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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Aus zuthut vier Wänden.

Aus unsern vier Wänden. Bilder aus dem Kinderleben r'vn R u dolo h N el es en a u
Leipzig, F, L, Herbig. --

Nicht ohne Grund weisen wir der Besprechung dieses kleinen Büchleins
U'e bevorzugte Stelle ein; es gehört nach unserer Ueberzeugung zu den, Schön¬
en, was seit längerer Zeit in der belletristischen Literatur erschiene" ist; ja es ,se
^u>e Perle, die viele anscheinend glänzende Leistungen der Gegenwart über¬
quern wird.

Der Stoff ist kein "euer; das deutsche Gemüth hat> sich stets mit Innig-
den Bildern des Kinderlebens zugewandt, die unsere Nachbarn, die Frar-
i">en. die Zöglinge der Akademie, auch noch neuerdings wehr mit Spott als
'"^ herzlicher Theilnahme betrachtet haben. Gavarui's I.(>8 cMms wiiidlös
ein glänzendes Werk, fein gedacht und mit künstlerischer Virtuosität aus¬
führt; aber dem Deutschen wird nicht wohl dabei, denn sie enthalten doch
''"r die Kehrseite der Kindheit. Für uns hat diese Unfähigkeit, den Gefühlen.
^ >>n Keime, gleichsam unbewußt, und doch mit lebendiger Kraft in den
>^n des kleinen Herzens schlummern, einen verständlichen Ausdruck zu geben.
Noah unendlich Rührendes. Die meisten unserer großen Dichter waren er-
"rde Kinderfreunde; Goethe hat im Werther diesen echt menschlichen Zug
wierrlicht; wie sehr der Held des Dichters eignes Bild war, lesen wir aus
^ Briefen an Kestners. Schiller hat in seiner Abhandlung über das Naive
ueks gemischte Gefühl. "in welchem fröhlicher Spott, Ehrfurcht und Weh-
^ues zusammenfließen." mit philosophischem Tiefsinn zerlegt. Man hat ihm
^dem oftmals, mit mehr ader minder Glück, nachgesprochen; wenn wir
"der die Natur jenes Gefühls vollständig ergründet haben, so ist es uns sel-
gelungen, ihm einen künstlerischen Ausdruck zu geben; eher noch den
alern, die viel sinniges in diesem Felde geschaffen haben, so Ludwig
^"edler.

Die meisten Poeten gingen mehr darauf aus, ihr eigenes Gefühl über
^ Kindheit ^ehe warm auszusprechen, als durch Bild und Darstellung dies
^Mhl bei Andern hervorzurufen. Dazu gehört Bogumil Got iz. Sein "Buch
^ Kindheit" enhält einige sehr glücklich aufgefundene Züge und feine Be-


^"Njbotcn.IV. ISV9. 36
Aus zuthut vier Wänden.

Aus unsern vier Wänden. Bilder aus dem Kinderleben r'vn R u dolo h N el es en a u
Leipzig, F, L, Herbig. —

Nicht ohne Grund weisen wir der Besprechung dieses kleinen Büchleins
U'e bevorzugte Stelle ein; es gehört nach unserer Ueberzeugung zu den, Schön¬
en, was seit längerer Zeit in der belletristischen Literatur erschiene» ist; ja es ,se
^u>e Perle, die viele anscheinend glänzende Leistungen der Gegenwart über¬
quern wird.

Der Stoff ist kein »euer; das deutsche Gemüth hat> sich stets mit Innig-
den Bildern des Kinderlebens zugewandt, die unsere Nachbarn, die Frar-
i">en. die Zöglinge der Akademie, auch noch neuerdings wehr mit Spott als
'"^ herzlicher Theilnahme betrachtet haben. Gavarui's I.(>8 cMms wiiidlös
ein glänzendes Werk, fein gedacht und mit künstlerischer Virtuosität aus¬
führt; aber dem Deutschen wird nicht wohl dabei, denn sie enthalten doch
''"r die Kehrseite der Kindheit. Für uns hat diese Unfähigkeit, den Gefühlen.
^ >>n Keime, gleichsam unbewußt, und doch mit lebendiger Kraft in den
>^n des kleinen Herzens schlummern, einen verständlichen Ausdruck zu geben.
Noah unendlich Rührendes. Die meisten unserer großen Dichter waren er-
"rde Kinderfreunde; Goethe hat im Werther diesen echt menschlichen Zug
wierrlicht; wie sehr der Held des Dichters eignes Bild war, lesen wir aus
^ Briefen an Kestners. Schiller hat in seiner Abhandlung über das Naive
ueks gemischte Gefühl. „in welchem fröhlicher Spott, Ehrfurcht und Weh-
^ues zusammenfließen." mit philosophischem Tiefsinn zerlegt. Man hat ihm
^dem oftmals, mit mehr ader minder Glück, nachgesprochen; wenn wir
«der die Natur jenes Gefühls vollständig ergründet haben, so ist es uns sel-
gelungen, ihm einen künstlerischen Ausdruck zu geben; eher noch den
alern, die viel sinniges in diesem Felde geschaffen haben, so Ludwig
^"edler.

Die meisten Poeten gingen mehr darauf aus, ihr eigenes Gefühl über
^ Kindheit ^ehe warm auszusprechen, als durch Bild und Darstellung dies
^Mhl bei Andern hervorzurufen. Dazu gehört Bogumil Got iz. Sein „Buch
^ Kindheit" enhält einige sehr glücklich aufgefundene Züge und feine Be-


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[0293] Aus zuthut vier Wänden. Aus unsern vier Wänden. Bilder aus dem Kinderleben r'vn R u dolo h N el es en a u Leipzig, F, L, Herbig. — Nicht ohne Grund weisen wir der Besprechung dieses kleinen Büchleins U'e bevorzugte Stelle ein; es gehört nach unserer Ueberzeugung zu den, Schön¬ en, was seit längerer Zeit in der belletristischen Literatur erschiene» ist; ja es ,se ^u>e Perle, die viele anscheinend glänzende Leistungen der Gegenwart über¬ quern wird. Der Stoff ist kein »euer; das deutsche Gemüth hat> sich stets mit Innig- den Bildern des Kinderlebens zugewandt, die unsere Nachbarn, die Frar- i">en. die Zöglinge der Akademie, auch noch neuerdings wehr mit Spott als '"^ herzlicher Theilnahme betrachtet haben. Gavarui's I.(>8 cMms wiiidlös ein glänzendes Werk, fein gedacht und mit künstlerischer Virtuosität aus¬ führt; aber dem Deutschen wird nicht wohl dabei, denn sie enthalten doch ''"r die Kehrseite der Kindheit. Für uns hat diese Unfähigkeit, den Gefühlen. ^ >>n Keime, gleichsam unbewußt, und doch mit lebendiger Kraft in den >^n des kleinen Herzens schlummern, einen verständlichen Ausdruck zu geben. Noah unendlich Rührendes. Die meisten unserer großen Dichter waren er- "rde Kinderfreunde; Goethe hat im Werther diesen echt menschlichen Zug wierrlicht; wie sehr der Held des Dichters eignes Bild war, lesen wir aus ^ Briefen an Kestners. Schiller hat in seiner Abhandlung über das Naive ueks gemischte Gefühl. „in welchem fröhlicher Spott, Ehrfurcht und Weh- ^ues zusammenfließen." mit philosophischem Tiefsinn zerlegt. Man hat ihm ^dem oftmals, mit mehr ader minder Glück, nachgesprochen; wenn wir «der die Natur jenes Gefühls vollständig ergründet haben, so ist es uns sel- gelungen, ihm einen künstlerischen Ausdruck zu geben; eher noch den alern, die viel sinniges in diesem Felde geschaffen haben, so Ludwig ^"edler. Die meisten Poeten gingen mehr darauf aus, ihr eigenes Gefühl über ^ Kindheit ^ehe warm auszusprechen, als durch Bild und Darstellung dies ^Mhl bei Andern hervorzurufen. Dazu gehört Bogumil Got iz. Sein „Buch ^ Kindheit" enhält einige sehr glücklich aufgefundene Züge und feine Be- ^"Njbotcn.IV. ISV9. 36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/293>, abgerufen am 29.06.2024.