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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Schwerer siel uns, daß wir den See Genezareth und den Tabor links liegen
lassen mußten. Aber der Kri-eg rief in die Heimath, und wir mußten mit
unsern Tagen geizen, wenn wir noch zu rechter Zeit nach Beirut kommen
wollten, um die nächste Fahrgelegenheit nach dem Norden zu benutzen.

So brachen wir von Nazareth nach Chaifa auf, um hier mit einer Be¬
steigung des Karmel unsere Wallfahrt durch.das heilige Land zu beschließen.
Die Hitze war, als wir den kahlen Berg im Westen von Nazareth überstiegen,
fast versengend, und man empfand wieder einmal recht von Grund aus das
Treffende des Bildes vom Hirsch, der nach frischem Wasser schreit. Matt und
welk ritten wir an dem Thal vorbei, in welchem, von einem reizenden Garten
von Palmen, Cvpressen, Feigen- und Granatbüumen umgrünt, das Dörfchen
Jaffa liegt. Ein viclgcwundener Grund brachte uns wieder auf die große
Ebne Jesreel hinaus, an deren Rand uns eine Karavane von Eseln begegnete,
welche europäische Möbel nach Nazareth trugen. Auf der Fläche, die wir'
in südwestlicher Richtung überschritten, hatten wir mehrmals Sümpfe zu pas-
siren, die von Quellen gebildet waren. An der einen sahen wir zwei niedliche
Gazellen, die jedoch sofort nachdem sie uns erblickt mit großen Sätzen davon¬
eilten und bald in dem hohen Grase verschwanden. In der Mitte zwischen
der Stelle, wo wir die Ebene betreten, und der bewaldeten Erhöhung des
Bodens, die, vom Karmel herüberreichend, das Gefilde von Norden nach
Süden durchschneidet, berührten wir ein Dorf, das, auf einem Schutthügel
gelegen, mit seinen schmutzigen Kothhütten, seinem Mangel an Baum und
Strauch das Widerspiel zu dem zuletzt erblickten bildete. Bald nachher wurde
jene Höhe erreicht, und ein schöner Wald von Steineichen nahm uns auf.
Einer der größten Bäume gab uns eine Stunde lang Schatten, die Nachbarn
spendeten frische Waldiuft, die auf den modrigen Duft der Moräste, welche
wir in der letzten Zeit eingeathmet, besonders wohlthat, und als wir weiter
zogen, wurde plötzlich zwischen den Wipfeln auf dem Kamme die blaue Linie
des Mittelmeers sichtbar. Wir stiegen -auf der andern Seite des Höhcnzugs
in die große Kisonebene hinab, versuchten, aus dem Wald herausgetreten,
wiederholt vergeblich die Rohrsümpfe zu durchreiten, welche die Ueberschwem-
mungen jenes Flusses hervorgerufen hatten, und wurden, als dies endlich auf
Umwegen gelang, wieder von dein Flusse selbst.aufgehalten, der, hier etwa
halb so breit als der Jordan, von üppig wuchernden Oleanderbüschen UM'
kränzt und beschattet, unter hohen steilen Schlammufern langsam dahinfließt.
Die Büsche standen in voller Blüte. Sie trugen mehr Blumen als Blätter,
und ließen den Fluß in der Ferne als ungeheure prächtig rosenrothe Schlange
erscheinen. Selbst in Griechenland sah ich den Strauch nicht solchen über¬
wältigenden Blütenreichthum entwickeln.

Nach langem Suchen wurde eine Furt gefunden, und wir ritten nun


Schwerer siel uns, daß wir den See Genezareth und den Tabor links liegen
lassen mußten. Aber der Kri-eg rief in die Heimath, und wir mußten mit
unsern Tagen geizen, wenn wir noch zu rechter Zeit nach Beirut kommen
wollten, um die nächste Fahrgelegenheit nach dem Norden zu benutzen.

So brachen wir von Nazareth nach Chaifa auf, um hier mit einer Be¬
steigung des Karmel unsere Wallfahrt durch.das heilige Land zu beschließen.
Die Hitze war, als wir den kahlen Berg im Westen von Nazareth überstiegen,
fast versengend, und man empfand wieder einmal recht von Grund aus das
Treffende des Bildes vom Hirsch, der nach frischem Wasser schreit. Matt und
welk ritten wir an dem Thal vorbei, in welchem, von einem reizenden Garten
von Palmen, Cvpressen, Feigen- und Granatbüumen umgrünt, das Dörfchen
Jaffa liegt. Ein viclgcwundener Grund brachte uns wieder auf die große
Ebne Jesreel hinaus, an deren Rand uns eine Karavane von Eseln begegnete,
welche europäische Möbel nach Nazareth trugen. Auf der Fläche, die wir'
in südwestlicher Richtung überschritten, hatten wir mehrmals Sümpfe zu pas-
siren, die von Quellen gebildet waren. An der einen sahen wir zwei niedliche
Gazellen, die jedoch sofort nachdem sie uns erblickt mit großen Sätzen davon¬
eilten und bald in dem hohen Grase verschwanden. In der Mitte zwischen
der Stelle, wo wir die Ebene betreten, und der bewaldeten Erhöhung des
Bodens, die, vom Karmel herüberreichend, das Gefilde von Norden nach
Süden durchschneidet, berührten wir ein Dorf, das, auf einem Schutthügel
gelegen, mit seinen schmutzigen Kothhütten, seinem Mangel an Baum und
Strauch das Widerspiel zu dem zuletzt erblickten bildete. Bald nachher wurde
jene Höhe erreicht, und ein schöner Wald von Steineichen nahm uns auf.
Einer der größten Bäume gab uns eine Stunde lang Schatten, die Nachbarn
spendeten frische Waldiuft, die auf den modrigen Duft der Moräste, welche
wir in der letzten Zeit eingeathmet, besonders wohlthat, und als wir weiter
zogen, wurde plötzlich zwischen den Wipfeln auf dem Kamme die blaue Linie
des Mittelmeers sichtbar. Wir stiegen -auf der andern Seite des Höhcnzugs
in die große Kisonebene hinab, versuchten, aus dem Wald herausgetreten,
wiederholt vergeblich die Rohrsümpfe zu durchreiten, welche die Ueberschwem-
mungen jenes Flusses hervorgerufen hatten, und wurden, als dies endlich auf
Umwegen gelang, wieder von dein Flusse selbst.aufgehalten, der, hier etwa
halb so breit als der Jordan, von üppig wuchernden Oleanderbüschen UM'
kränzt und beschattet, unter hohen steilen Schlammufern langsam dahinfließt.
Die Büsche standen in voller Blüte. Sie trugen mehr Blumen als Blätter,
und ließen den Fluß in der Ferne als ungeheure prächtig rosenrothe Schlange
erscheinen. Selbst in Griechenland sah ich den Strauch nicht solchen über¬
wältigenden Blütenreichthum entwickeln.

Nach langem Suchen wurde eine Furt gefunden, und wir ritten nun


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[0518] Schwerer siel uns, daß wir den See Genezareth und den Tabor links liegen lassen mußten. Aber der Kri-eg rief in die Heimath, und wir mußten mit unsern Tagen geizen, wenn wir noch zu rechter Zeit nach Beirut kommen wollten, um die nächste Fahrgelegenheit nach dem Norden zu benutzen. So brachen wir von Nazareth nach Chaifa auf, um hier mit einer Be¬ steigung des Karmel unsere Wallfahrt durch.das heilige Land zu beschließen. Die Hitze war, als wir den kahlen Berg im Westen von Nazareth überstiegen, fast versengend, und man empfand wieder einmal recht von Grund aus das Treffende des Bildes vom Hirsch, der nach frischem Wasser schreit. Matt und welk ritten wir an dem Thal vorbei, in welchem, von einem reizenden Garten von Palmen, Cvpressen, Feigen- und Granatbüumen umgrünt, das Dörfchen Jaffa liegt. Ein viclgcwundener Grund brachte uns wieder auf die große Ebne Jesreel hinaus, an deren Rand uns eine Karavane von Eseln begegnete, welche europäische Möbel nach Nazareth trugen. Auf der Fläche, die wir' in südwestlicher Richtung überschritten, hatten wir mehrmals Sümpfe zu pas- siren, die von Quellen gebildet waren. An der einen sahen wir zwei niedliche Gazellen, die jedoch sofort nachdem sie uns erblickt mit großen Sätzen davon¬ eilten und bald in dem hohen Grase verschwanden. In der Mitte zwischen der Stelle, wo wir die Ebene betreten, und der bewaldeten Erhöhung des Bodens, die, vom Karmel herüberreichend, das Gefilde von Norden nach Süden durchschneidet, berührten wir ein Dorf, das, auf einem Schutthügel gelegen, mit seinen schmutzigen Kothhütten, seinem Mangel an Baum und Strauch das Widerspiel zu dem zuletzt erblickten bildete. Bald nachher wurde jene Höhe erreicht, und ein schöner Wald von Steineichen nahm uns auf. Einer der größten Bäume gab uns eine Stunde lang Schatten, die Nachbarn spendeten frische Waldiuft, die auf den modrigen Duft der Moräste, welche wir in der letzten Zeit eingeathmet, besonders wohlthat, und als wir weiter zogen, wurde plötzlich zwischen den Wipfeln auf dem Kamme die blaue Linie des Mittelmeers sichtbar. Wir stiegen -auf der andern Seite des Höhcnzugs in die große Kisonebene hinab, versuchten, aus dem Wald herausgetreten, wiederholt vergeblich die Rohrsümpfe zu durchreiten, welche die Ueberschwem- mungen jenes Flusses hervorgerufen hatten, und wurden, als dies endlich auf Umwegen gelang, wieder von dein Flusse selbst.aufgehalten, der, hier etwa halb so breit als der Jordan, von üppig wuchernden Oleanderbüschen UM' kränzt und beschattet, unter hohen steilen Schlammufern langsam dahinfließt. Die Büsche standen in voller Blüte. Sie trugen mehr Blumen als Blätter, und ließen den Fluß in der Ferne als ungeheure prächtig rosenrothe Schlange erscheinen. Selbst in Griechenland sah ich den Strauch nicht solchen über¬ wältigenden Blütenreichthum entwickeln. Nach langem Suchen wurde eine Furt gefunden, und wir ritten nun

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/518>, abgerufen am 22.07.2024.