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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band.

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karische und demokratische Cantonsrcgierungen kann man-schon Mediatoren,
aber souveräne Fürsten?" Wir antworten: konnte etwa Sachsen an Rußland,
Liechtenstein, oder was in diesem Zusammenhang dasselbe ist, Baiern an Frank¬
reich den Krieg erklären?

"6, Bei den zusammengesetzten Armeecorps und Divisionen werden sich
die Bundesstaaten, welche es betrifft, über die Bildung der erforderlichen Ab¬
theilungen und deren vollständige Organisation untereinander vereinigen.
Wenn dies nicht geschieht, wird die Bundesversammlung entscheiden."

Der Forderung dieses Artikels ist durch die sogenannten Corpsacten,
Übereinkünfte zwischen den Staaten, welche ihre Contingente zu einem und
demselben zusammengesetzten Armeecorps stellen, allerdings entsprochen worden;
aber unzweifelhaft wäre es im Interesse gleichförmiger Organisation besser
gewesen, wenn der Bund diese selbst festgestellt hätte, nur unter dem Vorbehalt
von Reclamationen der betreffenden Staaten, deren Berechtigung er dann zu
begutachten gehabt hätte.

"7. Bei der Organisation der Kriegsmacht des Bundes ist auf die aus
besonderen Verhältnissen der einzelnen Staaten hervorgehenden Interessen der¬
selben in so weit Rücksicht zu nehmen, als es mit den allgemeinen Zwecken
vereinbar anerkannt wird."

Dieser Artikel erscheint allerdings höchst unschuldig und billig; z. B. wenn
man ihn dahin versteht, daß ein Staat, der eine wohlorganisirte Landwehr
hat. diese zum Contingent stellen darf, daß von kleinen Contingenten die
Stellung vou Cavaleric und Artillerie nicht verlangt wird, daß die Contin¬
gente von solchen Staaten zu größeren Truppcnkörpern zusammengelegt werden,
welche einander benachbart sind (was beim neunten Armeecorps bekanntlich
nicht der Fall ist), und was dergleichen Dinge mehr sind. Aber man ficht
leicht ein, daß sich am Ende jedes beliebige Gelüst irgend eines Potentaten
betreffs Uniformirung und Zustutzung seiner Duodezarmee bis auf den Ludwigs¬
schnitt oder Wilhclmsschnitt der Backen-und Schnauzbärte hinab auf Rechnung
dieses Artikels nehmen läßt, daß es endlich nach ihm ganz in der Ordnung
befunden werden kann, wenn Dänemark holsteinische Bataillone unter dänische
Offiziere und dänisches Commando stellt und nach Kopenhagen in Garnison
legt oder wenn Oestreich Kroaten und Italiener als Besatzungen in die
Bundcssestungen schickt.

"8. Nach der grundgesetzlichen Gleichheit der Rechte und Pflichten soll
selbst der Schein von Suprematie eines Bundesstaates über den andern ver¬
mieden werden."

Artikel 8. und Artikel 5. fordern ziemlich die gleichen Betrachtungen her¬
aus. Artikel 8. gehört nicht in die Kriegsverfassung, sondern in die politische
Verfassung des Bundes. Er würde, wenn man die Stelle nicht wüßte, eins


karische und demokratische Cantonsrcgierungen kann man-schon Mediatoren,
aber souveräne Fürsten?" Wir antworten: konnte etwa Sachsen an Rußland,
Liechtenstein, oder was in diesem Zusammenhang dasselbe ist, Baiern an Frank¬
reich den Krieg erklären?

„6, Bei den zusammengesetzten Armeecorps und Divisionen werden sich
die Bundesstaaten, welche es betrifft, über die Bildung der erforderlichen Ab¬
theilungen und deren vollständige Organisation untereinander vereinigen.
Wenn dies nicht geschieht, wird die Bundesversammlung entscheiden."

Der Forderung dieses Artikels ist durch die sogenannten Corpsacten,
Übereinkünfte zwischen den Staaten, welche ihre Contingente zu einem und
demselben zusammengesetzten Armeecorps stellen, allerdings entsprochen worden;
aber unzweifelhaft wäre es im Interesse gleichförmiger Organisation besser
gewesen, wenn der Bund diese selbst festgestellt hätte, nur unter dem Vorbehalt
von Reclamationen der betreffenden Staaten, deren Berechtigung er dann zu
begutachten gehabt hätte.

„7. Bei der Organisation der Kriegsmacht des Bundes ist auf die aus
besonderen Verhältnissen der einzelnen Staaten hervorgehenden Interessen der¬
selben in so weit Rücksicht zu nehmen, als es mit den allgemeinen Zwecken
vereinbar anerkannt wird."

Dieser Artikel erscheint allerdings höchst unschuldig und billig; z. B. wenn
man ihn dahin versteht, daß ein Staat, der eine wohlorganisirte Landwehr
hat. diese zum Contingent stellen darf, daß von kleinen Contingenten die
Stellung vou Cavaleric und Artillerie nicht verlangt wird, daß die Contin¬
gente von solchen Staaten zu größeren Truppcnkörpern zusammengelegt werden,
welche einander benachbart sind (was beim neunten Armeecorps bekanntlich
nicht der Fall ist), und was dergleichen Dinge mehr sind. Aber man ficht
leicht ein, daß sich am Ende jedes beliebige Gelüst irgend eines Potentaten
betreffs Uniformirung und Zustutzung seiner Duodezarmee bis auf den Ludwigs¬
schnitt oder Wilhclmsschnitt der Backen-und Schnauzbärte hinab auf Rechnung
dieses Artikels nehmen läßt, daß es endlich nach ihm ganz in der Ordnung
befunden werden kann, wenn Dänemark holsteinische Bataillone unter dänische
Offiziere und dänisches Commando stellt und nach Kopenhagen in Garnison
legt oder wenn Oestreich Kroaten und Italiener als Besatzungen in die
Bundcssestungen schickt.

„8. Nach der grundgesetzlichen Gleichheit der Rechte und Pflichten soll
selbst der Schein von Suprematie eines Bundesstaates über den andern ver¬
mieden werden."

Artikel 8. und Artikel 5. fordern ziemlich die gleichen Betrachtungen her¬
aus. Artikel 8. gehört nicht in die Kriegsverfassung, sondern in die politische
Verfassung des Bundes. Er würde, wenn man die Stelle nicht wüßte, eins


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[0106] karische und demokratische Cantonsrcgierungen kann man-schon Mediatoren, aber souveräne Fürsten?" Wir antworten: konnte etwa Sachsen an Rußland, Liechtenstein, oder was in diesem Zusammenhang dasselbe ist, Baiern an Frank¬ reich den Krieg erklären? „6, Bei den zusammengesetzten Armeecorps und Divisionen werden sich die Bundesstaaten, welche es betrifft, über die Bildung der erforderlichen Ab¬ theilungen und deren vollständige Organisation untereinander vereinigen. Wenn dies nicht geschieht, wird die Bundesversammlung entscheiden." Der Forderung dieses Artikels ist durch die sogenannten Corpsacten, Übereinkünfte zwischen den Staaten, welche ihre Contingente zu einem und demselben zusammengesetzten Armeecorps stellen, allerdings entsprochen worden; aber unzweifelhaft wäre es im Interesse gleichförmiger Organisation besser gewesen, wenn der Bund diese selbst festgestellt hätte, nur unter dem Vorbehalt von Reclamationen der betreffenden Staaten, deren Berechtigung er dann zu begutachten gehabt hätte. „7. Bei der Organisation der Kriegsmacht des Bundes ist auf die aus besonderen Verhältnissen der einzelnen Staaten hervorgehenden Interessen der¬ selben in so weit Rücksicht zu nehmen, als es mit den allgemeinen Zwecken vereinbar anerkannt wird." Dieser Artikel erscheint allerdings höchst unschuldig und billig; z. B. wenn man ihn dahin versteht, daß ein Staat, der eine wohlorganisirte Landwehr hat. diese zum Contingent stellen darf, daß von kleinen Contingenten die Stellung vou Cavaleric und Artillerie nicht verlangt wird, daß die Contin¬ gente von solchen Staaten zu größeren Truppcnkörpern zusammengelegt werden, welche einander benachbart sind (was beim neunten Armeecorps bekanntlich nicht der Fall ist), und was dergleichen Dinge mehr sind. Aber man ficht leicht ein, daß sich am Ende jedes beliebige Gelüst irgend eines Potentaten betreffs Uniformirung und Zustutzung seiner Duodezarmee bis auf den Ludwigs¬ schnitt oder Wilhclmsschnitt der Backen-und Schnauzbärte hinab auf Rechnung dieses Artikels nehmen läßt, daß es endlich nach ihm ganz in der Ordnung befunden werden kann, wenn Dänemark holsteinische Bataillone unter dänische Offiziere und dänisches Commando stellt und nach Kopenhagen in Garnison legt oder wenn Oestreich Kroaten und Italiener als Besatzungen in die Bundcssestungen schickt. „8. Nach der grundgesetzlichen Gleichheit der Rechte und Pflichten soll selbst der Schein von Suprematie eines Bundesstaates über den andern ver¬ mieden werden." Artikel 8. und Artikel 5. fordern ziemlich die gleichen Betrachtungen her¬ aus. Artikel 8. gehört nicht in die Kriegsverfassung, sondern in die politische Verfassung des Bundes. Er würde, wenn man die Stelle nicht wüßte, eins

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_108129/106>, abgerufen am 26.08.2024.