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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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so weniger Recht hatte, als Preußen beträchtliche Summen zu den kirchlichen
Instituten beitrug und namentlich den Gehalt des Bischofs zum großen Theil
bestritt. So kam es zu einem Eompromiß, welches dem deutschen Pfarrer
die Kanzel in der Zionskirche aufschloß, ihm den Gebrauch eines preußischen
Kirchenbuchs bei der Liturgie zugestand und die Fürbitte für den König von
Preußen geschehen ließ. Auch haben die Engländer auf die Reordination der
deutschen Geistlichen Verzicht geleistet. Allein die Stellung des deutschen Theils
der Gemeinde ist noch immer eine untergeordnete; denn ihr Prediger darf nur
einen Sonntag um den andern und dann nur des Nachmittags in der Kircke
den Gottesdienst halten, und wenn der Bischof in deutscher Sprache predigt,
wird noch immer die Uebersetzung der englischen Liturgie gebraucht.

Ich wohnte einem dieser Nachmittagsgottesdienste bei, und ich kann nicht
sagen, daß er mich sehr angesprochen hätte. Die Predigt des Bischofs über
geistige Auferstehung war nicht übel; doch störte der Schweizerdialekt mit
Worten wie Finschterniß. giebscht. bischt u. a.. und die halbenglische Weise
freizusprechen und gleichwol gelegentlich aufs Blatt zu sehen, wollte auch nicht
gefallen. Evangelium und Epistel wurden von einem andern Geistlichen mit
stark englischem Accent verlesen, die Melodie: "Jesus meine Zuversicht" nach
einer weniger schönen Melodie als bei uns gesungen. Das Commonprayer-
book mag sich englisch recht gut ausnehmen. In deutscher Version, in deut¬
schen Gemeinden angewendet, macht es mit seinen genau formulirten An¬
weisungen. Gott "proper" zu dienen, den Eindruck eines Etikettcnbuchs,
welches die Cour am herrgöttlichen Hofe ordnet; mit seinem fünfmaligen
Vaterunser aber und seinem abwechselnden Sprechen der Psalmenverse durch
Geistlichen und Gemeinde erinnert es bald an die klappernde Paternoster-
mühle katholischer Nosenkrcmzandachtcn. bald an das gedankenlose und übel-
klingende Hermurmeln der Gebetordnung in Judenschulen.

War nun in dieser Hinsicht wenigstens ein leidliches Verhältniß zwischen
den beiden Theilen der Gemeinde hergestellt, und schienen die Geistlichen der¬
selbe" sich jetzt gut miteinander zu vertragen, so fand Asmodi, oder wie der
Säemann des Aergernisses in Jerusalem sonst heißt, in neuester Zeit doch
wieder Gelegenheit. Unkraut unter den Weizen zu säen, und es entbrannte ein
großer Zank zwischen dem Bischof und dem englischen Consul, der die Ge¬
meinde noch jetzt in zwei Hälften trennt. Was die eigentliche Ursache und
der Gegenstand des Zerwürfnisses war, habe ich nicht in Erfahrung bringen
können. Die bischöfliche Partei drückte sich darüber sehr unbestimmt aus. so
daß ich glauben möchte, auch sie sei nicht ganz ohne Schuld. Mit den Gegnern
aber meinte ich mich nicht einlassen zu dürfen, da ich in diesem Fall den mir
näher stehenden Deutschen, welche mit der großen Mehrzahl der englischen
Glieder der Gemeinde eifrig bischöflich sind, verdächtig geworden wäre. Viel-


so weniger Recht hatte, als Preußen beträchtliche Summen zu den kirchlichen
Instituten beitrug und namentlich den Gehalt des Bischofs zum großen Theil
bestritt. So kam es zu einem Eompromiß, welches dem deutschen Pfarrer
die Kanzel in der Zionskirche aufschloß, ihm den Gebrauch eines preußischen
Kirchenbuchs bei der Liturgie zugestand und die Fürbitte für den König von
Preußen geschehen ließ. Auch haben die Engländer auf die Reordination der
deutschen Geistlichen Verzicht geleistet. Allein die Stellung des deutschen Theils
der Gemeinde ist noch immer eine untergeordnete; denn ihr Prediger darf nur
einen Sonntag um den andern und dann nur des Nachmittags in der Kircke
den Gottesdienst halten, und wenn der Bischof in deutscher Sprache predigt,
wird noch immer die Uebersetzung der englischen Liturgie gebraucht.

Ich wohnte einem dieser Nachmittagsgottesdienste bei, und ich kann nicht
sagen, daß er mich sehr angesprochen hätte. Die Predigt des Bischofs über
geistige Auferstehung war nicht übel; doch störte der Schweizerdialekt mit
Worten wie Finschterniß. giebscht. bischt u. a.. und die halbenglische Weise
freizusprechen und gleichwol gelegentlich aufs Blatt zu sehen, wollte auch nicht
gefallen. Evangelium und Epistel wurden von einem andern Geistlichen mit
stark englischem Accent verlesen, die Melodie: „Jesus meine Zuversicht" nach
einer weniger schönen Melodie als bei uns gesungen. Das Commonprayer-
book mag sich englisch recht gut ausnehmen. In deutscher Version, in deut¬
schen Gemeinden angewendet, macht es mit seinen genau formulirten An¬
weisungen. Gott „proper" zu dienen, den Eindruck eines Etikettcnbuchs,
welches die Cour am herrgöttlichen Hofe ordnet; mit seinem fünfmaligen
Vaterunser aber und seinem abwechselnden Sprechen der Psalmenverse durch
Geistlichen und Gemeinde erinnert es bald an die klappernde Paternoster-
mühle katholischer Nosenkrcmzandachtcn. bald an das gedankenlose und übel-
klingende Hermurmeln der Gebetordnung in Judenschulen.

War nun in dieser Hinsicht wenigstens ein leidliches Verhältniß zwischen
den beiden Theilen der Gemeinde hergestellt, und schienen die Geistlichen der¬
selbe» sich jetzt gut miteinander zu vertragen, so fand Asmodi, oder wie der
Säemann des Aergernisses in Jerusalem sonst heißt, in neuester Zeit doch
wieder Gelegenheit. Unkraut unter den Weizen zu säen, und es entbrannte ein
großer Zank zwischen dem Bischof und dem englischen Consul, der die Ge¬
meinde noch jetzt in zwei Hälften trennt. Was die eigentliche Ursache und
der Gegenstand des Zerwürfnisses war, habe ich nicht in Erfahrung bringen
können. Die bischöfliche Partei drückte sich darüber sehr unbestimmt aus. so
daß ich glauben möchte, auch sie sei nicht ganz ohne Schuld. Mit den Gegnern
aber meinte ich mich nicht einlassen zu dürfen, da ich in diesem Fall den mir
näher stehenden Deutschen, welche mit der großen Mehrzahl der englischen
Glieder der Gemeinde eifrig bischöflich sind, verdächtig geworden wäre. Viel-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/380>, abgerufen am 29.12.2024.