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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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dem Nachtheile zu entgehen, gerade hier der Schmuggel in den Zollverein leb¬
haft betrieben wird, ist allgemein bekannt. Dem Daniederliegen der Industrie
steht nun die bedeutende Auswanderung zur Seite -- wahrlich, es ist ein
trauriger Humor, der hier noch von dem "glücklichen Mecklenburg" spricht und
sich freuen kann, daß das Land Fabriken nicht besitze, auch nicht "nöthig
habe!"

Schließlich müssen wir auch die Wirkung der bestehenden Verhältnisse auf
die sehr zahlreiche Classe der um Tagelohn Arbeitenden berücksichtigen. Daß
diese sich gar nicht oder doch nur mit äußerster Mühe aus ihrer Sphäre em-
porarbeiten können, liegt offen auf der Hand. Sie haben aber ferner, auf
den allerkleinsten Detailhandel angewiesen, einen großen Theil der Handels-
steuern allein zu tragen. Es ist dies freilich ein Umstand, der im Wesen in-
direcrer Besteuerung liegt und sich auch in anderen Staaten geltend mach"!
in diesen aber steht ihm dann wenigstens keine gesetzliche Befreiung gegenüber,
durch welche er erst doppelt fühlbar wird. Ein Tagelöhner zahlt an außer¬
ordentlicher Steuer Thlr. oder bei der seit Jahren stattfindenden dreifachen
Erhebung jährlich Thlr. Dazu hat er, wenn im Domanium wohnhaft,
nach dem Edict vom 4. October 1843 noch l'/°Thlr.. in den Städten noch
IV- Thlr. an ordentlicher und erhöhter Steuer, in beiden Fällen endlich noch
Comunalabgaben zu zahlen, die besonders im Domanium beträchtlich sind. Der
ritterschaftliche Tagelöhner dagegen erlegt außer jenem V- Thlr. gar nichts,
hat auch keine Schlacht-, Mahl-. Brenn- und Brauabgabcn zu tragen, da
solche aus dem Lande gar nicht bestehen. Die Prägravationen der üb¬
rigen Landestheile gegen die Ritterschaft zeigen sich in allen Verhältnissen und
sind, selbst wenn man sie für rechtlich begründet halten dürfte, doch mit den
Anforderungen der Gegenwart an ein gerechtes und zweckmäßiges Abgaben¬
system gewiß nicht in Einklang zu bringen. --

Hier wird nun die Frage Platz finden müssen, ob das Abgabcnsystem W
Mecklenburg sich vielleicht durch die Geringfügigkeit der Erhebungskosten aus¬
zeichne und dadurch einen Theil seiner Last, zunächst die unzureichende Con-
trole. ausgleiche? Auch dies muß entschieden verneint werden; denn es ist M
Erhebung der nachgewiesenen indirecten Steuern in den Landstädten des Groß-
herzogthums Mecklenburg-Schwerin, zur Erhebung einer Totalsumme von ca-
100.000 Thlr.. ein Personal von fast 200 Beamten mit einem jährlichen To-
talgehaltc von fast 43.000 Thlr. erforderlich; ebenso kostet die Erhebung vo"
64.800 Thlr. aus der rostocker Accise jährlich ca. 12.000 Thlr. Die Erhebungs¬
kosten betragen also in den Landstädten fast 27, in Rostock 18.5°/°. während
sie im deutschen Zollvereine sich auf wenig mehr als 5°/" belaufen. -- ^

Wir haben die bestehenden Verhältnisse hier in großen Zügengeschikt'
ohne zu sehr auf das Specielle, welches schon zum großen Theile a. a. ^'


dem Nachtheile zu entgehen, gerade hier der Schmuggel in den Zollverein leb¬
haft betrieben wird, ist allgemein bekannt. Dem Daniederliegen der Industrie
steht nun die bedeutende Auswanderung zur Seite — wahrlich, es ist ein
trauriger Humor, der hier noch von dem „glücklichen Mecklenburg" spricht und
sich freuen kann, daß das Land Fabriken nicht besitze, auch nicht „nöthig
habe!"

Schließlich müssen wir auch die Wirkung der bestehenden Verhältnisse auf
die sehr zahlreiche Classe der um Tagelohn Arbeitenden berücksichtigen. Daß
diese sich gar nicht oder doch nur mit äußerster Mühe aus ihrer Sphäre em-
porarbeiten können, liegt offen auf der Hand. Sie haben aber ferner, auf
den allerkleinsten Detailhandel angewiesen, einen großen Theil der Handels-
steuern allein zu tragen. Es ist dies freilich ein Umstand, der im Wesen in-
direcrer Besteuerung liegt und sich auch in anderen Staaten geltend mach«!
in diesen aber steht ihm dann wenigstens keine gesetzliche Befreiung gegenüber,
durch welche er erst doppelt fühlbar wird. Ein Tagelöhner zahlt an außer¬
ordentlicher Steuer Thlr. oder bei der seit Jahren stattfindenden dreifachen
Erhebung jährlich Thlr. Dazu hat er, wenn im Domanium wohnhaft,
nach dem Edict vom 4. October 1843 noch l'/°Thlr.. in den Städten noch
IV- Thlr. an ordentlicher und erhöhter Steuer, in beiden Fällen endlich noch
Comunalabgaben zu zahlen, die besonders im Domanium beträchtlich sind. Der
ritterschaftliche Tagelöhner dagegen erlegt außer jenem V- Thlr. gar nichts,
hat auch keine Schlacht-, Mahl-. Brenn- und Brauabgabcn zu tragen, da
solche aus dem Lande gar nicht bestehen. Die Prägravationen der üb¬
rigen Landestheile gegen die Ritterschaft zeigen sich in allen Verhältnissen und
sind, selbst wenn man sie für rechtlich begründet halten dürfte, doch mit den
Anforderungen der Gegenwart an ein gerechtes und zweckmäßiges Abgaben¬
system gewiß nicht in Einklang zu bringen. —

Hier wird nun die Frage Platz finden müssen, ob das Abgabcnsystem W
Mecklenburg sich vielleicht durch die Geringfügigkeit der Erhebungskosten aus¬
zeichne und dadurch einen Theil seiner Last, zunächst die unzureichende Con-
trole. ausgleiche? Auch dies muß entschieden verneint werden; denn es ist M
Erhebung der nachgewiesenen indirecten Steuern in den Landstädten des Groß-
herzogthums Mecklenburg-Schwerin, zur Erhebung einer Totalsumme von ca-
100.000 Thlr.. ein Personal von fast 200 Beamten mit einem jährlichen To-
talgehaltc von fast 43.000 Thlr. erforderlich; ebenso kostet die Erhebung vo«
64.800 Thlr. aus der rostocker Accise jährlich ca. 12.000 Thlr. Die Erhebungs¬
kosten betragen also in den Landstädten fast 27, in Rostock 18.5°/°. während
sie im deutschen Zollvereine sich auf wenig mehr als 5°/„ belaufen. — ^

Wir haben die bestehenden Verhältnisse hier in großen Zügengeschikt'
ohne zu sehr auf das Specielle, welches schon zum großen Theile a. a. ^'


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[0224] dem Nachtheile zu entgehen, gerade hier der Schmuggel in den Zollverein leb¬ haft betrieben wird, ist allgemein bekannt. Dem Daniederliegen der Industrie steht nun die bedeutende Auswanderung zur Seite — wahrlich, es ist ein trauriger Humor, der hier noch von dem „glücklichen Mecklenburg" spricht und sich freuen kann, daß das Land Fabriken nicht besitze, auch nicht „nöthig habe!" Schließlich müssen wir auch die Wirkung der bestehenden Verhältnisse auf die sehr zahlreiche Classe der um Tagelohn Arbeitenden berücksichtigen. Daß diese sich gar nicht oder doch nur mit äußerster Mühe aus ihrer Sphäre em- porarbeiten können, liegt offen auf der Hand. Sie haben aber ferner, auf den allerkleinsten Detailhandel angewiesen, einen großen Theil der Handels- steuern allein zu tragen. Es ist dies freilich ein Umstand, der im Wesen in- direcrer Besteuerung liegt und sich auch in anderen Staaten geltend mach«! in diesen aber steht ihm dann wenigstens keine gesetzliche Befreiung gegenüber, durch welche er erst doppelt fühlbar wird. Ein Tagelöhner zahlt an außer¬ ordentlicher Steuer Thlr. oder bei der seit Jahren stattfindenden dreifachen Erhebung jährlich Thlr. Dazu hat er, wenn im Domanium wohnhaft, nach dem Edict vom 4. October 1843 noch l'/°Thlr.. in den Städten noch IV- Thlr. an ordentlicher und erhöhter Steuer, in beiden Fällen endlich noch Comunalabgaben zu zahlen, die besonders im Domanium beträchtlich sind. Der ritterschaftliche Tagelöhner dagegen erlegt außer jenem V- Thlr. gar nichts, hat auch keine Schlacht-, Mahl-. Brenn- und Brauabgabcn zu tragen, da solche aus dem Lande gar nicht bestehen. Die Prägravationen der üb¬ rigen Landestheile gegen die Ritterschaft zeigen sich in allen Verhältnissen und sind, selbst wenn man sie für rechtlich begründet halten dürfte, doch mit den Anforderungen der Gegenwart an ein gerechtes und zweckmäßiges Abgaben¬ system gewiß nicht in Einklang zu bringen. — Hier wird nun die Frage Platz finden müssen, ob das Abgabcnsystem W Mecklenburg sich vielleicht durch die Geringfügigkeit der Erhebungskosten aus¬ zeichne und dadurch einen Theil seiner Last, zunächst die unzureichende Con- trole. ausgleiche? Auch dies muß entschieden verneint werden; denn es ist M Erhebung der nachgewiesenen indirecten Steuern in den Landstädten des Groß- herzogthums Mecklenburg-Schwerin, zur Erhebung einer Totalsumme von ca- 100.000 Thlr.. ein Personal von fast 200 Beamten mit einem jährlichen To- talgehaltc von fast 43.000 Thlr. erforderlich; ebenso kostet die Erhebung vo« 64.800 Thlr. aus der rostocker Accise jährlich ca. 12.000 Thlr. Die Erhebungs¬ kosten betragen also in den Landstädten fast 27, in Rostock 18.5°/°. während sie im deutschen Zollvereine sich auf wenig mehr als 5°/„ belaufen. — ^ Wir haben die bestehenden Verhältnisse hier in großen Zügengeschikt' ohne zu sehr auf das Specielle, welches schon zum großen Theile a. a. ^'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/224>, abgerufen am 29.06.2024.