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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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^der ist die Verwaltung damit zufrieden, wenn nur sie selbst sich begreift?
Oder endlich, will man die Verwaltungsbehörde in diesen Fällen nicht als
Partei betrachten, während sie doch in das Rechtsgebiet hinübergreife? Ver¬
kennt man. daß doch immer hierüber nur ein Gericht entscheiden kann, ja
daß die entscheidende Behörde selbst den Namen eines Gerichtshofes führt?
Und soll es grade in diesen Fragen der höchsten Bedeutung, die Tausende mit
""em Mal betreffen können, auf die einzige Entscheidung dieses Gerichtshofes
ankommen, während sonst zwei und drei Instanzen die Sicherheit des Rechts
^ weit als thunlich garnntiren?

In der That, wir müssen den Widerspruch der kurhessischen Stände gegen
jede solche Einrichtung begreisen und billigen, ja wir wundern uns, daß
Ü"abe in den Zeiten der vermeintlichen "Legitimität" -- es gibt auch eine
U'este Legitimität -- diejenigen, die sich auf den Rechtsboden stützen, den
Richter so wenig als ihren eignen Hort und Halt betrachten. Um so ent¬
schiedener aber müssen wir den Widerspruch der kurhcssischen Stände -- sie
haben dabei unerschütterlich beharrt -- gutheißen, wo dieser Cvmpetcnzgerichts-
h"f eine Gestalt erhalten sollte, wie sie Herr Hasscnpflug ausgedacht hat. Er
sollte (Z. 87) -- so lautete die ganze Bestimmung -- bestehen aus zwei
höhern Vcnvaltungs- und zwei höhern Gerichtsbeamten unter dem Vorsitz
^nes Mitgliedes des Gesammtstaatsministeriums oder eines andern geeigneten
höhern Staatsbeamten. Wo wäre da auch nur die mindeste Garantie der
Unbefangenheit gegeben? Damit wäre die Verwaltung allmächtig und der
Willkür Thür und Thor geöffnet! Die Regierung will zwar endlich die Bestim¬
mung dahin sassen. daß die Verhältnisse des Competenzgerichtshofes durch ein
>"it landständischer Zustimmung zu erlassendes Gesetz alsbald weiter geregelt
werden sollen. Aber einstweilen besteht der im Jahr 1853 schon eingesetzte
Gerichtshof! Und wo ist die Gewähr dafür, daß die Negierung den Ständen
alsbald annehmbare Vorschläge macht? Ist das ihre Absicht, warum nicht
gleich jetzt mit solchen hervortreten? Manche Verfassung hätte einen fertigen
Text geboten! Und in die Verfassung gehört eine so wichtige Bestimmung!
Sollten die Stände Kurhesseus jetzt, wo der Kriegszustand, -- der. wie man
sagt, der Bundesversammlung selbst zu lange dauerte. -- eben erst jene Omni-
potenz der Verwaltung vor die Augen geführt und das bestehende Recht du
Seite geschoben und wo die Regierung, ob sie gleich ihre Zwecke erreicht hatte,
un Frieden so lauge gezögert hat, jener Omnipotenz zu entsagen, jetzt nach
vieljährigen Dauer so vieler Provisorien der Verwaltung, sollten die
Stände jetzt so leicht auf jene Zusicherung bauen? Mußten sie acht, wenn
l'e auch für den äußersten Fall zur Einsetzung des Gerichtshofes ehre Zustim¬
mung erklärten, für diesen Fall zugleich beantragen, daß der schon eingesetzte


^der ist die Verwaltung damit zufrieden, wenn nur sie selbst sich begreift?
Oder endlich, will man die Verwaltungsbehörde in diesen Fällen nicht als
Partei betrachten, während sie doch in das Rechtsgebiet hinübergreife? Ver¬
kennt man. daß doch immer hierüber nur ein Gericht entscheiden kann, ja
daß die entscheidende Behörde selbst den Namen eines Gerichtshofes führt?
Und soll es grade in diesen Fragen der höchsten Bedeutung, die Tausende mit
""em Mal betreffen können, auf die einzige Entscheidung dieses Gerichtshofes
ankommen, während sonst zwei und drei Instanzen die Sicherheit des Rechts
^ weit als thunlich garnntiren?

In der That, wir müssen den Widerspruch der kurhessischen Stände gegen
jede solche Einrichtung begreisen und billigen, ja wir wundern uns, daß
Ü»abe in den Zeiten der vermeintlichen „Legitimität" — es gibt auch eine
U'este Legitimität — diejenigen, die sich auf den Rechtsboden stützen, den
Richter so wenig als ihren eignen Hort und Halt betrachten. Um so ent¬
schiedener aber müssen wir den Widerspruch der kurhcssischen Stände — sie
haben dabei unerschütterlich beharrt — gutheißen, wo dieser Cvmpetcnzgerichts-
h"f eine Gestalt erhalten sollte, wie sie Herr Hasscnpflug ausgedacht hat. Er
sollte (Z. 87) — so lautete die ganze Bestimmung — bestehen aus zwei
höhern Vcnvaltungs- und zwei höhern Gerichtsbeamten unter dem Vorsitz
^nes Mitgliedes des Gesammtstaatsministeriums oder eines andern geeigneten
höhern Staatsbeamten. Wo wäre da auch nur die mindeste Garantie der
Unbefangenheit gegeben? Damit wäre die Verwaltung allmächtig und der
Willkür Thür und Thor geöffnet! Die Regierung will zwar endlich die Bestim¬
mung dahin sassen. daß die Verhältnisse des Competenzgerichtshofes durch ein
>»it landständischer Zustimmung zu erlassendes Gesetz alsbald weiter geregelt
werden sollen. Aber einstweilen besteht der im Jahr 1853 schon eingesetzte
Gerichtshof! Und wo ist die Gewähr dafür, daß die Negierung den Ständen
alsbald annehmbare Vorschläge macht? Ist das ihre Absicht, warum nicht
gleich jetzt mit solchen hervortreten? Manche Verfassung hätte einen fertigen
Text geboten! Und in die Verfassung gehört eine so wichtige Bestimmung!
Sollten die Stände Kurhesseus jetzt, wo der Kriegszustand, — der. wie man
sagt, der Bundesversammlung selbst zu lange dauerte. — eben erst jene Omni-
potenz der Verwaltung vor die Augen geführt und das bestehende Recht du
Seite geschoben und wo die Regierung, ob sie gleich ihre Zwecke erreicht hatte,
un Frieden so lauge gezögert hat, jener Omnipotenz zu entsagen, jetzt nach
vieljährigen Dauer so vieler Provisorien der Verwaltung, sollten die
Stände jetzt so leicht auf jene Zusicherung bauen? Mußten sie acht, wenn
l'e auch für den äußersten Fall zur Einsetzung des Gerichtshofes ehre Zustim¬
mung erklärten, für diesen Fall zugleich beantragen, daß der schon eingesetzte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/429>, abgerufen am 23.07.2024.