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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Deutsch, Französisch und Spanisch, oder irgend eine von den bekannten neuern
oder alten Sprachen niemals zur Anwendung kommen und vom heiligen
Geist der Mormonen verschmäht werden, geben auch die Gelehrtesten unter
den Mormonen zu.

Wenn man sieht, was die Mormonen aus ihrem Land gemacht, seitdem
sie es in Besitz genommen haben, so kann man ihrem Fleiß und ihrer Aus¬
dauer ein Lob nicht versagen, aber die Bewunderung, die sie sich selbst zollen,
haben sie nicht verdient; und wenn man das Werk vergleicht mit dem, was
in Kalifornien in kürzerer Zeit durch die Uebcrlandemigration geschehen ist, so
erscheint es winzig, selbst dann noch, wenn man alle Unterschiede in Rechnung
bringt. Wer den Schilderungen der Mormonen nicht als Uebertreibungen
und absichtlichen Lügen mißtraut, der muß, wenn er sie liest, zur Ueberzeugung
kommen, das Jordanthal wäre ein Paradies, in dem sich Wunder auf Wun¬
der drängt. Wenn man von großartigen Nationalwerkstätten liest, in denen
jeder so lange Beschäftigung findet, bis er sich selbstständig machen kann, so
hat man sich einige Schuppen zu denken, in denen einige Hobelbänke, einige
Circularsägen und einige Schraubstocke und Drehbänke stehen, alles in ziem¬
lich fötalem Zustand, und an denen, so viel ich sehen konnte, nicht ein Dutzend
Manschen arbeiten; die Werkstätten scheinen sich selbst unter den Heiligen keines
großen Credits zu erfreuen. Aehnlich verhält es sich mit ihren höhern Bildungs-
anstalten, sie existiren nur in der Idee; das Schulwesen ist in Utah noch nicht
über die Elementarstufe hinausgekommen, was auch ganz begreiflich und in der
Ordnung ist. Auch ihre große Baumwollspinnerei ist eine Chimäre. In einem
Dachzimmer des Statehouse bewahren die Mormonen einige kostbare In¬
strumente, deren Gebrauch sie mir für die Zeit unseres Aufenthaltes in Galt-
Lake City anboten, da sie noch niemanden unter sich hätten, der Gebrauch davon
zu machen verstände. Cs war ein vortreffliches Roß'sches Mikroskop neuester Con-
stmctio" darunter, und das Erstaunen einiger Schriftgelehrten über die reelleren
Wunder, die ihnen das kleine Instrument offenbarte, als ich ihnen einige Objecte
unter die Augen brachte, war nicht gering. Sie besaßen nicht Wlemger als
sechs Barometer für Hdhenmessungen von dem bekannten englischen Mens"'
niker Troughton, aber alle hatten Luft in die Leere bekommen, oder waren
durch unverständigen Transport sonst schadhaft geworden; nicht ein einzig^
war brauchbar. Eim chemischer Apparat in Form eines großen Reagenzkastens
war ebenfalls vorhanden, ebenso ein Teleskop und kleinere Meßinstrumente-
Ein Theil der Bibliothek, für deren Anschaffung der Kongreß früher 5ovo
Dollars bewilligt hatte, und in welcher neben den großen englischen 'Ency¬
klopädien die Rechtswissenschaft ziemlich gut repräsentirt war, ist vor kurzem
in Feuer aufgegangen, und zwar wie man behauptet unter Vorwissen ter Be¬
hörden der Mormonen, denen namentlich die Rechtswissenschaft unbequem war-


Deutsch, Französisch und Spanisch, oder irgend eine von den bekannten neuern
oder alten Sprachen niemals zur Anwendung kommen und vom heiligen
Geist der Mormonen verschmäht werden, geben auch die Gelehrtesten unter
den Mormonen zu.

Wenn man sieht, was die Mormonen aus ihrem Land gemacht, seitdem
sie es in Besitz genommen haben, so kann man ihrem Fleiß und ihrer Aus¬
dauer ein Lob nicht versagen, aber die Bewunderung, die sie sich selbst zollen,
haben sie nicht verdient; und wenn man das Werk vergleicht mit dem, was
in Kalifornien in kürzerer Zeit durch die Uebcrlandemigration geschehen ist, so
erscheint es winzig, selbst dann noch, wenn man alle Unterschiede in Rechnung
bringt. Wer den Schilderungen der Mormonen nicht als Uebertreibungen
und absichtlichen Lügen mißtraut, der muß, wenn er sie liest, zur Ueberzeugung
kommen, das Jordanthal wäre ein Paradies, in dem sich Wunder auf Wun¬
der drängt. Wenn man von großartigen Nationalwerkstätten liest, in denen
jeder so lange Beschäftigung findet, bis er sich selbstständig machen kann, so
hat man sich einige Schuppen zu denken, in denen einige Hobelbänke, einige
Circularsägen und einige Schraubstocke und Drehbänke stehen, alles in ziem¬
lich fötalem Zustand, und an denen, so viel ich sehen konnte, nicht ein Dutzend
Manschen arbeiten; die Werkstätten scheinen sich selbst unter den Heiligen keines
großen Credits zu erfreuen. Aehnlich verhält es sich mit ihren höhern Bildungs-
anstalten, sie existiren nur in der Idee; das Schulwesen ist in Utah noch nicht
über die Elementarstufe hinausgekommen, was auch ganz begreiflich und in der
Ordnung ist. Auch ihre große Baumwollspinnerei ist eine Chimäre. In einem
Dachzimmer des Statehouse bewahren die Mormonen einige kostbare In¬
strumente, deren Gebrauch sie mir für die Zeit unseres Aufenthaltes in Galt-
Lake City anboten, da sie noch niemanden unter sich hätten, der Gebrauch davon
zu machen verstände. Cs war ein vortreffliches Roß'sches Mikroskop neuester Con-
stmctio« darunter, und das Erstaunen einiger Schriftgelehrten über die reelleren
Wunder, die ihnen das kleine Instrument offenbarte, als ich ihnen einige Objecte
unter die Augen brachte, war nicht gering. Sie besaßen nicht Wlemger als
sechs Barometer für Hdhenmessungen von dem bekannten englischen Mens«'
niker Troughton, aber alle hatten Luft in die Leere bekommen, oder waren
durch unverständigen Transport sonst schadhaft geworden; nicht ein einzig^
war brauchbar. Eim chemischer Apparat in Form eines großen Reagenzkastens
war ebenfalls vorhanden, ebenso ein Teleskop und kleinere Meßinstrumente-
Ein Theil der Bibliothek, für deren Anschaffung der Kongreß früher 5ovo
Dollars bewilligt hatte, und in welcher neben den großen englischen 'Ency¬
klopädien die Rechtswissenschaft ziemlich gut repräsentirt war, ist vor kurzem
in Feuer aufgegangen, und zwar wie man behauptet unter Vorwissen ter Be¬
hörden der Mormonen, denen namentlich die Rechtswissenschaft unbequem war-


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[0166] Deutsch, Französisch und Spanisch, oder irgend eine von den bekannten neuern oder alten Sprachen niemals zur Anwendung kommen und vom heiligen Geist der Mormonen verschmäht werden, geben auch die Gelehrtesten unter den Mormonen zu. Wenn man sieht, was die Mormonen aus ihrem Land gemacht, seitdem sie es in Besitz genommen haben, so kann man ihrem Fleiß und ihrer Aus¬ dauer ein Lob nicht versagen, aber die Bewunderung, die sie sich selbst zollen, haben sie nicht verdient; und wenn man das Werk vergleicht mit dem, was in Kalifornien in kürzerer Zeit durch die Uebcrlandemigration geschehen ist, so erscheint es winzig, selbst dann noch, wenn man alle Unterschiede in Rechnung bringt. Wer den Schilderungen der Mormonen nicht als Uebertreibungen und absichtlichen Lügen mißtraut, der muß, wenn er sie liest, zur Ueberzeugung kommen, das Jordanthal wäre ein Paradies, in dem sich Wunder auf Wun¬ der drängt. Wenn man von großartigen Nationalwerkstätten liest, in denen jeder so lange Beschäftigung findet, bis er sich selbstständig machen kann, so hat man sich einige Schuppen zu denken, in denen einige Hobelbänke, einige Circularsägen und einige Schraubstocke und Drehbänke stehen, alles in ziem¬ lich fötalem Zustand, und an denen, so viel ich sehen konnte, nicht ein Dutzend Manschen arbeiten; die Werkstätten scheinen sich selbst unter den Heiligen keines großen Credits zu erfreuen. Aehnlich verhält es sich mit ihren höhern Bildungs- anstalten, sie existiren nur in der Idee; das Schulwesen ist in Utah noch nicht über die Elementarstufe hinausgekommen, was auch ganz begreiflich und in der Ordnung ist. Auch ihre große Baumwollspinnerei ist eine Chimäre. In einem Dachzimmer des Statehouse bewahren die Mormonen einige kostbare In¬ strumente, deren Gebrauch sie mir für die Zeit unseres Aufenthaltes in Galt- Lake City anboten, da sie noch niemanden unter sich hätten, der Gebrauch davon zu machen verstände. Cs war ein vortreffliches Roß'sches Mikroskop neuester Con- stmctio« darunter, und das Erstaunen einiger Schriftgelehrten über die reelleren Wunder, die ihnen das kleine Instrument offenbarte, als ich ihnen einige Objecte unter die Augen brachte, war nicht gering. Sie besaßen nicht Wlemger als sechs Barometer für Hdhenmessungen von dem bekannten englischen Mens«' niker Troughton, aber alle hatten Luft in die Leere bekommen, oder waren durch unverständigen Transport sonst schadhaft geworden; nicht ein einzig^ war brauchbar. Eim chemischer Apparat in Form eines großen Reagenzkastens war ebenfalls vorhanden, ebenso ein Teleskop und kleinere Meßinstrumente- Ein Theil der Bibliothek, für deren Anschaffung der Kongreß früher 5ovo Dollars bewilligt hatte, und in welcher neben den großen englischen 'Ency¬ klopädien die Rechtswissenschaft ziemlich gut repräsentirt war, ist vor kurzem in Feuer aufgegangen, und zwar wie man behauptet unter Vorwissen ter Be¬ hörden der Mormonen, denen namentlich die Rechtswissenschaft unbequem war-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/166>, abgerufen am 02.10.2024.