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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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starren, um n"es beendigtem Geschäft wieder in das Dunkel der Polterkammer
zurückzuwandern. .

Von diesen stummen Schaustellungen gibt es zu Festzeiten immer eine
hübsche Anzahl in Roms Kirchen, und es zeigt sich allenthalben der begreifliche
Wettstreit, die Schaulust aus Kosten seines Nachbars auszubeuten.

Solcher Art wird von dem Leben der Bühne gerettet, was irgend zu
retten ist.

Es versteht sich indessen, daß ein kunstbedürftiges Volk noch andere Hand¬
haben bietet, an denen es sich fassen und leiten läßt, und so wird denn auch
M andern Richtungen keine Mühe gescheut. Wie viel die Malerei im Dienste
der Kirche geleistet hat, bedarf nicht der weitern Ausführung. Alle italie¬
nischen Kirchen sind mit werthvollen Bildern, wenn auch nicht immer mit
Meisterwerken gefüllt. Die Privatsammlungen haben ihre Schätze meistens aus
Kirchen genommen, aber die letztern bieten noch immer reiche Auswahl, und
somit findet das dahin zielende Kunstbedürfniß erwünschte Befriedigung. Nicht
Minder ist die Sculptur unter dem Schutze des Krummstabes aus ihrer tiefsten
Erniedrigung emporgestiegen. Marmorbilder ohne Zahl drängen sich aus
Nische und Säulenumzäunung hervor. Marmorne Engel, marmorne Wolken,
Marmorne Päpste und Heilige, -- wohin man blickt, Kunstwerke, wenn auch
überwiegend aus ruhmredig schlechter Zeit. Und wie allenthalben hat man
auch in Italien dem Moder und der Verwesungsluft um der prächtigen Grab-
Monumente willen die Kirchen frei gegeben. Somit ist die Sculptur, ist die
Malerei in einer Weise zum Dienste der Kirche herbeigezogen worden, wie sie
nur irgend dem Kunstbedürfniß des italienischen Volkes sich gefällig erweisen
konnten.

Es blieb noch eine andere gewichtige Macht, welche zu dem Menschen
^det, die Musik. Und hier hat sich die Kirche nun in Verlegenheit befunden.
Man Hort in Italien noch immer bei bestimmten Veranlassungen alte Musik,
5- B. den Ambrosianischen Lobgesang und Verwandtes. Die Mönche vor
allem beharren bei diesen uralten Tonweisen, mit denen ihr ganzes Dasein
M der That wie zusammengewachsen erscheint. Auch in der sixtinischen Ka-
pelle und in einer Seitenkapelle S. Peters gibt es noch Gelegenheit alte Musik
on hören, wenn auch nicht immer aus der besten Zeit, zu welcher Zeit wir
Natürlich weder die Gregorianische und Ambrosianische, noch die Zeit der
Manieristen rechnen dürfen, welche den Stil Pergoleses und Palestrinas zu
Modernisiren unternahmen. Die wirklich gediegene Musik aber ist mit we¬
nigen Ausnahmen aus den Kirchen Italiens verschwunden.

Dies ist vielleicht das bedenklichste Zeichen für die Zustände der italie-
ruschen Kirche, das bedenklichste von all den vielen, welche ihren innern Ver¬
fall verrathen. Denn das Wesen der Musik ist Aufrichtigkeit. In jeder andern


starren, um n«es beendigtem Geschäft wieder in das Dunkel der Polterkammer
zurückzuwandern. .

Von diesen stummen Schaustellungen gibt es zu Festzeiten immer eine
hübsche Anzahl in Roms Kirchen, und es zeigt sich allenthalben der begreifliche
Wettstreit, die Schaulust aus Kosten seines Nachbars auszubeuten.

Solcher Art wird von dem Leben der Bühne gerettet, was irgend zu
retten ist.

Es versteht sich indessen, daß ein kunstbedürftiges Volk noch andere Hand¬
haben bietet, an denen es sich fassen und leiten läßt, und so wird denn auch
M andern Richtungen keine Mühe gescheut. Wie viel die Malerei im Dienste
der Kirche geleistet hat, bedarf nicht der weitern Ausführung. Alle italie¬
nischen Kirchen sind mit werthvollen Bildern, wenn auch nicht immer mit
Meisterwerken gefüllt. Die Privatsammlungen haben ihre Schätze meistens aus
Kirchen genommen, aber die letztern bieten noch immer reiche Auswahl, und
somit findet das dahin zielende Kunstbedürfniß erwünschte Befriedigung. Nicht
Minder ist die Sculptur unter dem Schutze des Krummstabes aus ihrer tiefsten
Erniedrigung emporgestiegen. Marmorbilder ohne Zahl drängen sich aus
Nische und Säulenumzäunung hervor. Marmorne Engel, marmorne Wolken,
Marmorne Päpste und Heilige, — wohin man blickt, Kunstwerke, wenn auch
überwiegend aus ruhmredig schlechter Zeit. Und wie allenthalben hat man
auch in Italien dem Moder und der Verwesungsluft um der prächtigen Grab-
Monumente willen die Kirchen frei gegeben. Somit ist die Sculptur, ist die
Malerei in einer Weise zum Dienste der Kirche herbeigezogen worden, wie sie
nur irgend dem Kunstbedürfniß des italienischen Volkes sich gefällig erweisen
konnten.

Es blieb noch eine andere gewichtige Macht, welche zu dem Menschen
^det, die Musik. Und hier hat sich die Kirche nun in Verlegenheit befunden.
Man Hort in Italien noch immer bei bestimmten Veranlassungen alte Musik,
5- B. den Ambrosianischen Lobgesang und Verwandtes. Die Mönche vor
allem beharren bei diesen uralten Tonweisen, mit denen ihr ganzes Dasein
M der That wie zusammengewachsen erscheint. Auch in der sixtinischen Ka-
pelle und in einer Seitenkapelle S. Peters gibt es noch Gelegenheit alte Musik
on hören, wenn auch nicht immer aus der besten Zeit, zu welcher Zeit wir
Natürlich weder die Gregorianische und Ambrosianische, noch die Zeit der
Manieristen rechnen dürfen, welche den Stil Pergoleses und Palestrinas zu
Modernisiren unternahmen. Die wirklich gediegene Musik aber ist mit we¬
nigen Ausnahmen aus den Kirchen Italiens verschwunden.

Dies ist vielleicht das bedenklichste Zeichen für die Zustände der italie-
ruschen Kirche, das bedenklichste von all den vielen, welche ihren innern Ver¬
fall verrathen. Denn das Wesen der Musik ist Aufrichtigkeit. In jeder andern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/85>, abgerufen am 22.07.2024.