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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Es gereicht mir zum besondern Vergnügen, die Versicherung geben zu
können, daß ich in dem ganzen Territorium nicht mehr als drei Deutsche traf,
die in die Gemeinschaft der Heiligen der jüngsten Tage eingetreten waren, und
von dem einen darf ich behaupten, daß sein Glaube nicht auf einen Fels
gebaut war. Der vornehmste dieser drei Würdigen war ein verkommener
Student, der aus Noth das Buch der Mormonen ins Deutsche übersetzt und
dem Missionär, für den er es bearbeitet hatte, von Hamburg aus nach Utah
gefolgt war. Er war Stadtingenieur in Provo, der zweiten Stadt dem
Range nach, und wartete mit Ungeduld, daß ihm der heilige Geist die Lehre
von der Congruenz und der Aehnlichkeit der Dreiecke offenbare, da ihm ohne
deren Kenntniß sein Geschäft sehr sauer wurde. Der zweite Landsmann war
ein Barbier, der die Bärte aller Nationen nach ihrer Bekehrung zu scheeren
hoffte, und einstweilen den hohen Preis der Bartseife beklagend in der großen
Stadt etwas Doctorei trieb. Der dritte war ein gewöhnlicher Mensch.

Wenn ich in der vorliegenden Schilderung den Heiligen der jüngsten Tage
irgend Unrecht gethan hätte, so würde ich dies um so mehr beklagen, als ich
die Schilderung mit einer großen Ungezogenheit gegen die Frauen in Utah
fließen muß. Ich nehme dieses Vergehen aus mich im Interesse und zum
Troste derjenigen meiner Landsleute, welche auf die Vorrechte der Heiligen mit
stillem Neid und vielleicht geheimen Wünschen blicken möchten. -- In dem
ganzen Thal habe ich kein auch nur annähernd schönes Weib gesehen. .




Preußen und der Kongreß.

So voreilig es wäre, in dem labyrinthischen Gang der Diplomatie irgend ein
l°steh Gesetz entdecken zu wollen, so sind diesmal die Symptome, die für das Zu¬
standekommen eines europäischen Kongresses sprechen, zu stark, als daß man sich
durch die Warnung des Kaisers Napoleon an die Italiener: sie möchten sich von
°>Nein solchen Kongreß nicht viel versprechen, -- irremachen lassen sollte. Seit-
^ ist das Verhältniß in der That. Der Kongreß kann doch nur von den beiden
Wegführenden Mächten: Oestreich und Frankreich, einberufen werden; von diesen ist
, Östreich entschieden gegen einen Kongreß überhaupt, und der Kaiser Napoleon, sonst
^ ^gemeinen so sehr für Kongresse eingenommen, äußert erhebliche Bedenken.
^ drei andern Großmächte vollends scheinen nur mit äußerstem Sträuben einem


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Es gereicht mir zum besondern Vergnügen, die Versicherung geben zu
können, daß ich in dem ganzen Territorium nicht mehr als drei Deutsche traf,
die in die Gemeinschaft der Heiligen der jüngsten Tage eingetreten waren, und
von dem einen darf ich behaupten, daß sein Glaube nicht auf einen Fels
gebaut war. Der vornehmste dieser drei Würdigen war ein verkommener
Student, der aus Noth das Buch der Mormonen ins Deutsche übersetzt und
dem Missionär, für den er es bearbeitet hatte, von Hamburg aus nach Utah
gefolgt war. Er war Stadtingenieur in Provo, der zweiten Stadt dem
Range nach, und wartete mit Ungeduld, daß ihm der heilige Geist die Lehre
von der Congruenz und der Aehnlichkeit der Dreiecke offenbare, da ihm ohne
deren Kenntniß sein Geschäft sehr sauer wurde. Der zweite Landsmann war
ein Barbier, der die Bärte aller Nationen nach ihrer Bekehrung zu scheeren
hoffte, und einstweilen den hohen Preis der Bartseife beklagend in der großen
Stadt etwas Doctorei trieb. Der dritte war ein gewöhnlicher Mensch.

Wenn ich in der vorliegenden Schilderung den Heiligen der jüngsten Tage
irgend Unrecht gethan hätte, so würde ich dies um so mehr beklagen, als ich
die Schilderung mit einer großen Ungezogenheit gegen die Frauen in Utah
fließen muß. Ich nehme dieses Vergehen aus mich im Interesse und zum
Troste derjenigen meiner Landsleute, welche auf die Vorrechte der Heiligen mit
stillem Neid und vielleicht geheimen Wünschen blicken möchten. — In dem
ganzen Thal habe ich kein auch nur annähernd schönes Weib gesehen. .




Preußen und der Kongreß.

So voreilig es wäre, in dem labyrinthischen Gang der Diplomatie irgend ein
l°steh Gesetz entdecken zu wollen, so sind diesmal die Symptome, die für das Zu¬
standekommen eines europäischen Kongresses sprechen, zu stark, als daß man sich
durch die Warnung des Kaisers Napoleon an die Italiener: sie möchten sich von
°>Nein solchen Kongreß nicht viel versprechen, — irremachen lassen sollte. Seit-
^ ist das Verhältniß in der That. Der Kongreß kann doch nur von den beiden
Wegführenden Mächten: Oestreich und Frankreich, einberufen werden; von diesen ist
, Östreich entschieden gegen einen Kongreß überhaupt, und der Kaiser Napoleon, sonst
^ ^gemeinen so sehr für Kongresse eingenommen, äußert erhebliche Bedenken.
^ drei andern Großmächte vollends scheinen nur mit äußerstem Sträuben einem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/167>, abgerufen am 24.08.2024.