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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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dort der indirecten Besteuerung allein beruhe. Der erste Wunsch ist allerdings
ein sehr berechtigter, der zweite beruht aus den innersten Verhältnissen des
Landes. Man erkennt aber doch, daß bei jenen Verhandlungen weit mehr
das Interesse der Verpflichteten, als das staatliche berücksichtigt wurde, wenig¬
stens daß eine Unterordnung des ersteren unter das letztere nicht stattfand,
ferner daß bei der Wahrung des principiellen Standpunktes ohne wesentliche
Zugeständnisse ein Conflict mit den Grundbedingungen einer vernünftigen,
zeitgemäßen Besteuerung stattfinden mußte. AIs diese Grundbedingungen
wurden schon erwähnt einmal das Verschmelzen der verschiedenen persönlichen
Interessen zum Gesammtinteresse des Landes, sodann die Vereinigung directer
und indirecter Erhebungen zum geordneten Systeme.

Die Ritterschaft Mecklenburgs nun ist unbedingt für rein directe Be¬
steuerung, hat sich der indirecten von jeher lebhaft widersetzt und ist deshalb
zwar der Aufhebung oder Umänderung aller jetzt bestehenden indirecten Abga¬
ben nicht entgegen, will dieselben aber nicht durch neue indirecte Abgaben,
am wenigsten wenn sie von größerer Ausdehnung als bisher sein sollen,
ersetzt haben. Es streitet hiergegen theils ihr eigenes Interesse, da, wie wir
gezeigt haben, dasselbe bei dem bestehenden Abgabensysteme eine, nach ihrer
Ansicht natürlich berechtigte Berücksichtigung erfährt. Ferner glaubt sie auch
im Interesse ihrer Untergebenen zu handeln, welche nach unserer Darlegung
ebenfalls beziehungsweise gering belastet sind, und es ist nicht zu leugnen,
daß die Rücksicht auf letztere einen gewissen Zwang auf die Ritterschaft aus¬
üben muß. Endlich ist auch nicht selten eine wahre und aufrichtige Ueber¬
zeugung von dem Vortheile rein directer Abgaben mit im Spiele. Dagegen
ist sie durchaus im Irrthum, wenn sie behauptet, daß eine rein directe
Besteuerung den Staatsbedürfnissen genüge, ja daß sie überhaupt consequent
durchzuführen sei; denn es wird hierbei übersehen, daß jede directe Besteue¬
rung derjenigen Personen, welche irgend einen Handel treiben oder irgend ein
Handwerk üben, factisch immer und ewig eine indirecte sein wird und muß.
Das Princip directer Besteuerung aller Staatsbürger ist thatsächlich unmög¬
lich, oder man erkenne von Anfang an allerlei Exemtionen als nothwendig an.
Wie soll z. B. die reine Einkommensteuer, dem Principe nach eine treffliche
Abgabe, den Reichen richtig treffen, dessen Einkommen nicht zu controliren
ist? Wie soll die gleichfalls principiell richtige Abgabe vom Grundbesitze, von
Gärten, Aeckern. Vieh u. s. w. in der Weise auferlegt werden, daß sie den
steuernden genügend trifft, da sie sich unmöglich dem wirklichen Ertrage,
vielmehr immer nur einer äußeren Schätzung anpassen kann? Annähernde
Steuern sind hier aber nicht genügend und indirecte Abgaben werden zu einer
möglichst gleichmäßigen Belastung immer nothwendig sein.

Die directe Besteuerung wahrt allerdings ganz besonders den Vortheil


dort der indirecten Besteuerung allein beruhe. Der erste Wunsch ist allerdings
ein sehr berechtigter, der zweite beruht aus den innersten Verhältnissen des
Landes. Man erkennt aber doch, daß bei jenen Verhandlungen weit mehr
das Interesse der Verpflichteten, als das staatliche berücksichtigt wurde, wenig¬
stens daß eine Unterordnung des ersteren unter das letztere nicht stattfand,
ferner daß bei der Wahrung des principiellen Standpunktes ohne wesentliche
Zugeständnisse ein Conflict mit den Grundbedingungen einer vernünftigen,
zeitgemäßen Besteuerung stattfinden mußte. AIs diese Grundbedingungen
wurden schon erwähnt einmal das Verschmelzen der verschiedenen persönlichen
Interessen zum Gesammtinteresse des Landes, sodann die Vereinigung directer
und indirecter Erhebungen zum geordneten Systeme.

Die Ritterschaft Mecklenburgs nun ist unbedingt für rein directe Be¬
steuerung, hat sich der indirecten von jeher lebhaft widersetzt und ist deshalb
zwar der Aufhebung oder Umänderung aller jetzt bestehenden indirecten Abga¬
ben nicht entgegen, will dieselben aber nicht durch neue indirecte Abgaben,
am wenigsten wenn sie von größerer Ausdehnung als bisher sein sollen,
ersetzt haben. Es streitet hiergegen theils ihr eigenes Interesse, da, wie wir
gezeigt haben, dasselbe bei dem bestehenden Abgabensysteme eine, nach ihrer
Ansicht natürlich berechtigte Berücksichtigung erfährt. Ferner glaubt sie auch
im Interesse ihrer Untergebenen zu handeln, welche nach unserer Darlegung
ebenfalls beziehungsweise gering belastet sind, und es ist nicht zu leugnen,
daß die Rücksicht auf letztere einen gewissen Zwang auf die Ritterschaft aus¬
üben muß. Endlich ist auch nicht selten eine wahre und aufrichtige Ueber¬
zeugung von dem Vortheile rein directer Abgaben mit im Spiele. Dagegen
ist sie durchaus im Irrthum, wenn sie behauptet, daß eine rein directe
Besteuerung den Staatsbedürfnissen genüge, ja daß sie überhaupt consequent
durchzuführen sei; denn es wird hierbei übersehen, daß jede directe Besteue¬
rung derjenigen Personen, welche irgend einen Handel treiben oder irgend ein
Handwerk üben, factisch immer und ewig eine indirecte sein wird und muß.
Das Princip directer Besteuerung aller Staatsbürger ist thatsächlich unmög¬
lich, oder man erkenne von Anfang an allerlei Exemtionen als nothwendig an.
Wie soll z. B. die reine Einkommensteuer, dem Principe nach eine treffliche
Abgabe, den Reichen richtig treffen, dessen Einkommen nicht zu controliren
ist? Wie soll die gleichfalls principiell richtige Abgabe vom Grundbesitze, von
Gärten, Aeckern. Vieh u. s. w. in der Weise auferlegt werden, daß sie den
steuernden genügend trifft, da sie sich unmöglich dem wirklichen Ertrage,
vielmehr immer nur einer äußeren Schätzung anpassen kann? Annähernde
Steuern sind hier aber nicht genügend und indirecte Abgaben werden zu einer
möglichst gleichmäßigen Belastung immer nothwendig sein.

Die directe Besteuerung wahrt allerdings ganz besonders den Vortheil


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/266>, abgerufen am 29.06.2024.