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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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mit Klarheit aufgefaßt worden, wie es täglich die Erfahrung zeigt. In
der Wissenschaft hat ihm unseres Wissens zuerst Iomini Rechnung getragen
durch die Unterscheidung von definitiven und beiläufigen (accidentiellen) Ope¬
rationslinien und strategischen Manövrirlinien. Man kaun unmöglich
den Plan zu einer Handlung entwerfen, ohne sich eine Vorstellung von den
Kräften zu machen, mit welchen man es dabei zu'thun hat. Wir wollen
daher damit anfangen, uns für das niederrheinische Kriegstheater einen Kräfte'
Überschlag zu machen. Gemäß unseren früheren Annahmen haben wir es hier
mit den beiden Hauptmächten Frankreich und Preußen zu thun, und stellen daher
Preußen in das Centrum der Untersuchung. Nach früher in diesen Blättern
von uns beigebrachten Erörterungen ist die preußische Armee aus höchstens
550,000 Maun auf dem Kriegsstande zu berechnen, wovon höchstens 350,000
für den Dienst im freien Felde verfügbar gemacht werden können. Es wäre
denkbar, daß Preußen diese ganze Macht auf sein niederrheinisches Kriegs-
theater werfen könnte. Dies setzt aber voraus, daß Frankreich sein einziger
Feind wäre, und daß dieses ihm gegenübergedachte Frankreich nur in einer
Art, nur zu Lande, gegen Preußen austreten könnte, nicht zugleich zur See.

Wie sieht es nun mit den Grcnzmächten Preußens aus? Nußland hat
während des Feldzugs in Italien Preußen und den deutschen Bund wie
dem Heraustreten aus seiner Neutralität bedroht, salls diese für Oestreich
Partei ergriffen. Wenn Preußen von Frankreich angegriffen wird, hat Rub'
land schwerlich ein Interesse dabei, an einem solchen Angriffe theilzuneh-
men, es kann vielmehr seine Zeit unter solchen Umständen besser, nämlich
gegen Oestreich und an der untern Donau verwenden. Oestreich würde schwer-
lich Neigung haben, Preußen zu unterstützen; angenommen aber, es wollte
dieses thun, so wären sicherlich Rußland und die Italiener da, um es an einer
Unterstützung zu verhindern. Daß Oestreich an einem Kampfe gegen Preußen
im Bunde mit Frankreich theilnehmen, wenigstens Neigung dazu zeigen könnte,
lüge durchaus nicht außer den Grenzen der Möglichkeit. Indessen ein Bund
mit Oestreich könnte in diesem Sinne Frankreich und Nußland nicht entsprechet
Es kann diesen Staaten nicht daran liegen, daß sich Oestreich in Deutsch'
land auf Kosten Preußens vergrößere. Und doch, wenn in Preußen Erobe-
rungen von der östreichischen Seite her gemacht würden, wäre Oestreich d>e
einzige Macht, welcher man diese übergeben könnte. Wie gering nun w>es
der Schritt wäre, der damit im Sinne einer Einigung Deutschlands gethan
wäre, wie schwer er walirscheinlich von den Deutschen selbst getragen werde"
würde, es wäre dennoch möglicher Weise el" Schritt, und davon wollen eben
Frankreich und Rußland durchaus nichts wissen. Ihnen muß es daher daran'
ankommen, Oestreich vom preußischen Kriege ganz fern zu halten in der vo
sten Neutralität nach dieser Seite hin, und sie haben die Mittel, es in jede


mit Klarheit aufgefaßt worden, wie es täglich die Erfahrung zeigt. In
der Wissenschaft hat ihm unseres Wissens zuerst Iomini Rechnung getragen
durch die Unterscheidung von definitiven und beiläufigen (accidentiellen) Ope¬
rationslinien und strategischen Manövrirlinien. Man kaun unmöglich
den Plan zu einer Handlung entwerfen, ohne sich eine Vorstellung von den
Kräften zu machen, mit welchen man es dabei zu'thun hat. Wir wollen
daher damit anfangen, uns für das niederrheinische Kriegstheater einen Kräfte'
Überschlag zu machen. Gemäß unseren früheren Annahmen haben wir es hier
mit den beiden Hauptmächten Frankreich und Preußen zu thun, und stellen daher
Preußen in das Centrum der Untersuchung. Nach früher in diesen Blättern
von uns beigebrachten Erörterungen ist die preußische Armee aus höchstens
550,000 Maun auf dem Kriegsstande zu berechnen, wovon höchstens 350,000
für den Dienst im freien Felde verfügbar gemacht werden können. Es wäre
denkbar, daß Preußen diese ganze Macht auf sein niederrheinisches Kriegs-
theater werfen könnte. Dies setzt aber voraus, daß Frankreich sein einziger
Feind wäre, und daß dieses ihm gegenübergedachte Frankreich nur in einer
Art, nur zu Lande, gegen Preußen austreten könnte, nicht zugleich zur See.

Wie sieht es nun mit den Grcnzmächten Preußens aus? Nußland hat
während des Feldzugs in Italien Preußen und den deutschen Bund wie
dem Heraustreten aus seiner Neutralität bedroht, salls diese für Oestreich
Partei ergriffen. Wenn Preußen von Frankreich angegriffen wird, hat Rub'
land schwerlich ein Interesse dabei, an einem solchen Angriffe theilzuneh-
men, es kann vielmehr seine Zeit unter solchen Umständen besser, nämlich
gegen Oestreich und an der untern Donau verwenden. Oestreich würde schwer-
lich Neigung haben, Preußen zu unterstützen; angenommen aber, es wollte
dieses thun, so wären sicherlich Rußland und die Italiener da, um es an einer
Unterstützung zu verhindern. Daß Oestreich an einem Kampfe gegen Preußen
im Bunde mit Frankreich theilnehmen, wenigstens Neigung dazu zeigen könnte,
lüge durchaus nicht außer den Grenzen der Möglichkeit. Indessen ein Bund
mit Oestreich könnte in diesem Sinne Frankreich und Nußland nicht entsprechet
Es kann diesen Staaten nicht daran liegen, daß sich Oestreich in Deutsch'
land auf Kosten Preußens vergrößere. Und doch, wenn in Preußen Erobe-
rungen von der östreichischen Seite her gemacht würden, wäre Oestreich d>e
einzige Macht, welcher man diese übergeben könnte. Wie gering nun w>es
der Schritt wäre, der damit im Sinne einer Einigung Deutschlands gethan
wäre, wie schwer er walirscheinlich von den Deutschen selbst getragen werde»
würde, es wäre dennoch möglicher Weise el» Schritt, und davon wollen eben
Frankreich und Rußland durchaus nichts wissen. Ihnen muß es daher daran'
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[0318] mit Klarheit aufgefaßt worden, wie es täglich die Erfahrung zeigt. In der Wissenschaft hat ihm unseres Wissens zuerst Iomini Rechnung getragen durch die Unterscheidung von definitiven und beiläufigen (accidentiellen) Ope¬ rationslinien und strategischen Manövrirlinien. Man kaun unmöglich den Plan zu einer Handlung entwerfen, ohne sich eine Vorstellung von den Kräften zu machen, mit welchen man es dabei zu'thun hat. Wir wollen daher damit anfangen, uns für das niederrheinische Kriegstheater einen Kräfte' Überschlag zu machen. Gemäß unseren früheren Annahmen haben wir es hier mit den beiden Hauptmächten Frankreich und Preußen zu thun, und stellen daher Preußen in das Centrum der Untersuchung. Nach früher in diesen Blättern von uns beigebrachten Erörterungen ist die preußische Armee aus höchstens 550,000 Maun auf dem Kriegsstande zu berechnen, wovon höchstens 350,000 für den Dienst im freien Felde verfügbar gemacht werden können. Es wäre denkbar, daß Preußen diese ganze Macht auf sein niederrheinisches Kriegs- theater werfen könnte. Dies setzt aber voraus, daß Frankreich sein einziger Feind wäre, und daß dieses ihm gegenübergedachte Frankreich nur in einer Art, nur zu Lande, gegen Preußen austreten könnte, nicht zugleich zur See. Wie sieht es nun mit den Grcnzmächten Preußens aus? Nußland hat während des Feldzugs in Italien Preußen und den deutschen Bund wie dem Heraustreten aus seiner Neutralität bedroht, salls diese für Oestreich Partei ergriffen. Wenn Preußen von Frankreich angegriffen wird, hat Rub' land schwerlich ein Interesse dabei, an einem solchen Angriffe theilzuneh- men, es kann vielmehr seine Zeit unter solchen Umständen besser, nämlich gegen Oestreich und an der untern Donau verwenden. Oestreich würde schwer- lich Neigung haben, Preußen zu unterstützen; angenommen aber, es wollte dieses thun, so wären sicherlich Rußland und die Italiener da, um es an einer Unterstützung zu verhindern. Daß Oestreich an einem Kampfe gegen Preußen im Bunde mit Frankreich theilnehmen, wenigstens Neigung dazu zeigen könnte, lüge durchaus nicht außer den Grenzen der Möglichkeit. Indessen ein Bund mit Oestreich könnte in diesem Sinne Frankreich und Nußland nicht entsprechet Es kann diesen Staaten nicht daran liegen, daß sich Oestreich in Deutsch' land auf Kosten Preußens vergrößere. Und doch, wenn in Preußen Erobe- rungen von der östreichischen Seite her gemacht würden, wäre Oestreich d>e einzige Macht, welcher man diese übergeben könnte. Wie gering nun w>es der Schritt wäre, der damit im Sinne einer Einigung Deutschlands gethan wäre, wie schwer er walirscheinlich von den Deutschen selbst getragen werde» würde, es wäre dennoch möglicher Weise el» Schritt, und davon wollen eben Frankreich und Rußland durchaus nichts wissen. Ihnen muß es daher daran' ankommen, Oestreich vom preußischen Kriege ganz fern zu halten in der vo sten Neutralität nach dieser Seite hin, und sie haben die Mittel, es in jede

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/318>, abgerufen am 29.06.2024.