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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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daß dieser oder jener, zurückkehrend, in das falsche Fuhrwerk geriet!), was denn
nach Umständen zu heiteren oder ärgerlichen Begrüßungen Veranlassung gab.

Ein Bekannter von mir erlebte einen komischen Auftritt andrer Art. Er
hatte sich zu einer Zeit, wo nicht gebadet wurde, in eine Kutsche gesetzt, um,
wie behauptet wurde, dem großartigen Meer gegenüber, in völliger Abgeschlossen¬
heit an seine Geliebte zu schreiben. Plötzlich aber erfaßte ein heftiger Wind¬
stoß seinen leichten Wagen von hinten mit solcher Gewalt, daß derselbe mit
seinem erschrockenen Insassen wie ein Pfeil in das Meer hineinschoß. Da
kein Badewärter zugegen war, blieb unserm Liebesritter nichts Anderes übrig,
als, seiner schönen Toilette zum Trotz, vor den Augen der lustwandelnder
Badegäste an das Ufer zu waden.

Mitunter geschah es auch, daß, wenn die Wärter besonders beschäftigt
waren, das Zurückziehen der Kutschen zu lang hinausgeschoben wurde. Dies
hatte zur Folge, daß dieselben einsandeten und erst mit der Ebbezeit zurück¬
gebracht werden konnten. Auf buse Weise wurde während meines Aufent¬
halts auf Wanger-Oge eine Dame mitten im Meer festgehalten. Vergebens
war es, daß sie die Klingel der Kutsche erschallen ließ und durch die Brandung
um Rettung rief. Als endlich die Hilfe kam, war es zum Fahren zu spät,
und die Dame mußte von der Badewärterin auf dem Arm durch die Wellen
getragen werden. ^".i-,,.,c>'i ^s.si^ -i,,!

Diese Badeweibcr waren mir eine merkwürdige Erscheinung. Ihre gro¬
ßen, magern, starkknochigen Gestalten, ihr struppiges Haar, die von der be¬
ständigen Arbeit in der Sonne braungeröstete Haut, die nackten, bronzefarbigen
Arme, das zerfetzte, hochaufgeschürzte Kleid, womit sie ins Wasser gehen,
theils um die Kutschen der Damen vor und zurückzuschieben, theils um ihnen
selber nöthigenfalls im Kampfe mit den Wellen beizustehen, dies alles gibt
ihnen ein entschieden hexenartiges Aussehen. Das Baden der kleinen Kinder,
die nur eben untergetaucht werden und natürlich ein entsetzliches Geschrei er¬
heben, gehört ebenfalls zu den Geschäften dieser Weiber auf dem Badestrande
der Damen. Man erzählte uns von einer förmlichen Badeweiberempörung
bei Gelegenheit eines Geschenks, das eine Prinzessin von Preußen zweien die¬
ser Grazien mit Bernsteinschnüren gemacht hatte. Da das Trinkgeld, welches
die Wärter und Wärterinnen üblicherweise nach dem letzten Bade von den
Curgästen erhalten, in eine gemeinsame Kasse fällt, an welcher alle jene Leute
in gleicher Weise Theil haben: so wollten die Weiber auch die beiden Bernstem-
schnüre, die dazu noch silberne Schlösser hatten, Perle um Perle vertheilt
wissen, und geriethen, als die Beschenkten, von ihren handfesten Ehe¬
männern unterstützt, Widerstand erhoben, in förmliche Berserkerwuth. Nur
nach langen Unterhandlungen und mit Hilfe einiger bis an dio Zähne bewaff'
unter "Landdragoner" -- dergleichen für die Badezeit immer nach Wanger-


daß dieser oder jener, zurückkehrend, in das falsche Fuhrwerk geriet!), was denn
nach Umständen zu heiteren oder ärgerlichen Begrüßungen Veranlassung gab.

Ein Bekannter von mir erlebte einen komischen Auftritt andrer Art. Er
hatte sich zu einer Zeit, wo nicht gebadet wurde, in eine Kutsche gesetzt, um,
wie behauptet wurde, dem großartigen Meer gegenüber, in völliger Abgeschlossen¬
heit an seine Geliebte zu schreiben. Plötzlich aber erfaßte ein heftiger Wind¬
stoß seinen leichten Wagen von hinten mit solcher Gewalt, daß derselbe mit
seinem erschrockenen Insassen wie ein Pfeil in das Meer hineinschoß. Da
kein Badewärter zugegen war, blieb unserm Liebesritter nichts Anderes übrig,
als, seiner schönen Toilette zum Trotz, vor den Augen der lustwandelnder
Badegäste an das Ufer zu waden.

Mitunter geschah es auch, daß, wenn die Wärter besonders beschäftigt
waren, das Zurückziehen der Kutschen zu lang hinausgeschoben wurde. Dies
hatte zur Folge, daß dieselben einsandeten und erst mit der Ebbezeit zurück¬
gebracht werden konnten. Auf buse Weise wurde während meines Aufent¬
halts auf Wanger-Oge eine Dame mitten im Meer festgehalten. Vergebens
war es, daß sie die Klingel der Kutsche erschallen ließ und durch die Brandung
um Rettung rief. Als endlich die Hilfe kam, war es zum Fahren zu spät,
und die Dame mußte von der Badewärterin auf dem Arm durch die Wellen
getragen werden. ^„.i-,,.,c>'i ^s.si^ -i,,!

Diese Badeweibcr waren mir eine merkwürdige Erscheinung. Ihre gro¬
ßen, magern, starkknochigen Gestalten, ihr struppiges Haar, die von der be¬
ständigen Arbeit in der Sonne braungeröstete Haut, die nackten, bronzefarbigen
Arme, das zerfetzte, hochaufgeschürzte Kleid, womit sie ins Wasser gehen,
theils um die Kutschen der Damen vor und zurückzuschieben, theils um ihnen
selber nöthigenfalls im Kampfe mit den Wellen beizustehen, dies alles gibt
ihnen ein entschieden hexenartiges Aussehen. Das Baden der kleinen Kinder,
die nur eben untergetaucht werden und natürlich ein entsetzliches Geschrei er¬
heben, gehört ebenfalls zu den Geschäften dieser Weiber auf dem Badestrande
der Damen. Man erzählte uns von einer förmlichen Badeweiberempörung
bei Gelegenheit eines Geschenks, das eine Prinzessin von Preußen zweien die¬
ser Grazien mit Bernsteinschnüren gemacht hatte. Da das Trinkgeld, welches
die Wärter und Wärterinnen üblicherweise nach dem letzten Bade von den
Curgästen erhalten, in eine gemeinsame Kasse fällt, an welcher alle jene Leute
in gleicher Weise Theil haben: so wollten die Weiber auch die beiden Bernstem-
schnüre, die dazu noch silberne Schlösser hatten, Perle um Perle vertheilt
wissen, und geriethen, als die Beschenkten, von ihren handfesten Ehe¬
männern unterstützt, Widerstand erhoben, in förmliche Berserkerwuth. Nur
nach langen Unterhandlungen und mit Hilfe einiger bis an dio Zähne bewaff'
unter „Landdragoner" — dergleichen für die Badezeit immer nach Wanger-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/118>, abgerufen am 25.08.2024.