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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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man Preußen gar nicht verargen kann und die zweifelsohne ins Leben treten
wird, wenn Mecklenburg bei einer Reorganisation des Zollvereins (1866) sei'
neu Beitritt hartnäckig verweigert um seiner Rhederei eine Wunde zu schla¬
gen, deren Heilung gar nicht zu ersehen ist.

Unendlich besser wäre es für sie gewesen, wenn der einheimische Handel
durch Beseitigung seiner Beschränkungen allmnlig gehoben worden wäre; jetzt ist
es dazu schon sehr spät, da der Handel sich seit längerer Zeit andere Wege ge¬
sucht hat, die er bekanntlich nur langsam verläßt. Uebrigens werden die See¬
städte auch in Zukunft wol hauptsächlich die Anfuhr nordischer Producte und
dessen, was die Schiffe als Rückfracht aus England importiren, besonders
Salz. Steinkohlen u. s. w. zu vermitteln haben. Sie könnten aber zugleich
für das nordwestliche Deutschland und weiter über Hamburg diese Zufuhr
und die Durchfuhr nordischer Producte durch Mecklenburg leiten. Ob sich dies
aber, wie jetzt vielfach behauptet wird, durch bloße Modifikation der hiesige"
Abgaben und vor dem Beitritt Mecklenburgs zum Zollvereine realisiren
läßt, ist uns sehr zweifelhaft. Durch den Beitritt hingegen würde dem Tran-
sito jener Producte sicherlich auch die Straße von Skandinavien und Ostrußland
über Rostock oder Wismar auf Magdeburg und Leipzig nach Süddeutschland
eröffnet werden, weil sie die geradeste und natürlichste ist; anderenfalls bleibt
sie größtentheils verschlossen und der Handel den preußischen Häfen gewahrt'
Wie dem aber auch sei, ein Transitohandel von der Bedeutung, daß er die
Rhederei beschäftigt, ist für Mecklenburg nur dann möglich, wenn die ihn
hemmenden Zollschranken fallen und dies führt uns wieder zur Betrachtung
der letzteren. Außer den vielfachen Binnen- (23 Haupt- und 32 Neben-) Zöllen,
welche die Freiheit des Verkehrs mit dem fremden Kaufmanne belästigen, ver¬
theuern die Ein- und Ausfuhrabgaben, welche auch vom Transtto erhöbe"
werden, die Waaren und zwingen den Kaufmann, ihren anderweitigen Bezug
zu suchen. Der Transits ist ein Verkehr, welcher unter Belästigungen nicht
gedeiht; ein Austausch von Waaren gegen Waaren, seltener von Geld geg^'
Waaren, kann er nicht Im- und Exportabgaben zugleich tragen, viel weniger
noch die Binnenzölle und sonstige Belästigungen des internen Verkehrs. Les'
lere müssen gänzlich, die nothwendigen Abgaben möglichst aufgehoben, d^
Erhebung erleichtert, zollfreie, unter Verschluß gelegte Entrepots gestattet, d>e
Steuerzahlung dem Kaufmann in dem Maaße, wie die Waaren in den
lehr übergehen, ermöglicht sein. Von allem diesem leistet das bestehe'^
Abgabensystem nichts; ein lebhafter Transits ist dem mecklenburgischen Gu'l>
Händler unmöglich, die Beschäftigung der Rhederei für das eigene Land ron'
immer unbedeutender, der Verkehr mit Hamburg dagegen nimmt in hot)e^
Grade zu -- wir dürften wol sagen, daß die commercielle Bedeutung
hiesigen Seestädte leidet, der Handel überall bedrückt ist. Die Folge davo"


man Preußen gar nicht verargen kann und die zweifelsohne ins Leben treten
wird, wenn Mecklenburg bei einer Reorganisation des Zollvereins (1866) sei'
neu Beitritt hartnäckig verweigert um seiner Rhederei eine Wunde zu schla¬
gen, deren Heilung gar nicht zu ersehen ist.

Unendlich besser wäre es für sie gewesen, wenn der einheimische Handel
durch Beseitigung seiner Beschränkungen allmnlig gehoben worden wäre; jetzt ist
es dazu schon sehr spät, da der Handel sich seit längerer Zeit andere Wege ge¬
sucht hat, die er bekanntlich nur langsam verläßt. Uebrigens werden die See¬
städte auch in Zukunft wol hauptsächlich die Anfuhr nordischer Producte und
dessen, was die Schiffe als Rückfracht aus England importiren, besonders
Salz. Steinkohlen u. s. w. zu vermitteln haben. Sie könnten aber zugleich
für das nordwestliche Deutschland und weiter über Hamburg diese Zufuhr
und die Durchfuhr nordischer Producte durch Mecklenburg leiten. Ob sich dies
aber, wie jetzt vielfach behauptet wird, durch bloße Modifikation der hiesige»
Abgaben und vor dem Beitritt Mecklenburgs zum Zollvereine realisiren
läßt, ist uns sehr zweifelhaft. Durch den Beitritt hingegen würde dem Tran-
sito jener Producte sicherlich auch die Straße von Skandinavien und Ostrußland
über Rostock oder Wismar auf Magdeburg und Leipzig nach Süddeutschland
eröffnet werden, weil sie die geradeste und natürlichste ist; anderenfalls bleibt
sie größtentheils verschlossen und der Handel den preußischen Häfen gewahrt'
Wie dem aber auch sei, ein Transitohandel von der Bedeutung, daß er die
Rhederei beschäftigt, ist für Mecklenburg nur dann möglich, wenn die ihn
hemmenden Zollschranken fallen und dies führt uns wieder zur Betrachtung
der letzteren. Außer den vielfachen Binnen- (23 Haupt- und 32 Neben-) Zöllen,
welche die Freiheit des Verkehrs mit dem fremden Kaufmanne belästigen, ver¬
theuern die Ein- und Ausfuhrabgaben, welche auch vom Transtto erhöbe"
werden, die Waaren und zwingen den Kaufmann, ihren anderweitigen Bezug
zu suchen. Der Transits ist ein Verkehr, welcher unter Belästigungen nicht
gedeiht; ein Austausch von Waaren gegen Waaren, seltener von Geld geg^'
Waaren, kann er nicht Im- und Exportabgaben zugleich tragen, viel weniger
noch die Binnenzölle und sonstige Belästigungen des internen Verkehrs. Les'
lere müssen gänzlich, die nothwendigen Abgaben möglichst aufgehoben, d^
Erhebung erleichtert, zollfreie, unter Verschluß gelegte Entrepots gestattet, d>e
Steuerzahlung dem Kaufmann in dem Maaße, wie die Waaren in den
lehr übergehen, ermöglicht sein. Von allem diesem leistet das bestehe'^
Abgabensystem nichts; ein lebhafter Transits ist dem mecklenburgischen Gu'l>
Händler unmöglich, die Beschäftigung der Rhederei für das eigene Land ron'
immer unbedeutender, der Verkehr mit Hamburg dagegen nimmt in hot)e^
Grade zu — wir dürften wol sagen, daß die commercielle Bedeutung
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/220>, abgerufen am 29.06.2024.