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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Neue Arbeiten auf dem Gebiet der deutschen Geschichte.

Von den höchst ehrenwerthen Bestrebungen des Königs von Bayern,
deutsche Wissenschaft und Kunst zu Pflegen, werden wol diejenigen den nachhal¬
tigsten Erfolg haben, die sich auf die Forschungen in deutscher Geschichte be¬
ziehen. Die bedeutendsten Kräfte des Vaterlandes sind zu schönem Wetteifer
versammelt, die Leitung ist in den besten Händen, und. >was die Hauptsache
ist. das Unternehmen ist von der Art, daß es nur durch Concentration von
Kräften und durch Methode in der Arbeit gedeihen kann. Alles was sich
auf die Sammlung und Anordnung des Materials bezieht, verlangt das In¬
einandergreifen aller monographischen Beschäftigungen; verlangt jene Aufsicht,
die nur von den höchsten Kennern ausgehn kann. Sybel's "historischer
Zeitschrift" wird es, gerade weil sie sich in der Mitte zwischen strenger For¬
schung und Darstellung hält, gelingen, auch den größeren Kreis des "gebildeten
Publicums" für diese Unternehmungen zu gewinnen, und ihm Respect vor
einer Gelehrsamkeit einzuflößen, die ihm in so stattlicher und doch zugleich
anziehender Erscheinung entgegentritt.

Die Forschung verlangt schulmäßige Arbeit, anders ist es mit der Ge¬
schichtschreibung beschaffen, insofern man sie vom künstlerischen Standpunkt
betrachtet. Die Kunst gedeiht in allen Zweigen nur durch individuelle Thä¬
tigkeit, und nicht immer sind diejenigen Perioden, die sich durch den Ernst
und die Folgerichtigkeit der Arbeit auszeichnen, reich an eigentlichen Schöpfungen-

Auf dem Gebiet der deutschen Geschichte ist die Geschichte der preußi¬
schen Politik von I. G. Droysen (Zweiter Theil, die territoriale Zeit-
Zweite Abtheilung, Leipzig, Veit) die hervorragendste Leistung. Die Berufung
des Verfassers nach Berlin ist wieder eines von den erfreulichen Zeichen, daß
die neue Regierung ihren Beruf nicht bloß in politischer Beziehung, s""'
der" auch in Rücksicht auf das allgemeine geistige Leben richtig ins An^
saßt. Zwar ist eine Centralisation, wie sie in Frankreich stattfindet, bei uns
weder denkbar noch wünschenswerth. Der rühmliche Wetteifer zwischen den
verschiedenen Universitäten und Höfen, soviel als möglich von den geistigen
Kräften an sich zu ziehen, hat in unsrer Literatur sehr viel Gutes gewirkt und
namentlich dazu beigetragen, daß in allen Theilen des Vaterlandes sich e>"
unabhängiges geistiges Leben erhielt. Aber diese Selbstständigkeit der Pr"'
vinzen ist keineswegs unvereinbar mit dem Aufblühen einer Hauptstodt, i"
welcher sich gleichsam die Strahlen der verschiedenen Richtungen begegnen-
Etwas der Art faßte die preußische Regierung bereits ins Auge, als sie
nun beinahe 50 Jahren die Berliner Universität gründete, damals ein hoch"
gewagtes Unternehmen, weil sogar die Existenz Preußens in Frage zu sie^


Neue Arbeiten auf dem Gebiet der deutschen Geschichte.

Von den höchst ehrenwerthen Bestrebungen des Königs von Bayern,
deutsche Wissenschaft und Kunst zu Pflegen, werden wol diejenigen den nachhal¬
tigsten Erfolg haben, die sich auf die Forschungen in deutscher Geschichte be¬
ziehen. Die bedeutendsten Kräfte des Vaterlandes sind zu schönem Wetteifer
versammelt, die Leitung ist in den besten Händen, und. >was die Hauptsache
ist. das Unternehmen ist von der Art, daß es nur durch Concentration von
Kräften und durch Methode in der Arbeit gedeihen kann. Alles was sich
auf die Sammlung und Anordnung des Materials bezieht, verlangt das In¬
einandergreifen aller monographischen Beschäftigungen; verlangt jene Aufsicht,
die nur von den höchsten Kennern ausgehn kann. Sybel's „historischer
Zeitschrift" wird es, gerade weil sie sich in der Mitte zwischen strenger For¬
schung und Darstellung hält, gelingen, auch den größeren Kreis des „gebildeten
Publicums" für diese Unternehmungen zu gewinnen, und ihm Respect vor
einer Gelehrsamkeit einzuflößen, die ihm in so stattlicher und doch zugleich
anziehender Erscheinung entgegentritt.

Die Forschung verlangt schulmäßige Arbeit, anders ist es mit der Ge¬
schichtschreibung beschaffen, insofern man sie vom künstlerischen Standpunkt
betrachtet. Die Kunst gedeiht in allen Zweigen nur durch individuelle Thä¬
tigkeit, und nicht immer sind diejenigen Perioden, die sich durch den Ernst
und die Folgerichtigkeit der Arbeit auszeichnen, reich an eigentlichen Schöpfungen-

Auf dem Gebiet der deutschen Geschichte ist die Geschichte der preußi¬
schen Politik von I. G. Droysen (Zweiter Theil, die territoriale Zeit-
Zweite Abtheilung, Leipzig, Veit) die hervorragendste Leistung. Die Berufung
des Verfassers nach Berlin ist wieder eines von den erfreulichen Zeichen, daß
die neue Regierung ihren Beruf nicht bloß in politischer Beziehung, s""'
der» auch in Rücksicht auf das allgemeine geistige Leben richtig ins An^
saßt. Zwar ist eine Centralisation, wie sie in Frankreich stattfindet, bei uns
weder denkbar noch wünschenswerth. Der rühmliche Wetteifer zwischen den
verschiedenen Universitäten und Höfen, soviel als möglich von den geistigen
Kräften an sich zu ziehen, hat in unsrer Literatur sehr viel Gutes gewirkt und
namentlich dazu beigetragen, daß in allen Theilen des Vaterlandes sich e>"
unabhängiges geistiges Leben erhielt. Aber diese Selbstständigkeit der Pr"'
vinzen ist keineswegs unvereinbar mit dem Aufblühen einer Hauptstodt, i"
welcher sich gleichsam die Strahlen der verschiedenen Richtungen begegnen-
Etwas der Art faßte die preußische Regierung bereits ins Auge, als sie
nun beinahe 50 Jahren die Berliner Universität gründete, damals ein hoch"
gewagtes Unternehmen, weil sogar die Existenz Preußens in Frage zu sie^


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[0242] Neue Arbeiten auf dem Gebiet der deutschen Geschichte. Von den höchst ehrenwerthen Bestrebungen des Königs von Bayern, deutsche Wissenschaft und Kunst zu Pflegen, werden wol diejenigen den nachhal¬ tigsten Erfolg haben, die sich auf die Forschungen in deutscher Geschichte be¬ ziehen. Die bedeutendsten Kräfte des Vaterlandes sind zu schönem Wetteifer versammelt, die Leitung ist in den besten Händen, und. >was die Hauptsache ist. das Unternehmen ist von der Art, daß es nur durch Concentration von Kräften und durch Methode in der Arbeit gedeihen kann. Alles was sich auf die Sammlung und Anordnung des Materials bezieht, verlangt das In¬ einandergreifen aller monographischen Beschäftigungen; verlangt jene Aufsicht, die nur von den höchsten Kennern ausgehn kann. Sybel's „historischer Zeitschrift" wird es, gerade weil sie sich in der Mitte zwischen strenger For¬ schung und Darstellung hält, gelingen, auch den größeren Kreis des „gebildeten Publicums" für diese Unternehmungen zu gewinnen, und ihm Respect vor einer Gelehrsamkeit einzuflößen, die ihm in so stattlicher und doch zugleich anziehender Erscheinung entgegentritt. Die Forschung verlangt schulmäßige Arbeit, anders ist es mit der Ge¬ schichtschreibung beschaffen, insofern man sie vom künstlerischen Standpunkt betrachtet. Die Kunst gedeiht in allen Zweigen nur durch individuelle Thä¬ tigkeit, und nicht immer sind diejenigen Perioden, die sich durch den Ernst und die Folgerichtigkeit der Arbeit auszeichnen, reich an eigentlichen Schöpfungen- Auf dem Gebiet der deutschen Geschichte ist die Geschichte der preußi¬ schen Politik von I. G. Droysen (Zweiter Theil, die territoriale Zeit- Zweite Abtheilung, Leipzig, Veit) die hervorragendste Leistung. Die Berufung des Verfassers nach Berlin ist wieder eines von den erfreulichen Zeichen, daß die neue Regierung ihren Beruf nicht bloß in politischer Beziehung, s""' der» auch in Rücksicht auf das allgemeine geistige Leben richtig ins An^ saßt. Zwar ist eine Centralisation, wie sie in Frankreich stattfindet, bei uns weder denkbar noch wünschenswerth. Der rühmliche Wetteifer zwischen den verschiedenen Universitäten und Höfen, soviel als möglich von den geistigen Kräften an sich zu ziehen, hat in unsrer Literatur sehr viel Gutes gewirkt und namentlich dazu beigetragen, daß in allen Theilen des Vaterlandes sich e>" unabhängiges geistiges Leben erhielt. Aber diese Selbstständigkeit der Pr"' vinzen ist keineswegs unvereinbar mit dem Aufblühen einer Hauptstodt, i" welcher sich gleichsam die Strahlen der verschiedenen Richtungen begegnen- Etwas der Art faßte die preußische Regierung bereits ins Auge, als sie nun beinahe 50 Jahren die Berliner Universität gründete, damals ein hoch" gewagtes Unternehmen, weil sogar die Existenz Preußens in Frage zu sie^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/242>, abgerufen am 28.09.2024.