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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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wurde wie dieses von den Franzosen eingeschlossen und capitulirte bereits am
26. October. Schon die obengegebenen historischen Daten zeigen, daß Mast¬
richt fast nicht verfehlen kann, bei einem Vordringen der Franzosen durch Bel¬
gien gegen die Rheingrenze eine Rolle zu spielen, jetzt ist es, an der großen
Eisenbahnstraße über Aachen auf Cöln und Düsseldorf gelegen, in dieser Be¬
ziehung fast noch bedeutender geworden. Die Felsenfcstung Luxemburg an der
Alzig oder Alzette mit 12,000 Einwohnern verbindet die erste Linie der bel¬
gischen Plätze mit dem preußischen Festungssystem und kaun unter Umständen
als ein Vorposten von Coblenz angesehen werden. Auch Luxemburg ward
1794 von den Franzosen eingeschlossen, ihnen aber erst am 7. Juli 1795 über¬
geben. Wenn seine Besatzung und Einwohnerschaft gut verproviantirt ist¬
kann man es dreist als uneinnehmbar bezeichnen. Da Preußen den Haupt-
theil der Bundesbesatzung von Luxemburg stellt, kann es sich dieses Platzes
vorkommenden Falles stets mit Leichtigkeit versichern.

Das Großherzogthum Hessen hat auf 153 Quadratmeilen 854,311 Ein¬
wohner, also auf der Quadratmeile über 5So0 Seelen. Es zerfüllt in zwe>
getrennte Haupttheile, von denen der südliche dem Gebiet des Rhein- und
Mainthals, der letzten Ausläufer der Vogesen und des Odenwaldes, der nord'
liebe (Oberhessen) dagegen dem Gebiet des Vogelsberges angehört. Der süd¬
liche Theil ist wohl angebaut und am stärksten bevölkert, die Industrie ist
mäßig. Auf hessischem Gebiet liegt nun die Bundesfestung Mainz in>t
37,000 Einwohnern. Der Haupttheil der Stadt mit der Citadelle, und
einer Anzahl dctachirter Forts liegt am linken Ufer des Rheins, während
das rechte von der befestigten Vorstadt Castel mit den Forts Montebello
und Mars festgehalten wird. Mainz, auf der Grenzscheide zwischen dcM
niederrheinischen und oberrheinischen Kriegstheater, würde wenig ins Gewicht
fallen, wenn der Kampf sich den Verhältnissen nach durchaus auf den nieder¬
rheinischen Schauplatz beschränken müßte. Indessen eben als Grenzpunkt kann
es von Einfluß aus die Entscheidung sem, inwiefern an einer solchen LocaU-
sirung des Krieges festgehalten werde. Es würde uns zu weit führen, wollten
wir dieses hier nach allen Einzelheiten erörtern, ohne daß uns bereits ein be¬
stimmt gegebenes politisches Lagenverhältniß vorliegt. Wir begnügen uns
mit den Bemerkungen, daß in der Bundcsbesatzung von Mainz der deutsche
Dualismus sehr stark repräsentirt ist, da das Gros der Kriegsbesatzung M
Hälfte aus Preußen, zur Hälfte aus Oestreichern besteht.

Das Königreich der Niederlande kann auf dem Kriegsfuß eine reguläre
Armee von 57,569 M. in Europa aufstellen. Durch das Aufgebot der Schul¬
tern (Schützencorps), einer Art mobiler Nationalgarde, die aber nur in de"
größern Gemeinden besteht, kann die Streitmacht auf 100.000 M. gebracht
werden. An Truppen wird Holland, sobald es als Verbündeter andrer


wurde wie dieses von den Franzosen eingeschlossen und capitulirte bereits am
26. October. Schon die obengegebenen historischen Daten zeigen, daß Mast¬
richt fast nicht verfehlen kann, bei einem Vordringen der Franzosen durch Bel¬
gien gegen die Rheingrenze eine Rolle zu spielen, jetzt ist es, an der großen
Eisenbahnstraße über Aachen auf Cöln und Düsseldorf gelegen, in dieser Be¬
ziehung fast noch bedeutender geworden. Die Felsenfcstung Luxemburg an der
Alzig oder Alzette mit 12,000 Einwohnern verbindet die erste Linie der bel¬
gischen Plätze mit dem preußischen Festungssystem und kaun unter Umständen
als ein Vorposten von Coblenz angesehen werden. Auch Luxemburg ward
1794 von den Franzosen eingeschlossen, ihnen aber erst am 7. Juli 1795 über¬
geben. Wenn seine Besatzung und Einwohnerschaft gut verproviantirt ist¬
kann man es dreist als uneinnehmbar bezeichnen. Da Preußen den Haupt-
theil der Bundesbesatzung von Luxemburg stellt, kann es sich dieses Platzes
vorkommenden Falles stets mit Leichtigkeit versichern.

Das Großherzogthum Hessen hat auf 153 Quadratmeilen 854,311 Ein¬
wohner, also auf der Quadratmeile über 5So0 Seelen. Es zerfüllt in zwe>
getrennte Haupttheile, von denen der südliche dem Gebiet des Rhein- und
Mainthals, der letzten Ausläufer der Vogesen und des Odenwaldes, der nord'
liebe (Oberhessen) dagegen dem Gebiet des Vogelsberges angehört. Der süd¬
liche Theil ist wohl angebaut und am stärksten bevölkert, die Industrie ist
mäßig. Auf hessischem Gebiet liegt nun die Bundesfestung Mainz in>t
37,000 Einwohnern. Der Haupttheil der Stadt mit der Citadelle, und
einer Anzahl dctachirter Forts liegt am linken Ufer des Rheins, während
das rechte von der befestigten Vorstadt Castel mit den Forts Montebello
und Mars festgehalten wird. Mainz, auf der Grenzscheide zwischen dcM
niederrheinischen und oberrheinischen Kriegstheater, würde wenig ins Gewicht
fallen, wenn der Kampf sich den Verhältnissen nach durchaus auf den nieder¬
rheinischen Schauplatz beschränken müßte. Indessen eben als Grenzpunkt kann
es von Einfluß aus die Entscheidung sem, inwiefern an einer solchen LocaU-
sirung des Krieges festgehalten werde. Es würde uns zu weit führen, wollten
wir dieses hier nach allen Einzelheiten erörtern, ohne daß uns bereits ein be¬
stimmt gegebenes politisches Lagenverhältniß vorliegt. Wir begnügen uns
mit den Bemerkungen, daß in der Bundcsbesatzung von Mainz der deutsche
Dualismus sehr stark repräsentirt ist, da das Gros der Kriegsbesatzung M
Hälfte aus Preußen, zur Hälfte aus Oestreichern besteht.

Das Königreich der Niederlande kann auf dem Kriegsfuß eine reguläre
Armee von 57,569 M. in Europa aufstellen. Durch das Aufgebot der Schul¬
tern (Schützencorps), einer Art mobiler Nationalgarde, die aber nur in de»
größern Gemeinden besteht, kann die Streitmacht auf 100.000 M. gebracht
werden. An Truppen wird Holland, sobald es als Verbündeter andrer


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[0238] wurde wie dieses von den Franzosen eingeschlossen und capitulirte bereits am 26. October. Schon die obengegebenen historischen Daten zeigen, daß Mast¬ richt fast nicht verfehlen kann, bei einem Vordringen der Franzosen durch Bel¬ gien gegen die Rheingrenze eine Rolle zu spielen, jetzt ist es, an der großen Eisenbahnstraße über Aachen auf Cöln und Düsseldorf gelegen, in dieser Be¬ ziehung fast noch bedeutender geworden. Die Felsenfcstung Luxemburg an der Alzig oder Alzette mit 12,000 Einwohnern verbindet die erste Linie der bel¬ gischen Plätze mit dem preußischen Festungssystem und kaun unter Umständen als ein Vorposten von Coblenz angesehen werden. Auch Luxemburg ward 1794 von den Franzosen eingeschlossen, ihnen aber erst am 7. Juli 1795 über¬ geben. Wenn seine Besatzung und Einwohnerschaft gut verproviantirt ist¬ kann man es dreist als uneinnehmbar bezeichnen. Da Preußen den Haupt- theil der Bundesbesatzung von Luxemburg stellt, kann es sich dieses Platzes vorkommenden Falles stets mit Leichtigkeit versichern. Das Großherzogthum Hessen hat auf 153 Quadratmeilen 854,311 Ein¬ wohner, also auf der Quadratmeile über 5So0 Seelen. Es zerfüllt in zwe> getrennte Haupttheile, von denen der südliche dem Gebiet des Rhein- und Mainthals, der letzten Ausläufer der Vogesen und des Odenwaldes, der nord' liebe (Oberhessen) dagegen dem Gebiet des Vogelsberges angehört. Der süd¬ liche Theil ist wohl angebaut und am stärksten bevölkert, die Industrie ist mäßig. Auf hessischem Gebiet liegt nun die Bundesfestung Mainz in>t 37,000 Einwohnern. Der Haupttheil der Stadt mit der Citadelle, und einer Anzahl dctachirter Forts liegt am linken Ufer des Rheins, während das rechte von der befestigten Vorstadt Castel mit den Forts Montebello und Mars festgehalten wird. Mainz, auf der Grenzscheide zwischen dcM niederrheinischen und oberrheinischen Kriegstheater, würde wenig ins Gewicht fallen, wenn der Kampf sich den Verhältnissen nach durchaus auf den nieder¬ rheinischen Schauplatz beschränken müßte. Indessen eben als Grenzpunkt kann es von Einfluß aus die Entscheidung sem, inwiefern an einer solchen LocaU- sirung des Krieges festgehalten werde. Es würde uns zu weit führen, wollten wir dieses hier nach allen Einzelheiten erörtern, ohne daß uns bereits ein be¬ stimmt gegebenes politisches Lagenverhältniß vorliegt. Wir begnügen uns mit den Bemerkungen, daß in der Bundcsbesatzung von Mainz der deutsche Dualismus sehr stark repräsentirt ist, da das Gros der Kriegsbesatzung M Hälfte aus Preußen, zur Hälfte aus Oestreichern besteht. Das Königreich der Niederlande kann auf dem Kriegsfuß eine reguläre Armee von 57,569 M. in Europa aufstellen. Durch das Aufgebot der Schul¬ tern (Schützencorps), einer Art mobiler Nationalgarde, die aber nur in de» größern Gemeinden besteht, kann die Streitmacht auf 100.000 M. gebracht werden. An Truppen wird Holland, sobald es als Verbündeter andrer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/238>, abgerufen am 29.06.2024.