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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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kurzem nicht besser erging. Nachdem der französische Consul lange Zeit. sM
nicht aus Neigung zu der Persönlichkeit des Monsignore. sondern weil dieser
im^Sinne Frankreichs wirkte, die Partei des Patriarchen vertreten, hat
sich jetzt mit ihm überworfen. Die Strafe folgte dem auf dem Fuße. Am
Feste Maria Empfüngniß begab sich der Konsul zur Kirche, ohne den Patri¬
archen, wie dieser erwartet, abzuholen. Die Folge war. daß dem Consul,
als er in die Kirche trat, kein Weihwasser gereicht wurde, und daß die Geist'
lichen Valergas sich so stellten, daß jener nicht zu seinem Tabouret gelangen
konnte. Er verlangte nun durch einen Abgesandten das ihm gebührende
Wasser, aber ein Priester machte ihm über den Köpfen der Menge lachend
das bekannte Zeichen mit den Fingern, wodurch die Italiener emphatisch aus¬
drücken: Es gibt durchaus nichts! und der Verhöhnte mußte abziehen. Ein
Zeugniß für die kläglich kleinstädtische Art. in der man hier Politik treibt,
ist der Umstand, daß er sich sofort zu einem Besuch bei der Gegenpartei,
dem Revercndissimus der Franciscaner begab.

Inzwischen setzte der Patriarch seinen Kampf mit den widerspenstige"
Mönchen rüstig fort, ohne jedoch große Erfolge davonzutragen. Er bean¬
spruchte für sich und die von ihm gegründeten Anstalten ein Drittel der Ein-
nahmen des Klosters. Dieses weigerte sich und appellirte an den Papst, und
nach langen Verhandlungen wurde entschieden, daß der Patriarch jährlich
l6.000 spanische Thaler von dem Einkommen der Franciscaner haben sollte-
Man hat ihm aber auch diese bis jetzt nicht ausgezahlt, und so ist er ans
das beschränkt, was ihm die Propaganda de Lyon sendet. Er wünschte ferner
die Franciscaner ganz zu entfernen und statt ihrer französische Lazaristen ein¬
ziehen zu lassen. Auch dieses ist mißlungen. Er versuchte verschiedene Wege,
die Franciscaner zu verdächtigen, aber keiner führte bis jetzt zum Ziel. Das
folgende Beispiel für die Art und Weise, in der er und das ihn unterstützende
französische Consulat dabei verfuhr, ist charakteristisch sowol in Bezug ans
ihn und seine weltlichen Bundesgenossen, als in Bezug auf die Gegner.r

Ein Spanier C. schreibt an die Väter Franciscaner, ob ein reicher alte
Herr wie er in Jerusalem angenehm leben könne, wozu er den Genuß von
Theater, Abendunterhaltungen, Spazierfahrten u. d. in. rechne; er gedenke
in diesem Falle seinen Lebensabend hier zu beschließen. Es wird ihm. viel¬
leicht in der Hoffnung auf ein ansehnliches Legat.' bejahend geantwortet, er
kommt an. und obwol er es anders finden mußte, zeigte er sich über den
Unterschied zwischen Brief und Wirklichkeit durchaus nicht verwundert. Er
hatte eine junge hübsche Dame mitgebracht, die er für seine Nichte ausgab,
und deren Betragen ihren Namen -- sie hieß Donna Jnnoccnzo. -- zu
fertigen schien. Nun begab sichs, daß er einige Wochen nach seiner Ankunft
in Geschäften nach Jaffa verreisen mußte. Er ließ die Nichte in Jerusalem


kurzem nicht besser erging. Nachdem der französische Consul lange Zeit. sM
nicht aus Neigung zu der Persönlichkeit des Monsignore. sondern weil dieser
im^Sinne Frankreichs wirkte, die Partei des Patriarchen vertreten, hat
sich jetzt mit ihm überworfen. Die Strafe folgte dem auf dem Fuße. Am
Feste Maria Empfüngniß begab sich der Konsul zur Kirche, ohne den Patri¬
archen, wie dieser erwartet, abzuholen. Die Folge war. daß dem Consul,
als er in die Kirche trat, kein Weihwasser gereicht wurde, und daß die Geist'
lichen Valergas sich so stellten, daß jener nicht zu seinem Tabouret gelangen
konnte. Er verlangte nun durch einen Abgesandten das ihm gebührende
Wasser, aber ein Priester machte ihm über den Köpfen der Menge lachend
das bekannte Zeichen mit den Fingern, wodurch die Italiener emphatisch aus¬
drücken: Es gibt durchaus nichts! und der Verhöhnte mußte abziehen. Ein
Zeugniß für die kläglich kleinstädtische Art. in der man hier Politik treibt,
ist der Umstand, daß er sich sofort zu einem Besuch bei der Gegenpartei,
dem Revercndissimus der Franciscaner begab.

Inzwischen setzte der Patriarch seinen Kampf mit den widerspenstige"
Mönchen rüstig fort, ohne jedoch große Erfolge davonzutragen. Er bean¬
spruchte für sich und die von ihm gegründeten Anstalten ein Drittel der Ein-
nahmen des Klosters. Dieses weigerte sich und appellirte an den Papst, und
nach langen Verhandlungen wurde entschieden, daß der Patriarch jährlich
l6.000 spanische Thaler von dem Einkommen der Franciscaner haben sollte-
Man hat ihm aber auch diese bis jetzt nicht ausgezahlt, und so ist er ans
das beschränkt, was ihm die Propaganda de Lyon sendet. Er wünschte ferner
die Franciscaner ganz zu entfernen und statt ihrer französische Lazaristen ein¬
ziehen zu lassen. Auch dieses ist mißlungen. Er versuchte verschiedene Wege,
die Franciscaner zu verdächtigen, aber keiner führte bis jetzt zum Ziel. Das
folgende Beispiel für die Art und Weise, in der er und das ihn unterstützende
französische Consulat dabei verfuhr, ist charakteristisch sowol in Bezug ans
ihn und seine weltlichen Bundesgenossen, als in Bezug auf die Gegner.r

Ein Spanier C. schreibt an die Väter Franciscaner, ob ein reicher alte
Herr wie er in Jerusalem angenehm leben könne, wozu er den Genuß von
Theater, Abendunterhaltungen, Spazierfahrten u. d. in. rechne; er gedenke
in diesem Falle seinen Lebensabend hier zu beschließen. Es wird ihm. viel¬
leicht in der Hoffnung auf ein ansehnliches Legat.' bejahend geantwortet, er
kommt an. und obwol er es anders finden mußte, zeigte er sich über den
Unterschied zwischen Brief und Wirklichkeit durchaus nicht verwundert. Er
hatte eine junge hübsche Dame mitgebracht, die er für seine Nichte ausgab,
und deren Betragen ihren Namen — sie hieß Donna Jnnoccnzo. — zu
fertigen schien. Nun begab sichs, daß er einige Wochen nach seiner Ankunft
in Geschäften nach Jaffa verreisen mußte. Er ließ die Nichte in Jerusalem


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[0358] kurzem nicht besser erging. Nachdem der französische Consul lange Zeit. sM nicht aus Neigung zu der Persönlichkeit des Monsignore. sondern weil dieser im^Sinne Frankreichs wirkte, die Partei des Patriarchen vertreten, hat sich jetzt mit ihm überworfen. Die Strafe folgte dem auf dem Fuße. Am Feste Maria Empfüngniß begab sich der Konsul zur Kirche, ohne den Patri¬ archen, wie dieser erwartet, abzuholen. Die Folge war. daß dem Consul, als er in die Kirche trat, kein Weihwasser gereicht wurde, und daß die Geist' lichen Valergas sich so stellten, daß jener nicht zu seinem Tabouret gelangen konnte. Er verlangte nun durch einen Abgesandten das ihm gebührende Wasser, aber ein Priester machte ihm über den Köpfen der Menge lachend das bekannte Zeichen mit den Fingern, wodurch die Italiener emphatisch aus¬ drücken: Es gibt durchaus nichts! und der Verhöhnte mußte abziehen. Ein Zeugniß für die kläglich kleinstädtische Art. in der man hier Politik treibt, ist der Umstand, daß er sich sofort zu einem Besuch bei der Gegenpartei, dem Revercndissimus der Franciscaner begab. Inzwischen setzte der Patriarch seinen Kampf mit den widerspenstige" Mönchen rüstig fort, ohne jedoch große Erfolge davonzutragen. Er bean¬ spruchte für sich und die von ihm gegründeten Anstalten ein Drittel der Ein- nahmen des Klosters. Dieses weigerte sich und appellirte an den Papst, und nach langen Verhandlungen wurde entschieden, daß der Patriarch jährlich l6.000 spanische Thaler von dem Einkommen der Franciscaner haben sollte- Man hat ihm aber auch diese bis jetzt nicht ausgezahlt, und so ist er ans das beschränkt, was ihm die Propaganda de Lyon sendet. Er wünschte ferner die Franciscaner ganz zu entfernen und statt ihrer französische Lazaristen ein¬ ziehen zu lassen. Auch dieses ist mißlungen. Er versuchte verschiedene Wege, die Franciscaner zu verdächtigen, aber keiner führte bis jetzt zum Ziel. Das folgende Beispiel für die Art und Weise, in der er und das ihn unterstützende französische Consulat dabei verfuhr, ist charakteristisch sowol in Bezug ans ihn und seine weltlichen Bundesgenossen, als in Bezug auf die Gegner.r Ein Spanier C. schreibt an die Väter Franciscaner, ob ein reicher alte Herr wie er in Jerusalem angenehm leben könne, wozu er den Genuß von Theater, Abendunterhaltungen, Spazierfahrten u. d. in. rechne; er gedenke in diesem Falle seinen Lebensabend hier zu beschließen. Es wird ihm. viel¬ leicht in der Hoffnung auf ein ansehnliches Legat.' bejahend geantwortet, er kommt an. und obwol er es anders finden mußte, zeigte er sich über den Unterschied zwischen Brief und Wirklichkeit durchaus nicht verwundert. Er hatte eine junge hübsche Dame mitgebracht, die er für seine Nichte ausgab, und deren Betragen ihren Namen — sie hieß Donna Jnnoccnzo. — zu fertigen schien. Nun begab sichs, daß er einige Wochen nach seiner Ankunft in Geschäften nach Jaffa verreisen mußte. Er ließ die Nichte in Jerusalem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/358>, abgerufen am 22.07.2024.