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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Land gegen die Nomaden zu schützen. Diese neugeschaffnem Grenzer jedoch
arteten bald aus und bekämpften zwar die Beni Saker, machten es aber im
Uebrigen wenig besser wie sie. Darauf wurden Abtheilungen von Kurden
hierher geschickt, die eine Zeit lang die Ordnung erhielten, aber in der letzten
Zeit ebenfalls in den Geruch geriethen, Mein nicht von Dein unterscheiden zu kön¬
nen, so daß die Gegend zwischen Dschenin und Nazareth für dreifach unsicher
galt. Wir hörten später, daß wenige Tage vor unsrer Reise über die Ebene
zwischen den kurdischen Baschibosuts und den Beduinen ein Gefecht stattge¬
funden, bei dem jene den Kürzeren gezogen und mehre Todte gehabt hatte".
Zum Glück erfuhren wir in Dschenin nichts davon, und so ritten wir in
ziemlicher Seelenruhe über die gefährliche Gegend hin; ja ich jagte, die Ge¬
legenheit zu einem langanhaltender Galopp benutzend, den Gefährten mehr
als eine Stunde voraus. Mehrmals begegneten mir dabei bewaffnete
Beduinen, aber sei es, daß sie den Werth des Revolvers kannten, den ich in
der Hand hielt oder sei es, daß sie überhaupt nicht zu Gewaltstreichen aufge¬
legt waren, alle erwiderten mein "Marhaba", !und auch in den zahlreichen
schwarzen Zelten, die rechts und links vom Wege, umgeben von weidenden
Rindern, Schafen und Kameelen, sich erhoben, regte sich nichts, was aus einen
Angriff schließen ließ.

So gelangten wir, den schöngeformten kleinen Hermon mit seinen drei
Gipfeln und den ferner nach Osten hin sich als dunkler Kegel aus der Fläche er¬
hebenden Tabor rechts lassend, nach vier Stunden an das nördliche Ende der Ebene
und in die Borberge des Libanon, und als die Sonne sank, kündigte sich
Nazareth durch fernes Glockcngelaut an. Ein halbe Stunde später ritten
wir in die Stadt hinein, die sich, von Oel- und Feigenbäumen umgeben, a"i
Abhang eines ausgeschweiften Bergrückens hinaufzieht. Den Mittelpunkt
derselben bildet das große lateinische Kloster, das mit seinen hohen Mauern
Aehnlichkeit mit einer Festung des.Mittelnlters hat. Etwas höher liegt, von
hohen Chprcsscn überragt, die Moschee der Stadt mit einem hübschen
Minaret und einer Kuppel. .Der Ort mag zwischen drei- und viertausend
Einwohner haben, von denen die Mehrzahl, nach den vielen blauen und
schwarzen Turbanen zu schließen, denen wir begegneten, sich zum Christenthum
bekennt. Juden werden hier nicht gelitten, ja Auad meinte, es sei ihnen
nicht einmal der Durchzug gestattet.

Wir stiegen in der Casa nuova, der Pilgerherberge des lateinischen Klo¬
sters ab, wo wir zuvorkommende Aufnahme, trinkbaren Cyperwein und gute,
mit Mückennetzen versehene Betten fanden. Ein freundlicher gesprächiger Mönch,
aus dem Römischen gebürtig, leistete uns beim Abendessen Gesellschaft und
unterhielt uns durch naive Fragen über den Stand der Dinge in Italien.
Wie alle Mönche der lateinischen Klöster Palästinas, war er start östreichisch


Land gegen die Nomaden zu schützen. Diese neugeschaffnem Grenzer jedoch
arteten bald aus und bekämpften zwar die Beni Saker, machten es aber im
Uebrigen wenig besser wie sie. Darauf wurden Abtheilungen von Kurden
hierher geschickt, die eine Zeit lang die Ordnung erhielten, aber in der letzten
Zeit ebenfalls in den Geruch geriethen, Mein nicht von Dein unterscheiden zu kön¬
nen, so daß die Gegend zwischen Dschenin und Nazareth für dreifach unsicher
galt. Wir hörten später, daß wenige Tage vor unsrer Reise über die Ebene
zwischen den kurdischen Baschibosuts und den Beduinen ein Gefecht stattge¬
funden, bei dem jene den Kürzeren gezogen und mehre Todte gehabt hatte».
Zum Glück erfuhren wir in Dschenin nichts davon, und so ritten wir in
ziemlicher Seelenruhe über die gefährliche Gegend hin; ja ich jagte, die Ge¬
legenheit zu einem langanhaltender Galopp benutzend, den Gefährten mehr
als eine Stunde voraus. Mehrmals begegneten mir dabei bewaffnete
Beduinen, aber sei es, daß sie den Werth des Revolvers kannten, den ich in
der Hand hielt oder sei es, daß sie überhaupt nicht zu Gewaltstreichen aufge¬
legt waren, alle erwiderten mein „Marhaba", !und auch in den zahlreichen
schwarzen Zelten, die rechts und links vom Wege, umgeben von weidenden
Rindern, Schafen und Kameelen, sich erhoben, regte sich nichts, was aus einen
Angriff schließen ließ.

So gelangten wir, den schöngeformten kleinen Hermon mit seinen drei
Gipfeln und den ferner nach Osten hin sich als dunkler Kegel aus der Fläche er¬
hebenden Tabor rechts lassend, nach vier Stunden an das nördliche Ende der Ebene
und in die Borberge des Libanon, und als die Sonne sank, kündigte sich
Nazareth durch fernes Glockcngelaut an. Ein halbe Stunde später ritten
wir in die Stadt hinein, die sich, von Oel- und Feigenbäumen umgeben, a»i
Abhang eines ausgeschweiften Bergrückens hinaufzieht. Den Mittelpunkt
derselben bildet das große lateinische Kloster, das mit seinen hohen Mauern
Aehnlichkeit mit einer Festung des.Mittelnlters hat. Etwas höher liegt, von
hohen Chprcsscn überragt, die Moschee der Stadt mit einem hübschen
Minaret und einer Kuppel. .Der Ort mag zwischen drei- und viertausend
Einwohner haben, von denen die Mehrzahl, nach den vielen blauen und
schwarzen Turbanen zu schließen, denen wir begegneten, sich zum Christenthum
bekennt. Juden werden hier nicht gelitten, ja Auad meinte, es sei ihnen
nicht einmal der Durchzug gestattet.

Wir stiegen in der Casa nuova, der Pilgerherberge des lateinischen Klo¬
sters ab, wo wir zuvorkommende Aufnahme, trinkbaren Cyperwein und gute,
mit Mückennetzen versehene Betten fanden. Ein freundlicher gesprächiger Mönch,
aus dem Römischen gebürtig, leistete uns beim Abendessen Gesellschaft und
unterhielt uns durch naive Fragen über den Stand der Dinge in Italien.
Wie alle Mönche der lateinischen Klöster Palästinas, war er start östreichisch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/516>, abgerufen am 22.07.2024.