vornehmlich die englischen Bankhäuser, obschon dieselbe nicht in den londoner Courszettel aufgenommen wurde. In den beiden folgenden Jahren scheinen die Staatsanleihen, deren Con- trcchirung die Bestände der fundirten Schuld nachweisen, den Fonds der Neichs- creditanstalten fast ausschließlich entnommen worden zu sein. Gleichzeitig fand aber auch die außerordentlich vermehrte Ausgabe von Reichscreditbillets in den früher bezeichneten Progressionen statt. Das Jahr 1856 hatte nun bei Gelegenheit der Krönung eine Schenkung von Steuer- und Strafgelderresten gebracht, deren Gesammtbetrag offiziell mit 25 MM. SR. beziffert wurde; dazu war im Frühjahr 1856 die Revision des Zolltarifs, die Aufhebung der Pa߬ steuer, so wie der Abschluß des Handels- und Schiffahrtsvcrtrages mit Frank¬ reich getreten — lauter Maßregeln, welche, mindestens vorläufig, die Staats¬ einkünfte verminderten. Wenn auch gleichzeitig die Pächter mehrerer Monopole, S- B. des Branntweins und Tabaks höhere Pachtsumcn als früher zahlten; so können doch diese Steigerungen die erwähnten Verminderungen nicht aus¬ reichen. Um so auffälliger mußte es erscheinen, daß in demselben Moment (20. IM 1857) auch eine Herabsetzung des Zinsfußes der Neichscreditaustalten decretirt und den Bankgläubigern, welche darauf nicht eingehen mochten, die Zurückziehung ihrer Einlagen innerhalb gewisser Fristen freigestellt wurde. Freilich ist dabei nicht gesagt, ob deren Auszahlung in Baarcm oder aber¬ mals in Neichscreditbillets zu geschehen habe. Als Grund der Maßregeln rvurde indessen angegeben, daß die Capitale von den Kreditanstalten nicht Verwendet werden könnten, und zugleich wurde auch die Errichtung von Com- Wunalbanken für örtliche Handels- und Industriezwecke concessionirt, so daß °s in der That den Anschein gewann, als beabsichtige der Staat das bis- herige Monopol der Neichscreditanstalten principiell zu beseitigen und die dort Agenten Capitalien der Gewerbsthätigkeit zukommen zu lassen. Momentan hatte die Maßregel den moralischen Erfolg, in die schon begonnene Ent- ^Mhung der Neichscreditbillets einen Stillstand zu bringen, beziehcntUch die Aalutaverhültnisse zu verbessern. Allein diese Wirkung blieb eben blos mo.nen- Bttnzboten IV. 18S9.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/341>, abgerufen am 28.09.2024.