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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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meintlichen Interessen, oftmals ohne Rücksicht für die daraus entspringenden
Folgen, dringend zur Vorsicht mahnt." Wenn dergleichen aus der "ständi¬
schen" Interessenvertretung entsteht, warum beharrt man dabei? Die Regn"
rung wünscht, daß. wenn eine Vorlage wiederholt von einer Kammer cibge-
lehnt und von einer andern angenommen werde, auf Verlangen der Regierung
beide Kammern zu gemeinschaftlicher Beschlußfassung zusammentreten sollen^
Sie meint, schon die Existenz einer solchen Vorschrift müsse auf das Versälle"
der Kammer von dem wohlthätigsten Einfluß sein und man werde der 9"'
gierung das Vertrauen schenken, daß sie nur in Nothfällen davon Gebrauch
mache! Daß bei einem solchen Zusammentreten der Kammern die städtischen,
vorzugsweise die Intelligenz vertretenden Stimmen der zweiten ganz verlou'"
gingen, hat die Negierung gewiß dabei nicht im Auge gehabt, da doch d>^
Intelligenz die Stütze jedes Gouvernements sein muß. -- Der Bundesauö-
schuß spricht sich gegen die Bestimmung aus, jedoch nur deshalb, weil er zu'
gleich die Verstärkung der ersten Kammer durch sechs vom Landesherr"
ernennende Mitglieder und die Beschränkung des ständischen Steuerbewilligung^
rechtes befürwortet, auch weil sie dem "ständischen" Princip nicht entspreche
Eventuell indessen, wenn die Negierung daraus beharre, schränkt der AusscW
die Bestimmung ein -- worauf wol? -- auf die Fälle, wo Erhöhung oder
Einführung der bestehenden Steuern und Abgaben oder die Verfügung übe'
Ersparnisse in Frage kommt, also auf die wichtigsten Fälle!¬

In §. 50 will die Negierung, nicht zufrieden mit der Strenge ihres ei
genen ersten Werkes, noch einen Zusatz einschalten, durch welchen die Wä^'
harten auf Inländer beschränkt und der Eintritt in die Kammern nur denen
gestattet wird, die dem christlichen Glaubensbekenntniß angehören, sie g>e>ut
nicht, sich "von der Verpflichtung eines christlichen Regiments und des SclM
tzes und Schirmes der christlichen Kirche lossagen, vermeintliche Huinanitä
dem Christenthum vorsetzen und für eine vom christlichen Ncligionsbekenninw
abgelöste Landesvertretung die Garantie des deutschen Bundes beansprucht
zu können."-

Hier aber tritt ihr der Ausschußvortrag entgegen, freilich, ohne die EoN
troverse, ob Juden berechtigt sein sollen, in die Kammer einzutreten, zu en
scheiden und indem er diese Entscheidung dem Wege der Legislation überleg
und damit einen alten Streit fortdauern läßt.

Die §§. 51 und 52 handeln von der Erledigung der Abgeordncleustclle"
durch den Tod. Verzicht. Annahme eines Staatsamtes u. s. w. In >^
ursprünglichen Fassung entsprachen sie den §§. 69 und 70 der Verfassung
183t. welche jedoch daneben das Institut der Stellvertretung hatte, jetzt w>
die Negierung. während jene in jedem Falle, wenn die Stelle eines Abge"^
melen nach bereits erklärter Annahme vor Eröffnung oder nach dem SchU p


meintlichen Interessen, oftmals ohne Rücksicht für die daraus entspringenden
Folgen, dringend zur Vorsicht mahnt." Wenn dergleichen aus der „ständi¬
schen" Interessenvertretung entsteht, warum beharrt man dabei? Die Regn"
rung wünscht, daß. wenn eine Vorlage wiederholt von einer Kammer cibge-
lehnt und von einer andern angenommen werde, auf Verlangen der Regierung
beide Kammern zu gemeinschaftlicher Beschlußfassung zusammentreten sollen^
Sie meint, schon die Existenz einer solchen Vorschrift müsse auf das Versälle»
der Kammer von dem wohlthätigsten Einfluß sein und man werde der 9"'
gierung das Vertrauen schenken, daß sie nur in Nothfällen davon Gebrauch
mache! Daß bei einem solchen Zusammentreten der Kammern die städtischen,
vorzugsweise die Intelligenz vertretenden Stimmen der zweiten ganz verlou'»
gingen, hat die Negierung gewiß dabei nicht im Auge gehabt, da doch d>^
Intelligenz die Stütze jedes Gouvernements sein muß. — Der Bundesauö-
schuß spricht sich gegen die Bestimmung aus, jedoch nur deshalb, weil er zu'
gleich die Verstärkung der ersten Kammer durch sechs vom Landesherr»
ernennende Mitglieder und die Beschränkung des ständischen Steuerbewilligung^
rechtes befürwortet, auch weil sie dem „ständischen" Princip nicht entspreche
Eventuell indessen, wenn die Negierung daraus beharre, schränkt der AusscW
die Bestimmung ein — worauf wol? — auf die Fälle, wo Erhöhung oder
Einführung der bestehenden Steuern und Abgaben oder die Verfügung übe'
Ersparnisse in Frage kommt, also auf die wichtigsten Fälle!¬

In §. 50 will die Negierung, nicht zufrieden mit der Strenge ihres ei
genen ersten Werkes, noch einen Zusatz einschalten, durch welchen die Wä^'
harten auf Inländer beschränkt und der Eintritt in die Kammern nur denen
gestattet wird, die dem christlichen Glaubensbekenntniß angehören, sie g>e>ut
nicht, sich „von der Verpflichtung eines christlichen Regiments und des SclM
tzes und Schirmes der christlichen Kirche lossagen, vermeintliche Huinanitä
dem Christenthum vorsetzen und für eine vom christlichen Ncligionsbekenninw
abgelöste Landesvertretung die Garantie des deutschen Bundes beansprucht
zu können."-

Hier aber tritt ihr der Ausschußvortrag entgegen, freilich, ohne die EoN
troverse, ob Juden berechtigt sein sollen, in die Kammer einzutreten, zu en
scheiden und indem er diese Entscheidung dem Wege der Legislation überleg
und damit einen alten Streit fortdauern läßt.

Die §§. 51 und 52 handeln von der Erledigung der Abgeordncleustclle"
durch den Tod. Verzicht. Annahme eines Staatsamtes u. s. w. In >^
ursprünglichen Fassung entsprachen sie den §§. 69 und 70 der Verfassung
183t. welche jedoch daneben das Institut der Stellvertretung hatte, jetzt w>
die Negierung. während jene in jedem Falle, wenn die Stelle eines Abge"^
melen nach bereits erklärter Annahme vor Eröffnung oder nach dem SchU p


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[0424] meintlichen Interessen, oftmals ohne Rücksicht für die daraus entspringenden Folgen, dringend zur Vorsicht mahnt." Wenn dergleichen aus der „ständi¬ schen" Interessenvertretung entsteht, warum beharrt man dabei? Die Regn" rung wünscht, daß. wenn eine Vorlage wiederholt von einer Kammer cibge- lehnt und von einer andern angenommen werde, auf Verlangen der Regierung beide Kammern zu gemeinschaftlicher Beschlußfassung zusammentreten sollen^ Sie meint, schon die Existenz einer solchen Vorschrift müsse auf das Versälle» der Kammer von dem wohlthätigsten Einfluß sein und man werde der 9"' gierung das Vertrauen schenken, daß sie nur in Nothfällen davon Gebrauch mache! Daß bei einem solchen Zusammentreten der Kammern die städtischen, vorzugsweise die Intelligenz vertretenden Stimmen der zweiten ganz verlou'» gingen, hat die Negierung gewiß dabei nicht im Auge gehabt, da doch d>^ Intelligenz die Stütze jedes Gouvernements sein muß. — Der Bundesauö- schuß spricht sich gegen die Bestimmung aus, jedoch nur deshalb, weil er zu' gleich die Verstärkung der ersten Kammer durch sechs vom Landesherr» ernennende Mitglieder und die Beschränkung des ständischen Steuerbewilligung^ rechtes befürwortet, auch weil sie dem „ständischen" Princip nicht entspreche Eventuell indessen, wenn die Negierung daraus beharre, schränkt der AusscW die Bestimmung ein — worauf wol? — auf die Fälle, wo Erhöhung oder Einführung der bestehenden Steuern und Abgaben oder die Verfügung übe' Ersparnisse in Frage kommt, also auf die wichtigsten Fälle!¬ In §. 50 will die Negierung, nicht zufrieden mit der Strenge ihres ei genen ersten Werkes, noch einen Zusatz einschalten, durch welchen die Wä^' harten auf Inländer beschränkt und der Eintritt in die Kammern nur denen gestattet wird, die dem christlichen Glaubensbekenntniß angehören, sie g>e>ut nicht, sich „von der Verpflichtung eines christlichen Regiments und des SclM tzes und Schirmes der christlichen Kirche lossagen, vermeintliche Huinanitä dem Christenthum vorsetzen und für eine vom christlichen Ncligionsbekenninw abgelöste Landesvertretung die Garantie des deutschen Bundes beansprucht zu können."- Hier aber tritt ihr der Ausschußvortrag entgegen, freilich, ohne die EoN troverse, ob Juden berechtigt sein sollen, in die Kammer einzutreten, zu en scheiden und indem er diese Entscheidung dem Wege der Legislation überleg und damit einen alten Streit fortdauern läßt. Die §§. 51 und 52 handeln von der Erledigung der Abgeordncleustclle" durch den Tod. Verzicht. Annahme eines Staatsamtes u. s. w. In >^ ursprünglichen Fassung entsprachen sie den §§. 69 und 70 der Verfassung 183t. welche jedoch daneben das Institut der Stellvertretung hatte, jetzt w> die Negierung. während jene in jedem Falle, wenn die Stelle eines Abge"^ melen nach bereits erklärter Annahme vor Eröffnung oder nach dem SchU p

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/424>, abgerufen am 23.07.2024.