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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Gurke, und ihren Vetter, den Kürbiß, ferner durch die Bohne, und ihre Stief¬
schwestern Erbse und Linse, durch Kopfsalat, Spinat und Rüben so wie durch
Artischocken vertreten. Die Kartoffel ist so aus der Art geschlagen, daß ihre
Verwandten in Deutschland sie nicht als verwandt, kaum als verschwägert
anerkennen würden. Die palästinensischen Feigen verhalten sich zu denen von
Smyrna wie die Orangen von Jaffa zu denen, die uns Sicilien spendet.
Dagegen sollen die Melonen sehr schön sein, und ebenso werden die Trauben
von Hebron hoch gerühmt.

Für Getränk ist zunächst durch die Cisternen gesorgt, deren Wasser in de>
Zeit, wo ich in Jerusalem war, wie das beste Quellwasser schmeckte; es sott
durch Ablagern noch besser werden und niemals die garstige Blume und Farb?
annehmen, die man bei längern Seereisen an dem mitgenommenen Was!^'
zu verwünschen hat. Der gebildete Verehrer der Gaben Gottes lebt nicht von
Wasser allein, und so genießt er hier auch Kaffee, den ich an den meiste"
Orten schlecht, und Thee, den ich überall gut bekam. Desgleichen stärkt und
erfreut er sein Herz mit Wein; wenn er vermögend ist, mit Bordeaux Num¬
mer eins (Nummer zwei scheint ein Absud von Blauholz, Heidelbeeren und
Alaun zu sein), Champagner, Marsala und Sherry, wenn er hochkirchlieh^
Geistlicher ist, mit dem würdevollen Port, dem Magentrost und Sorgenbrecher
der Männer Altenglands. Der hiesige Landwein ist, gut behandelt, ein nicht
zu verachtendes Naß. Er hat dann einen Geschmack wie Ncßmüllcr und das¬
selbe Feuer. Ich sah nur weißen. Der beste wird von zwei Deutschen, dem
Hospizwärter Thiel und einem gewissen Schäfer in Bethlehem bereitet. Ob ^
sich hält und durch Alter gewinnt, ist noch nicht versucht worden, da man
hier keine geeigneten Keller besitzt. Wie ich hörte, verschickt man ihn jetzt an
Spittler in Basel, und wer von den Lesern seinen Geschmack Probiren will-
kann ihn von da ziemlich wohlfeil beziehen. Vielleicht stellt sich dort sein?
Haltbarkeit heraus, und dann ließe sich durch seine Einführung in die Kirche
der gesunkene Abendmahlsbesuch aufbessern -- ein Gedanke, der denen, welch?
sich in Jerusalem selig fühlten, gewiß praktisch scheinen wird. Der Wein der
Juden ist ein süßlicher rothgefürbter Mischmasch, den Vater Nocch, wie ich
mir ihn denke, gewiß nicht gemocht hätte. Schnäpse aller Art findet man
in den griechischen Schenken, englische Biere bei Löwenthal und im Hotel von
Hauser auf der Christengasse. Daß auch deutscher Gerstensaft in Jerusalem
quillt, werde ich mit gebührendem Patriotismus im nächsten Capitel an einem
Beispiel erläutern.

Der Ton, der durch die fränkische Gesellschaft geht, ist, wie dies von
einer kleinen Colonie nicht anders zu erwarten, ziemlich kleinstädtisch.
nahmen scheinen selten zu sein. Es ist, als ob die Häuser trotz ihrer dicken
Mauern durchsichtig wären, so gut ist jeder über die Verhältnisse seines Nach-


Gurke, und ihren Vetter, den Kürbiß, ferner durch die Bohne, und ihre Stief¬
schwestern Erbse und Linse, durch Kopfsalat, Spinat und Rüben so wie durch
Artischocken vertreten. Die Kartoffel ist so aus der Art geschlagen, daß ihre
Verwandten in Deutschland sie nicht als verwandt, kaum als verschwägert
anerkennen würden. Die palästinensischen Feigen verhalten sich zu denen von
Smyrna wie die Orangen von Jaffa zu denen, die uns Sicilien spendet.
Dagegen sollen die Melonen sehr schön sein, und ebenso werden die Trauben
von Hebron hoch gerühmt.

Für Getränk ist zunächst durch die Cisternen gesorgt, deren Wasser in de>
Zeit, wo ich in Jerusalem war, wie das beste Quellwasser schmeckte; es sott
durch Ablagern noch besser werden und niemals die garstige Blume und Farb?
annehmen, die man bei längern Seereisen an dem mitgenommenen Was!^'
zu verwünschen hat. Der gebildete Verehrer der Gaben Gottes lebt nicht von
Wasser allein, und so genießt er hier auch Kaffee, den ich an den meiste"
Orten schlecht, und Thee, den ich überall gut bekam. Desgleichen stärkt und
erfreut er sein Herz mit Wein; wenn er vermögend ist, mit Bordeaux Num¬
mer eins (Nummer zwei scheint ein Absud von Blauholz, Heidelbeeren und
Alaun zu sein), Champagner, Marsala und Sherry, wenn er hochkirchlieh^
Geistlicher ist, mit dem würdevollen Port, dem Magentrost und Sorgenbrecher
der Männer Altenglands. Der hiesige Landwein ist, gut behandelt, ein nicht
zu verachtendes Naß. Er hat dann einen Geschmack wie Ncßmüllcr und das¬
selbe Feuer. Ich sah nur weißen. Der beste wird von zwei Deutschen, dem
Hospizwärter Thiel und einem gewissen Schäfer in Bethlehem bereitet. Ob ^
sich hält und durch Alter gewinnt, ist noch nicht versucht worden, da man
hier keine geeigneten Keller besitzt. Wie ich hörte, verschickt man ihn jetzt an
Spittler in Basel, und wer von den Lesern seinen Geschmack Probiren will-
kann ihn von da ziemlich wohlfeil beziehen. Vielleicht stellt sich dort sein?
Haltbarkeit heraus, und dann ließe sich durch seine Einführung in die Kirche
der gesunkene Abendmahlsbesuch aufbessern — ein Gedanke, der denen, welch?
sich in Jerusalem selig fühlten, gewiß praktisch scheinen wird. Der Wein der
Juden ist ein süßlicher rothgefürbter Mischmasch, den Vater Nocch, wie ich
mir ihn denke, gewiß nicht gemocht hätte. Schnäpse aller Art findet man
in den griechischen Schenken, englische Biere bei Löwenthal und im Hotel von
Hauser auf der Christengasse. Daß auch deutscher Gerstensaft in Jerusalem
quillt, werde ich mit gebührendem Patriotismus im nächsten Capitel an einem
Beispiel erläutern.

Der Ton, der durch die fränkische Gesellschaft geht, ist, wie dies von
einer kleinen Colonie nicht anders zu erwarten, ziemlich kleinstädtisch.
nahmen scheinen selten zu sein. Es ist, als ob die Häuser trotz ihrer dicken
Mauern durchsichtig wären, so gut ist jeder über die Verhältnisse seines Nach-


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[0384] Gurke, und ihren Vetter, den Kürbiß, ferner durch die Bohne, und ihre Stief¬ schwestern Erbse und Linse, durch Kopfsalat, Spinat und Rüben so wie durch Artischocken vertreten. Die Kartoffel ist so aus der Art geschlagen, daß ihre Verwandten in Deutschland sie nicht als verwandt, kaum als verschwägert anerkennen würden. Die palästinensischen Feigen verhalten sich zu denen von Smyrna wie die Orangen von Jaffa zu denen, die uns Sicilien spendet. Dagegen sollen die Melonen sehr schön sein, und ebenso werden die Trauben von Hebron hoch gerühmt. Für Getränk ist zunächst durch die Cisternen gesorgt, deren Wasser in de> Zeit, wo ich in Jerusalem war, wie das beste Quellwasser schmeckte; es sott durch Ablagern noch besser werden und niemals die garstige Blume und Farb? annehmen, die man bei längern Seereisen an dem mitgenommenen Was!^' zu verwünschen hat. Der gebildete Verehrer der Gaben Gottes lebt nicht von Wasser allein, und so genießt er hier auch Kaffee, den ich an den meiste" Orten schlecht, und Thee, den ich überall gut bekam. Desgleichen stärkt und erfreut er sein Herz mit Wein; wenn er vermögend ist, mit Bordeaux Num¬ mer eins (Nummer zwei scheint ein Absud von Blauholz, Heidelbeeren und Alaun zu sein), Champagner, Marsala und Sherry, wenn er hochkirchlieh^ Geistlicher ist, mit dem würdevollen Port, dem Magentrost und Sorgenbrecher der Männer Altenglands. Der hiesige Landwein ist, gut behandelt, ein nicht zu verachtendes Naß. Er hat dann einen Geschmack wie Ncßmüllcr und das¬ selbe Feuer. Ich sah nur weißen. Der beste wird von zwei Deutschen, dem Hospizwärter Thiel und einem gewissen Schäfer in Bethlehem bereitet. Ob ^ sich hält und durch Alter gewinnt, ist noch nicht versucht worden, da man hier keine geeigneten Keller besitzt. Wie ich hörte, verschickt man ihn jetzt an Spittler in Basel, und wer von den Lesern seinen Geschmack Probiren will- kann ihn von da ziemlich wohlfeil beziehen. Vielleicht stellt sich dort sein? Haltbarkeit heraus, und dann ließe sich durch seine Einführung in die Kirche der gesunkene Abendmahlsbesuch aufbessern — ein Gedanke, der denen, welch? sich in Jerusalem selig fühlten, gewiß praktisch scheinen wird. Der Wein der Juden ist ein süßlicher rothgefürbter Mischmasch, den Vater Nocch, wie ich mir ihn denke, gewiß nicht gemocht hätte. Schnäpse aller Art findet man in den griechischen Schenken, englische Biere bei Löwenthal und im Hotel von Hauser auf der Christengasse. Daß auch deutscher Gerstensaft in Jerusalem quillt, werde ich mit gebührendem Patriotismus im nächsten Capitel an einem Beispiel erläutern. Der Ton, der durch die fränkische Gesellschaft geht, ist, wie dies von einer kleinen Colonie nicht anders zu erwarten, ziemlich kleinstädtisch. nahmen scheinen selten zu sein. Es ist, als ob die Häuser trotz ihrer dicken Mauern durchsichtig wären, so gut ist jeder über die Verhältnisse seines Nach-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/384>, abgerufen am 23.07.2024.