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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Nicht weit vom Palast des armenischen Patriarchen wohnt seit Jahren
^n unter einem Feigenbaum ein englischer Sonderling Namens Jones (nach
Indern Dickson), der sich, in allen übrigen Dingen ziemlich vernünftig, für
Johannes Baptista des wiederkehrenden Christus hält. Er stößt jeden
^gen und jeden Abend in die Posaune, um die Nähe des tausendjährigen
k'ass. dessen Engeln er gelegentlich in Visionen Zwiesprache hält, der
^uigerl Stadt zu melden. Früher sah man ihn mit einem Lamme, das er
^ einem Bande führte, spazieren gehen, und da er sich auf die Malerei ver-
so porträtirte er das Thier, und zwar der Abwechslung halber bald
bald blau, bald in andern Farben. Zwei der hiesigen Geistlichen be¬
achten ihn einmal, um ihn von seiner Monomanie zu heilen. Als sie aber
^ggingen, fanden sie, daß ihre Vorstellungen ihn nur in der Ueberzeugung
seiner Mission bestärkt hatten. Der Besuch der "Schriftgelehrten" war
^ ein Zeichen gewesen, daß er der rechte Johannes sei. Was ich mit dem
^Um der Geistlichen sprach, wird dieselbe Wirkung gehabt haben. Aber viel-
M werden dem Beklagenswerthen einmal die Augen aufgethan werden und
^wird die betrübende Wahrheit erkennen, daß Mr. Dickson mir die Caricatur
^ übrigen Chiliasten ist, denen blos der Feigenbaum, die Posaune und das
"ne Lamm mangeln. Bis dahin mag er mir, der ihn in andern Beziehungen
schätzt, ein geneigtes Andenken bewahren.

^ Daß der Streitteufel, der in der Luft Jerusalems schwebt, auch unter den
,^°testanten Unheil anstiften würde, war schon deshalb zu erwarten, weil er
der Verschiedenheit der Nationen, welche die Gemeinde vereinigt, und in
^ starren, stolzen Exklusivität der englischen Hochkirche ein passendes Feld für
Saat fand. Ebenso verstand sich von selbst, daß es dabei zu keinen
, )en UnWürdigkeiten und Roheiten kommen könnte, wie sie die streitig¬
en der Lateiner und der Griechen bezeichnen.

Es war indeß immerhin schlimmer, als es hätte sein sollen. Lange Zeit
^Mühle sich der König von Preußen vergeblich, der preußischen Kirche in
^'usakm eine ebenbürtige Stellung mit der englischen zu erwirken. Die
tuschen Bischöfe schlugen das Verlangen, dem hier wie in England den
°nesdienst regelnden Commonprayerbook die Fürbitte für den deutschen Für-
. " einzuverleiben, rund ab. Sie wollten dem deutschen Geistlichen die Er-
^riß, i" ^ gemeinschaftlichen Kirche zu functioniren. nicht eher ertheilen.
^ ^ er sich der englischen Ordination unterworfen habe, die nach dem
'"üben der Hochkirche allein den rechten heiligen Geist fortpflanzt. Sie ge-
^"°ten zwar, daß die deutsche Sprache in der Kirche gebraucht werde, aber
e Deutschen sollten nur Nachmittags eine Predigt in ihrer Zunge hören und
) nur der englischen Liturgie bedienen dürfen. Das gab natürlich böses
und rief wiederholten Einspruch gegen diesen Hochmuth hervor, der um


Nicht weit vom Palast des armenischen Patriarchen wohnt seit Jahren
^n unter einem Feigenbaum ein englischer Sonderling Namens Jones (nach
Indern Dickson), der sich, in allen übrigen Dingen ziemlich vernünftig, für
Johannes Baptista des wiederkehrenden Christus hält. Er stößt jeden
^gen und jeden Abend in die Posaune, um die Nähe des tausendjährigen
k'ass. dessen Engeln er gelegentlich in Visionen Zwiesprache hält, der
^uigerl Stadt zu melden. Früher sah man ihn mit einem Lamme, das er
^ einem Bande führte, spazieren gehen, und da er sich auf die Malerei ver-
so porträtirte er das Thier, und zwar der Abwechslung halber bald
bald blau, bald in andern Farben. Zwei der hiesigen Geistlichen be¬
achten ihn einmal, um ihn von seiner Monomanie zu heilen. Als sie aber
^ggingen, fanden sie, daß ihre Vorstellungen ihn nur in der Ueberzeugung
seiner Mission bestärkt hatten. Der Besuch der „Schriftgelehrten" war
^ ein Zeichen gewesen, daß er der rechte Johannes sei. Was ich mit dem
^Um der Geistlichen sprach, wird dieselbe Wirkung gehabt haben. Aber viel-
M werden dem Beklagenswerthen einmal die Augen aufgethan werden und
^wird die betrübende Wahrheit erkennen, daß Mr. Dickson mir die Caricatur
^ übrigen Chiliasten ist, denen blos der Feigenbaum, die Posaune und das
"ne Lamm mangeln. Bis dahin mag er mir, der ihn in andern Beziehungen
schätzt, ein geneigtes Andenken bewahren.

^ Daß der Streitteufel, der in der Luft Jerusalems schwebt, auch unter den
,^°testanten Unheil anstiften würde, war schon deshalb zu erwarten, weil er
der Verschiedenheit der Nationen, welche die Gemeinde vereinigt, und in
^ starren, stolzen Exklusivität der englischen Hochkirche ein passendes Feld für
Saat fand. Ebenso verstand sich von selbst, daß es dabei zu keinen
, )en UnWürdigkeiten und Roheiten kommen könnte, wie sie die streitig¬
en der Lateiner und der Griechen bezeichnen.

Es war indeß immerhin schlimmer, als es hätte sein sollen. Lange Zeit
^Mühle sich der König von Preußen vergeblich, der preußischen Kirche in
^'usakm eine ebenbürtige Stellung mit der englischen zu erwirken. Die
tuschen Bischöfe schlugen das Verlangen, dem hier wie in England den
°nesdienst regelnden Commonprayerbook die Fürbitte für den deutschen Für-
. " einzuverleiben, rund ab. Sie wollten dem deutschen Geistlichen die Er-
^riß, i„ ^ gemeinschaftlichen Kirche zu functioniren. nicht eher ertheilen.
^ ^ er sich der englischen Ordination unterworfen habe, die nach dem
'"üben der Hochkirche allein den rechten heiligen Geist fortpflanzt. Sie ge-
^"°ten zwar, daß die deutsche Sprache in der Kirche gebraucht werde, aber
e Deutschen sollten nur Nachmittags eine Predigt in ihrer Zunge hören und
) nur der englischen Liturgie bedienen dürfen. Das gab natürlich böses
und rief wiederholten Einspruch gegen diesen Hochmuth hervor, der um


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[0379] Nicht weit vom Palast des armenischen Patriarchen wohnt seit Jahren ^n unter einem Feigenbaum ein englischer Sonderling Namens Jones (nach Indern Dickson), der sich, in allen übrigen Dingen ziemlich vernünftig, für Johannes Baptista des wiederkehrenden Christus hält. Er stößt jeden ^gen und jeden Abend in die Posaune, um die Nähe des tausendjährigen k'ass. dessen Engeln er gelegentlich in Visionen Zwiesprache hält, der ^uigerl Stadt zu melden. Früher sah man ihn mit einem Lamme, das er ^ einem Bande führte, spazieren gehen, und da er sich auf die Malerei ver- so porträtirte er das Thier, und zwar der Abwechslung halber bald bald blau, bald in andern Farben. Zwei der hiesigen Geistlichen be¬ achten ihn einmal, um ihn von seiner Monomanie zu heilen. Als sie aber ^ggingen, fanden sie, daß ihre Vorstellungen ihn nur in der Ueberzeugung seiner Mission bestärkt hatten. Der Besuch der „Schriftgelehrten" war ^ ein Zeichen gewesen, daß er der rechte Johannes sei. Was ich mit dem ^Um der Geistlichen sprach, wird dieselbe Wirkung gehabt haben. Aber viel- M werden dem Beklagenswerthen einmal die Augen aufgethan werden und ^wird die betrübende Wahrheit erkennen, daß Mr. Dickson mir die Caricatur ^ übrigen Chiliasten ist, denen blos der Feigenbaum, die Posaune und das "ne Lamm mangeln. Bis dahin mag er mir, der ihn in andern Beziehungen schätzt, ein geneigtes Andenken bewahren. ^ Daß der Streitteufel, der in der Luft Jerusalems schwebt, auch unter den ,^°testanten Unheil anstiften würde, war schon deshalb zu erwarten, weil er der Verschiedenheit der Nationen, welche die Gemeinde vereinigt, und in ^ starren, stolzen Exklusivität der englischen Hochkirche ein passendes Feld für Saat fand. Ebenso verstand sich von selbst, daß es dabei zu keinen , )en UnWürdigkeiten und Roheiten kommen könnte, wie sie die streitig¬ en der Lateiner und der Griechen bezeichnen. Es war indeß immerhin schlimmer, als es hätte sein sollen. Lange Zeit ^Mühle sich der König von Preußen vergeblich, der preußischen Kirche in ^'usakm eine ebenbürtige Stellung mit der englischen zu erwirken. Die tuschen Bischöfe schlugen das Verlangen, dem hier wie in England den °nesdienst regelnden Commonprayerbook die Fürbitte für den deutschen Für- . " einzuverleiben, rund ab. Sie wollten dem deutschen Geistlichen die Er- ^riß, i„ ^ gemeinschaftlichen Kirche zu functioniren. nicht eher ertheilen. ^ ^ er sich der englischen Ordination unterworfen habe, die nach dem '"üben der Hochkirche allein den rechten heiligen Geist fortpflanzt. Sie ge- ^"°ten zwar, daß die deutsche Sprache in der Kirche gebraucht werde, aber e Deutschen sollten nur Nachmittags eine Predigt in ihrer Zunge hören und ) nur der englischen Liturgie bedienen dürfen. Das gab natürlich böses und rief wiederholten Einspruch gegen diesen Hochmuth hervor, der um

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/379>, abgerufen am 29.12.2024.