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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Bürgern und Bürgern, zwischen Katholiken und Protestanten wurde aufgehoben.
Appin erhielt den Titel eines Municipaloffiziers und die Nationalgarde des
Thales Luzern leistete in Tour den Eid der Treue. Selbst der Erzbischof
von Turin, obgleich er die kirchlichen Zehnten eingebüßt hatte, empfahl Ord¬
nung und Toleranz.

Nachdem Piemont 1799 in Departements eingetheilt worden und die
Waldenserthäler zum Pvdepartement geschlagen worden waren, wurde die Ver¬
waltung desselben einer Centralcommission untergeben, in welche Geymet. der
Moderator der Waldcnsertafel, gewählt wurde. Später wurde er zum Unter-
präfecten in Pignerol ernannt.

Seit die Waldenser französische Unterthanen geworden waren, erhielten
sie von England aus keine Unterstützung zur Besoldung ihrer Prediger mehr,
und daher geriethen diese in die größte Noth, so daß die Gemeindemitglieder.
die bei der großen damals herrschenden Theurung selbst kaum zu leben hatten,
für sie Nahrungsmittel erbetteln mußten. Die Executivgewalt Piemonts ver¬
minderte daher in wohlwollender Absicht (aber in der Folge zeigte sich das
Verderbliche derselben) die katholischen Pfarreien in den Thälern der Waldenser
von 28 auf >Z und wies das Einkommen den Waldensern zu.

Als Napoleon nach Mailand ging, um die eiserne Krone auf sein Haupt
zu setzen, empfing er in Turin auch eine Deputation der Waldensertafel. "Sind
Sie einer der protestantischen Geistlichen dieses Landes?" fragte Napoleon den
Wortführer derselben, Peyron, der um die Stelle Geymets getreten war. --
Ja, Sire, ich bin Moderator der Waidenserkirche. -- "Gehören Sie unter die
Schismatiker der römischen Kirche?" -- Nein, wir sind keine Schismatiker,
sondern wir bilden eine abgesonderte Kirche. --

Darauf änderte Napoleon schnell, wie von einer plötzlichen Erinnerung
ergriffen, den Gegenstand der Unterhaltung und fragte: "Hat es nicht unter
Ihnen tapfre Männer gegeben?" -- Ja, Sire, den Pastor und Obersten Ar-
naud, welcher unsere Väter wieder in ihre Heimath geführt hat. -- "Ihre
Berge sind die besten Vertheidiger, die Sie nur haben können. Cäsar gelang
es nur mit Mühe, sie zu übersteigen. Ist. was man über Arnauds Rückkehr
berichtet, alles wahr?" Ja, Sire, aber wir glauben fast, daß unser Volk von
der göttlichen Vorsehung beschützt worden ist. -- "Seit wann bilden Sie eine
unabhängige Kirche?" -- Seit Claudius, Bischof von Turin, gegen das Jahr
820. -- "Welche Besoldung empfangen Ihre Geistlichen?" -- Wir haben
gegenwärtig gar keine feste Besoldung. -- "Empfingen Sie nicht eine Pension
von England?" Ja, Sire. die Könige von England sind stets bis auf die
neuesten Zeiten unsre Beschützer und Wohlthäter gewesen. -- "Und jetzt?" --
Die Unterstützung hat. seit wir die Unterthanen Ew. Majestät sind, aufgehört. --
.Ist für Sie nicht die Organisation eingetreten?" -- Nein Sire. - "Reichen


Bürgern und Bürgern, zwischen Katholiken und Protestanten wurde aufgehoben.
Appin erhielt den Titel eines Municipaloffiziers und die Nationalgarde des
Thales Luzern leistete in Tour den Eid der Treue. Selbst der Erzbischof
von Turin, obgleich er die kirchlichen Zehnten eingebüßt hatte, empfahl Ord¬
nung und Toleranz.

Nachdem Piemont 1799 in Departements eingetheilt worden und die
Waldenserthäler zum Pvdepartement geschlagen worden waren, wurde die Ver¬
waltung desselben einer Centralcommission untergeben, in welche Geymet. der
Moderator der Waldcnsertafel, gewählt wurde. Später wurde er zum Unter-
präfecten in Pignerol ernannt.

Seit die Waldenser französische Unterthanen geworden waren, erhielten
sie von England aus keine Unterstützung zur Besoldung ihrer Prediger mehr,
und daher geriethen diese in die größte Noth, so daß die Gemeindemitglieder.
die bei der großen damals herrschenden Theurung selbst kaum zu leben hatten,
für sie Nahrungsmittel erbetteln mußten. Die Executivgewalt Piemonts ver¬
minderte daher in wohlwollender Absicht (aber in der Folge zeigte sich das
Verderbliche derselben) die katholischen Pfarreien in den Thälern der Waldenser
von 28 auf >Z und wies das Einkommen den Waldensern zu.

Als Napoleon nach Mailand ging, um die eiserne Krone auf sein Haupt
zu setzen, empfing er in Turin auch eine Deputation der Waldensertafel. „Sind
Sie einer der protestantischen Geistlichen dieses Landes?" fragte Napoleon den
Wortführer derselben, Peyron, der um die Stelle Geymets getreten war. —
Ja, Sire, ich bin Moderator der Waidenserkirche. — „Gehören Sie unter die
Schismatiker der römischen Kirche?" — Nein, wir sind keine Schismatiker,
sondern wir bilden eine abgesonderte Kirche. —

Darauf änderte Napoleon schnell, wie von einer plötzlichen Erinnerung
ergriffen, den Gegenstand der Unterhaltung und fragte: „Hat es nicht unter
Ihnen tapfre Männer gegeben?" — Ja, Sire, den Pastor und Obersten Ar-
naud, welcher unsere Väter wieder in ihre Heimath geführt hat. — „Ihre
Berge sind die besten Vertheidiger, die Sie nur haben können. Cäsar gelang
es nur mit Mühe, sie zu übersteigen. Ist. was man über Arnauds Rückkehr
berichtet, alles wahr?" Ja, Sire, aber wir glauben fast, daß unser Volk von
der göttlichen Vorsehung beschützt worden ist. — „Seit wann bilden Sie eine
unabhängige Kirche?" — Seit Claudius, Bischof von Turin, gegen das Jahr
820. — „Welche Besoldung empfangen Ihre Geistlichen?" — Wir haben
gegenwärtig gar keine feste Besoldung. — „Empfingen Sie nicht eine Pension
von England?" Ja, Sire. die Könige von England sind stets bis auf die
neuesten Zeiten unsre Beschützer und Wohlthäter gewesen. — „Und jetzt?" —
Die Unterstützung hat. seit wir die Unterthanen Ew. Majestät sind, aufgehört. —
.Ist für Sie nicht die Organisation eingetreten?" — Nein Sire. - „Reichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/17>, abgerufen am 29.06.2024.