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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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Die Insel Wanger-Oge.
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Obschon auf Wanger-Oge Schule und Predigt hochdeutsch sind, so konnten
wir uns doch nur mit denjenigen Insulanern verständigen, welche durch einen
häufigeren Verkehr mit den Fremden sich deutlich zu machen gelernt hatten;
denn die Mundart dieser Fischer ist ein friesisches Platt, das von dem Platt
des benachbarten Festlandes wesentlich abweicht. Mit meiner Wirthin, der
Schiffersfrau, konnte ich mich leidlich unterhalten; von den Gesprächen der¬
selben mit ihren Kindern oder Nachbarn war es mir nicht möglich, Zusammen¬
hängendes aufzufassen. Ich gebe hier ein kleines Gespräch mit einem
Wanger-Oger Jungen, das ich mir aufgezeichnet habe, als Probe jener frie¬
sischen Sprache.

Wu hätzst du, Fenth? (Wie heißt du, Junge?)

Tiak.

HM du nochj Alters? (Hast du noch Eltern?)

Il habb no'um Man. Min Puy is vertrunken int Sei, alls hi no
Engellaun fahret is. (Ich habe noch eine Mutter. Mein Vater ist in der
See ertrunken, als er nach England gefahren ist.)

Hätzst du nochj Brors nur Shwesters? (Hast du noch Brüder und
Schwestern?)

Il habb dree Brors nur hwo Shwesters. (Ich habe drei Brüder und
zwei Schwestern.)

Wollt du ok cum Shipper woirn? (Willst du auch ein Schiffer werden?)

Ol, Hür, ik nur min Brors ok. Wi wollt Ki Shippers woirn. (Ja,
Herr, ich und meine Brüder auch. Wir wollen alle Schiffer werden.)

Wär lebbt jun von? (Wovon lebt ihr?)

Min Man is Bodwif; ik, fangh Fish? nur Nbab, nur min Shwesters
sriken Shilkhes. (Meine Mutter,ist ein Badeweib; ich fange Fische und Krebse
(Krabben) und meine Schwestern stricken Netze.)

Ein junges Mädchen nennen die Wanger-Oger Faun, ein Kind Bom,
eine Stube Pissel, einen Schlüssel Kam, einen Löffel Lätz, ein Messer Shaks,
einen Pfannkuchen Ol'stäter. Unter quiddern verstehen sie das Sprechen ihrer
Mundart.

Ein sehr eigenthümliches Idiom hatte sich die Frau des Vogts auf
Wanger-Oge gebildet. Da sie von Geburt eine Engländerin war, und nun
seit einer Reihe von Jahren in Verkehr mit den Insulanern und Badegästen
stand: hatte sie Englisch, Friesisch, Platt- und Hochdeutsch in einen Topf


Die Insel Wanger-Oge.
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I!l:7O.'I^kk-'l

Obschon auf Wanger-Oge Schule und Predigt hochdeutsch sind, so konnten
wir uns doch nur mit denjenigen Insulanern verständigen, welche durch einen
häufigeren Verkehr mit den Fremden sich deutlich zu machen gelernt hatten;
denn die Mundart dieser Fischer ist ein friesisches Platt, das von dem Platt
des benachbarten Festlandes wesentlich abweicht. Mit meiner Wirthin, der
Schiffersfrau, konnte ich mich leidlich unterhalten; von den Gesprächen der¬
selben mit ihren Kindern oder Nachbarn war es mir nicht möglich, Zusammen¬
hängendes aufzufassen. Ich gebe hier ein kleines Gespräch mit einem
Wanger-Oger Jungen, das ich mir aufgezeichnet habe, als Probe jener frie¬
sischen Sprache.

Wu hätzst du, Fenth? (Wie heißt du, Junge?)

Tiak.

HM du nochj Alters? (Hast du noch Eltern?)

Il habb no'um Man. Min Puy is vertrunken int Sei, alls hi no
Engellaun fahret is. (Ich habe noch eine Mutter. Mein Vater ist in der
See ertrunken, als er nach England gefahren ist.)

Hätzst du nochj Brors nur Shwesters? (Hast du noch Brüder und
Schwestern?)

Il habb dree Brors nur hwo Shwesters. (Ich habe drei Brüder und
zwei Schwestern.)

Wollt du ok cum Shipper woirn? (Willst du auch ein Schiffer werden?)

Ol, Hür, ik nur min Brors ok. Wi wollt Ki Shippers woirn. (Ja,
Herr, ich und meine Brüder auch. Wir wollen alle Schiffer werden.)

Wär lebbt jun von? (Wovon lebt ihr?)

Min Man is Bodwif; ik, fangh Fish? nur Nbab, nur min Shwesters
sriken Shilkhes. (Meine Mutter,ist ein Badeweib; ich fange Fische und Krebse
(Krabben) und meine Schwestern stricken Netze.)

Ein junges Mädchen nennen die Wanger-Oger Faun, ein Kind Bom,
eine Stube Pissel, einen Schlüssel Kam, einen Löffel Lätz, ein Messer Shaks,
einen Pfannkuchen Ol'stäter. Unter quiddern verstehen sie das Sprechen ihrer
Mundart.

Ein sehr eigenthümliches Idiom hatte sich die Frau des Vogts auf
Wanger-Oge gebildet. Da sie von Geburt eine Engländerin war, und nun
seit einer Reihe von Jahren in Verkehr mit den Insulanern und Badegästen
stand: hatte sie Englisch, Friesisch, Platt- und Hochdeutsch in einen Topf


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[0114] Die Insel Wanger-Oge. 'i it7,^7Ils!ii) I!l:7O.'I^kk-'l Obschon auf Wanger-Oge Schule und Predigt hochdeutsch sind, so konnten wir uns doch nur mit denjenigen Insulanern verständigen, welche durch einen häufigeren Verkehr mit den Fremden sich deutlich zu machen gelernt hatten; denn die Mundart dieser Fischer ist ein friesisches Platt, das von dem Platt des benachbarten Festlandes wesentlich abweicht. Mit meiner Wirthin, der Schiffersfrau, konnte ich mich leidlich unterhalten; von den Gesprächen der¬ selben mit ihren Kindern oder Nachbarn war es mir nicht möglich, Zusammen¬ hängendes aufzufassen. Ich gebe hier ein kleines Gespräch mit einem Wanger-Oger Jungen, das ich mir aufgezeichnet habe, als Probe jener frie¬ sischen Sprache. Wu hätzst du, Fenth? (Wie heißt du, Junge?) Tiak. HM du nochj Alters? (Hast du noch Eltern?) Il habb no'um Man. Min Puy is vertrunken int Sei, alls hi no Engellaun fahret is. (Ich habe noch eine Mutter. Mein Vater ist in der See ertrunken, als er nach England gefahren ist.) Hätzst du nochj Brors nur Shwesters? (Hast du noch Brüder und Schwestern?) Il habb dree Brors nur hwo Shwesters. (Ich habe drei Brüder und zwei Schwestern.) Wollt du ok cum Shipper woirn? (Willst du auch ein Schiffer werden?) Ol, Hür, ik nur min Brors ok. Wi wollt Ki Shippers woirn. (Ja, Herr, ich und meine Brüder auch. Wir wollen alle Schiffer werden.) Wär lebbt jun von? (Wovon lebt ihr?) Min Man is Bodwif; ik, fangh Fish? nur Nbab, nur min Shwesters sriken Shilkhes. (Meine Mutter,ist ein Badeweib; ich fange Fische und Krebse (Krabben) und meine Schwestern stricken Netze.) Ein junges Mädchen nennen die Wanger-Oger Faun, ein Kind Bom, eine Stube Pissel, einen Schlüssel Kam, einen Löffel Lätz, ein Messer Shaks, einen Pfannkuchen Ol'stäter. Unter quiddern verstehen sie das Sprechen ihrer Mundart. Ein sehr eigenthümliches Idiom hatte sich die Frau des Vogts auf Wanger-Oge gebildet. Da sie von Geburt eine Engländerin war, und nun seit einer Reihe von Jahren in Verkehr mit den Insulanern und Badegästen stand: hatte sie Englisch, Friesisch, Platt- und Hochdeutsch in einen Topf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/114>, abgerufen am 25.08.2024.