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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Disputation hatte ein Ende. Als ich am Morgen auf meinem Schlasteppich
erwachte, war unser Spanier bereits aufgebrochen, um über Bethlehem nach
Hebron zu gehen, wo er wieder reichliche Gelegenheit gefunden haben wird,
sich all Reliquien zu erbauen.

Wir aber kehrten nach Jerusalem zurück. Vorher gab es den gewöhn¬
lichen Zank mit den Mönchen über Zeche und Backschisch. dann den ebenso
unausbleiblichen mit den Beduinen, die das ihnen gebührende Geleitgeld
sammt! einer Reihe von Jtems für die Fantasie, für'das mir abgetretene
Pferd und der Himmel weiß was noch vor der Rückkunft nach Jerusalem i"
Anspruch nahmen und als Vorstellungen nichts halsen, zu Drohungen schrit¬
ten. Auch damit war bei uns nichts auszurichten, und als der Schech in
seinem Grimm die Keule fortwarf, ließen wir ihn sie suchen und ritten davon,
es ihm anheimstellend, sich seine Gebühr in Löwenthals Haus abzuholen.

Durch ein vielgewundenes Thal, in welchem wir an verschiedenen Stellen
Spuren von Beduinenlagern, Reihen von Kochfeuern und zusammengelegten
Steinen begegnete", kamen wir nach einer Stunde wieder zu weidenden Vieh,
dann zu einzelnen Gerstenfeldern. dann über einen steilen weißschimmernden
Paß zu Gärten mit Feigen- und Maulbecrbüumcn und endlich in die Stadt,
die bereits aus der Höhe des Passes sichtbar geworden war.

Einige Tage später wurde Bethlehem besucht, und zwar allein und z"
Fuß. Der nächste Weg führt aus dem Jaffathor in das Gihonthal hinab
und dann an Montcfiores Windmühle vorbei nach einer Ebne hinauf, an
deren Ende die weißen Gebäude des Eliasklosters sich zeigen. Die Ebne
ist gut bebaut, und auf dem Wege begegnete ich zahlreichen Landleuten. Män¬
nern und Frauen, die mit Gemüse und Hühnern zu Markte zogen. Kurz vor
dem Kloster trifft man einen Brunnen, an welchem die Legende die Weisen
aus dem Morgenlande den Stern wieder erblicken läßt, der sie zum Jesus¬
kind leitete. Das Kloster ist von griechischen Mönchen bewohnt und sehr
fest gebaut, seine Kirche groß,, aber nicht so reich ausgestattet, wie andere
in dieser Gegend. Umfassend ist die Aussicht, die man'vom Dache genießt.
Auf der einen Seite sieht man die Zinnen und Kuppeln Jerusalems, aus
der andern, im Süden. liegt auf einem sattelförmigen Hügel in einem weiten
vorwiegend grauen, vielgegliederten Thalkessel das weißliche Bethlehem und
ein Stück davon das burgartige Krippenkloster. Südwestlich schimmert
zwischen Olivenbäumen das Grab Rahels. ein weißgetünchter Würfel, aus
dem eine kleine Kuppel hervortritt. Eine Strecke davon erscheint der große
Flecken Betdschalah am Berghang. Einzelne Striche sind mit Olivenbäumen,
Neben, Feigen- und Granatbüumeu bepflanzt, hin und wieder erblickt man
Getreidefelder. Den östlichen und südlichen Horizont bilden die Kuppen und
Schluchten von Wüstenhügeln.


Disputation hatte ein Ende. Als ich am Morgen auf meinem Schlasteppich
erwachte, war unser Spanier bereits aufgebrochen, um über Bethlehem nach
Hebron zu gehen, wo er wieder reichliche Gelegenheit gefunden haben wird,
sich all Reliquien zu erbauen.

Wir aber kehrten nach Jerusalem zurück. Vorher gab es den gewöhn¬
lichen Zank mit den Mönchen über Zeche und Backschisch. dann den ebenso
unausbleiblichen mit den Beduinen, die das ihnen gebührende Geleitgeld
sammt! einer Reihe von Jtems für die Fantasie, für'das mir abgetretene
Pferd und der Himmel weiß was noch vor der Rückkunft nach Jerusalem i»
Anspruch nahmen und als Vorstellungen nichts halsen, zu Drohungen schrit¬
ten. Auch damit war bei uns nichts auszurichten, und als der Schech in
seinem Grimm die Keule fortwarf, ließen wir ihn sie suchen und ritten davon,
es ihm anheimstellend, sich seine Gebühr in Löwenthals Haus abzuholen.

Durch ein vielgewundenes Thal, in welchem wir an verschiedenen Stellen
Spuren von Beduinenlagern, Reihen von Kochfeuern und zusammengelegten
Steinen begegnete», kamen wir nach einer Stunde wieder zu weidenden Vieh,
dann zu einzelnen Gerstenfeldern. dann über einen steilen weißschimmernden
Paß zu Gärten mit Feigen- und Maulbecrbüumcn und endlich in die Stadt,
die bereits aus der Höhe des Passes sichtbar geworden war.

Einige Tage später wurde Bethlehem besucht, und zwar allein und z»
Fuß. Der nächste Weg führt aus dem Jaffathor in das Gihonthal hinab
und dann an Montcfiores Windmühle vorbei nach einer Ebne hinauf, an
deren Ende die weißen Gebäude des Eliasklosters sich zeigen. Die Ebne
ist gut bebaut, und auf dem Wege begegnete ich zahlreichen Landleuten. Män¬
nern und Frauen, die mit Gemüse und Hühnern zu Markte zogen. Kurz vor
dem Kloster trifft man einen Brunnen, an welchem die Legende die Weisen
aus dem Morgenlande den Stern wieder erblicken läßt, der sie zum Jesus¬
kind leitete. Das Kloster ist von griechischen Mönchen bewohnt und sehr
fest gebaut, seine Kirche groß,, aber nicht so reich ausgestattet, wie andere
in dieser Gegend. Umfassend ist die Aussicht, die man'vom Dache genießt.
Auf der einen Seite sieht man die Zinnen und Kuppeln Jerusalems, aus
der andern, im Süden. liegt auf einem sattelförmigen Hügel in einem weiten
vorwiegend grauen, vielgegliederten Thalkessel das weißliche Bethlehem und
ein Stück davon das burgartige Krippenkloster. Südwestlich schimmert
zwischen Olivenbäumen das Grab Rahels. ein weißgetünchter Würfel, aus
dem eine kleine Kuppel hervortritt. Eine Strecke davon erscheint der große
Flecken Betdschalah am Berghang. Einzelne Striche sind mit Olivenbäumen,
Neben, Feigen- und Granatbüumeu bepflanzt, hin und wieder erblickt man
Getreidefelder. Den östlichen und südlichen Horizont bilden die Kuppen und
Schluchten von Wüstenhügeln.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/452>, abgerufen am 29.12.2024.