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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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den Heidengott, aus den Ruinen Jeruschalajims, der Heiligen, erhebt sich die
weltliche Aelia Capitolina.

Fluch und Blut ist fortan die Losung für Jahrhunderte. Wolke auf
Wolke, Strom auf Strom wälzen sich, nachdem das Volk Jehovas unter¬
gegangen, die Gojim über den heiligen Berg. Bekehrte Heidenfürsten richten
auf der Stätte des Jupitertempels das Kreuz ihres Heilandes auf. Perser
erobern die christliche Stadt, morden ihre Bewohner und verbrennen UM
Kirchen, um bald nachher die Trümmer wieder an die Bekenner des Kreuzes
abtreten zu müssen. Der Islam kommt, der zweite Sohn des verbannten
Judenthums, um in Jerusalem das Erbe seines Vaters in Anspruch zu neh¬
men und indem er sein Zeichen, den Halbmond aufpflanzt, wo das Symbol
des erstgebornen gestanden, die alte Herrlichkeit wieder aufleben zu lassen.
Der Besiegte ermannt sich im fernen Norden. Germanische und romanische
Völker stürmen heran, an ihrer Spitze Tancred, der Achilles, und Gottfried
von Bouillon, der Agamemnon dieser Ilias des Mittelalters. Wieder fällt
die Stadt und der Tempelberg in ihre Hand, wieder wird, wie damals, wo
Titus Mauerbrecher sie berannten. knöcheltief im Menschenblut gewatet. Drei
Tage noch nach der Einnahme werden Tausende von Sarazenen. Männer,
Frauen und Kinder, die dort in die Aksa sich geflüchtet, gegen das Versprechen
der Schonung erbarmungslos zusannnengehauen. Fast hundert Jahre blinkt
nun auf Aksa und Sakhra das Zeichen, in welchem die Franken gesiegt, oft
erschüttert, mehr als einmal wankend, bis Saladin, der letzte Heros des ara¬
bischen Islam, es herunterstürzt und die Heiligthümer durch Kameelladungen
von Rosenwasser von dem Greuel reinigen läßt, den die christlichen Kafirs hin¬
eingetragen.

Noch einmal gewinnt das Christenthum in der Person des großen Soh¬
nes Friedrichs des Rothbarts die heilige Stadt. Doch nur auf kurze Zeit,
schon nach anderthalb Jahrzehnten geht sie wieder an die Sarazenen verloren,
um ihnen bis aus den heutigen Tag zu verbleiben. Es ist jetzt still auf dem
Moriah. sehr still. Nur der Mueddin, der Morgens und Abends vom Minaret
der Aksa zum Gebet ruft, und Kinder, die auf den Rasenplätzen unter der
Sakhra spielen, unterbrechen die feierliche Ruhe, die über den Raum gebreitet
ist. Das Weinen der Juden auf dem Klageplatz, an der Westmauer drunten,
dringt nicht heraus. Die Cypressen. die zwischen den Moscheen sich erheben,
mögen an die Hunderttausende von Kämpfern mahnen, die hier das Schwert
fraß. Die vielen dunkelrothen Mohnblumen, die im Grase leuchten, können
Sprößlinge der Blutstropfen sein, die wieder und immer wieder diesen Boden
benetzten. Sie selbst, diese Kämpfer, sind hinabgestiegen in den Brunnen der
Seelen, und die eiserne Fallthür, welche die Mündung schließt, verhütet ihr
Wiederkommen. Man hört nichts von einem Todtentanz, wie er über andern


den Heidengott, aus den Ruinen Jeruschalajims, der Heiligen, erhebt sich die
weltliche Aelia Capitolina.

Fluch und Blut ist fortan die Losung für Jahrhunderte. Wolke auf
Wolke, Strom auf Strom wälzen sich, nachdem das Volk Jehovas unter¬
gegangen, die Gojim über den heiligen Berg. Bekehrte Heidenfürsten richten
auf der Stätte des Jupitertempels das Kreuz ihres Heilandes auf. Perser
erobern die christliche Stadt, morden ihre Bewohner und verbrennen UM
Kirchen, um bald nachher die Trümmer wieder an die Bekenner des Kreuzes
abtreten zu müssen. Der Islam kommt, der zweite Sohn des verbannten
Judenthums, um in Jerusalem das Erbe seines Vaters in Anspruch zu neh¬
men und indem er sein Zeichen, den Halbmond aufpflanzt, wo das Symbol
des erstgebornen gestanden, die alte Herrlichkeit wieder aufleben zu lassen.
Der Besiegte ermannt sich im fernen Norden. Germanische und romanische
Völker stürmen heran, an ihrer Spitze Tancred, der Achilles, und Gottfried
von Bouillon, der Agamemnon dieser Ilias des Mittelalters. Wieder fällt
die Stadt und der Tempelberg in ihre Hand, wieder wird, wie damals, wo
Titus Mauerbrecher sie berannten. knöcheltief im Menschenblut gewatet. Drei
Tage noch nach der Einnahme werden Tausende von Sarazenen. Männer,
Frauen und Kinder, die dort in die Aksa sich geflüchtet, gegen das Versprechen
der Schonung erbarmungslos zusannnengehauen. Fast hundert Jahre blinkt
nun auf Aksa und Sakhra das Zeichen, in welchem die Franken gesiegt, oft
erschüttert, mehr als einmal wankend, bis Saladin, der letzte Heros des ara¬
bischen Islam, es herunterstürzt und die Heiligthümer durch Kameelladungen
von Rosenwasser von dem Greuel reinigen läßt, den die christlichen Kafirs hin¬
eingetragen.

Noch einmal gewinnt das Christenthum in der Person des großen Soh¬
nes Friedrichs des Rothbarts die heilige Stadt. Doch nur auf kurze Zeit,
schon nach anderthalb Jahrzehnten geht sie wieder an die Sarazenen verloren,
um ihnen bis aus den heutigen Tag zu verbleiben. Es ist jetzt still auf dem
Moriah. sehr still. Nur der Mueddin, der Morgens und Abends vom Minaret
der Aksa zum Gebet ruft, und Kinder, die auf den Rasenplätzen unter der
Sakhra spielen, unterbrechen die feierliche Ruhe, die über den Raum gebreitet
ist. Das Weinen der Juden auf dem Klageplatz, an der Westmauer drunten,
dringt nicht heraus. Die Cypressen. die zwischen den Moscheen sich erheben,
mögen an die Hunderttausende von Kämpfern mahnen, die hier das Schwert
fraß. Die vielen dunkelrothen Mohnblumen, die im Grase leuchten, können
Sprößlinge der Blutstropfen sein, die wieder und immer wieder diesen Boden
benetzten. Sie selbst, diese Kämpfer, sind hinabgestiegen in den Brunnen der
Seelen, und die eiserne Fallthür, welche die Mündung schließt, verhütet ihr
Wiederkommen. Man hört nichts von einem Todtentanz, wie er über andern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/490>, abgerufen am 28.12.2024.