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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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mittelbar dazu aufgefordert. Eben war (30. Märj 1845) Ronge excommunicirt;
zugleich handelte es sich um einen Kämpf gegen die Branntweinpest in Overschlesicn;
der neue Bischof kam mitten in eine streitende Kirche, und wurde nicht selten von Sorge
niedergedrückt. Alte Sehnsucht kam über ihn; seinen Freund Förster entließ er regel¬
mäßig mit den Worten: möchte diese Nacht meine letzte sein! -- Eifrig für das Leben der
katholischen Kirche, entschlossen ihren Gegnern gegenüber, blieb er doch immer der
geistvolle Mann, der sür seine Dogmen gebildete, ja weltliche Gesichtspunkte zu finden
wußte. -- Im Nov. 1850 wurde er Cardinal; als einige Zeit daraus der Anfall
eines wüthenden Ochsen sein Leben in Gefahr brachte, schrieb ihm der König: "El
el! Herr Cardinal! Sie haben doch nicht etwa Ihren Purpur irgendwo durchblicke"
lassen; das Geschlecht Ihres Gegners verträgt ihn nicht." "Der Purpur, erwiederte
dieser, war ganz und gar aus dem Spiele, aber jenes Geschlecht vertrüge auch die
schwarzen Röcke nicht." -- Im Januar 1853 starb er, von den Seinigen hochgeach¬
tet und hochgelicbt.

Die Arme-Liese. Schauspiel in 5 A. von Hermann Hersch. Frank¬
furt a. M., Sauerländcr. -- Das Stück hat auf den Bühnen entschiednes Glück
gemacht, weil es zwei dankbare Virtuose" enthält: den alten Dessauer als jugend¬
lichen Enthusiasten und eine geborne Marketenderin als Fürstcnbrcmt. Die Probe
der ruhigen Lectüre hält es nicht aus: der Spaß wird durch sentimentale und mo¬
ralische Anwendungen verkümmert, und wenn man sich diese Ehe als wirklich voll¬
zogen denkt, so muß man den Kopf schütteln, auch wenn man zu keinem Hof
gehört. -- -- t

Von Rüstows neuer Schrift "Der italienische Krieg" ist die zweite Ab¬
theilung erschienen, welche die Ereignisse des letzten Kriegs in Oberitalien bis zuo
Rückzug der Oestreicher hinter den Mincio verfolgt. Der Schluß des Werkes soll in
wenigen Tagen die Presse verlassen. -- Von Lorcks "Zeithcftcn" liegt uns das
neunte vor, welches eine Abhandlung über die westslawischen Völker, ihre Stellung
in Europa und ihre Bestrebungen enthält, die lesenswert!) ist. Wenn der Verfasse
die Zahl der Sorbcnwendcn im Königreich Sachsen zu 60,000 annimmt, so ist das
viel zu hoch gegriffen, man müßte dann Dörfer mit rechnen, die seit vielen Jahrzehnten
nicht mehr Wendisch sprechen. -- Auch von dem in gleichem Verlag erscheinenden
biographischen Lexikon "Männer der Zeit" ist eine neue Lieferung ausgegeben
-- u -- worden.




Notiz.

Zu dem, was im ersten Artikel über Wcmgeroge in Betreff der sogenannten
goldnen Linie gesagt ist, wird uns bemerkt: "Die goldne Linie ist nicht ein Küste"-
punkt, befindet sich auch nicht unmittelbar bei der ostfriesischen, also hannoverschen
Friedrichsschleußc, sondern ist der Grcnzgraben zwischen Ostfriesland und JevcrlaN,
welchen man trifft, wenn man von Friedrichsschleußc oder Carolinensicl ein SW
Wegs nach Osten geht." ________-




Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch Verlag von F. L. H
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

mittelbar dazu aufgefordert. Eben war (30. Märj 1845) Ronge excommunicirt;
zugleich handelte es sich um einen Kämpf gegen die Branntweinpest in Overschlesicn;
der neue Bischof kam mitten in eine streitende Kirche, und wurde nicht selten von Sorge
niedergedrückt. Alte Sehnsucht kam über ihn; seinen Freund Förster entließ er regel¬
mäßig mit den Worten: möchte diese Nacht meine letzte sein! — Eifrig für das Leben der
katholischen Kirche, entschlossen ihren Gegnern gegenüber, blieb er doch immer der
geistvolle Mann, der sür seine Dogmen gebildete, ja weltliche Gesichtspunkte zu finden
wußte. — Im Nov. 1850 wurde er Cardinal; als einige Zeit daraus der Anfall
eines wüthenden Ochsen sein Leben in Gefahr brachte, schrieb ihm der König: „El
el! Herr Cardinal! Sie haben doch nicht etwa Ihren Purpur irgendwo durchblicke»
lassen; das Geschlecht Ihres Gegners verträgt ihn nicht." „Der Purpur, erwiederte
dieser, war ganz und gar aus dem Spiele, aber jenes Geschlecht vertrüge auch die
schwarzen Röcke nicht." — Im Januar 1853 starb er, von den Seinigen hochgeach¬
tet und hochgelicbt.

Die Arme-Liese. Schauspiel in 5 A. von Hermann Hersch. Frank¬
furt a. M., Sauerländcr. — Das Stück hat auf den Bühnen entschiednes Glück
gemacht, weil es zwei dankbare Virtuose» enthält: den alten Dessauer als jugend¬
lichen Enthusiasten und eine geborne Marketenderin als Fürstcnbrcmt. Die Probe
der ruhigen Lectüre hält es nicht aus: der Spaß wird durch sentimentale und mo¬
ralische Anwendungen verkümmert, und wenn man sich diese Ehe als wirklich voll¬
zogen denkt, so muß man den Kopf schütteln, auch wenn man zu keinem Hof
gehört. — — t

Von Rüstows neuer Schrift „Der italienische Krieg" ist die zweite Ab¬
theilung erschienen, welche die Ereignisse des letzten Kriegs in Oberitalien bis zuo
Rückzug der Oestreicher hinter den Mincio verfolgt. Der Schluß des Werkes soll in
wenigen Tagen die Presse verlassen. — Von Lorcks „Zeithcftcn" liegt uns das
neunte vor, welches eine Abhandlung über die westslawischen Völker, ihre Stellung
in Europa und ihre Bestrebungen enthält, die lesenswert!) ist. Wenn der Verfasse
die Zahl der Sorbcnwendcn im Königreich Sachsen zu 60,000 annimmt, so ist das
viel zu hoch gegriffen, man müßte dann Dörfer mit rechnen, die seit vielen Jahrzehnten
nicht mehr Wendisch sprechen. — Auch von dem in gleichem Verlag erscheinenden
biographischen Lexikon „Männer der Zeit" ist eine neue Lieferung ausgegeben
— u — worden.




Notiz.

Zu dem, was im ersten Artikel über Wcmgeroge in Betreff der sogenannten
goldnen Linie gesagt ist, wird uns bemerkt: „Die goldne Linie ist nicht ein Küste"-
punkt, befindet sich auch nicht unmittelbar bei der ostfriesischen, also hannoverschen
Friedrichsschleußc, sondern ist der Grcnzgraben zwischen Ostfriesland und JevcrlaN,
welchen man trifft, wenn man von Friedrichsschleußc oder Carolinensicl ein SW
Wegs nach Osten geht." ________-




Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch Verlag von F. L. H
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/172>, abgerufen am 18.06.2024.