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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Rußland als ihre Schutzmacht und als künstigen Erben des heiligen Landes
erscheinen zu lassen, vereitelt, das Jmponirende seines Auftretens durch den
Glanz der Königskrone wenigstens geschwächt worden.

Die Griechen haben es übrigens leicht, Eroberungen zu machen, da ihre
Hauptgegner, die Lateiner, genug zu thun haben mit dem Austrag der
Streitigkeiten, die sie in zwei große Lager trennen. Die Lateiner, d. h- ^
Bekenner der römisch-katholischen Kirche, bestehen theils aus arabischen EM-
geborncn, die meist durch Bekehrung gewonnen worden find"), theils aus
eingewanderten Franzosen, Spaniern, Italienern und Deutschen. Sie send
zum größeren Theil sehr arm und zahlen, während die Griechen gegen zwe>'
tausend Köpfe stark sind, nur etwas über neunhundert Seelen. Ihr Centrum,
gewissermaßen ihre Burg, ist seit alten Zeiten das Franciscanerkloster S>,
Salvator, welches, von den Arabern Der El Frandsch genannt, nicht fern
vom Jnfsathor im Nordwesten der Stadt liegt. Es ist ein ausgedehnte"
solider Bau, dessen Terrassen eine gute Aussicht über die Stadt bieten, und
in welchem jetzt etwa sechzig Mönche wohnen, deren Vorstand den Titel Gucw
blau und Custos des heiligen Landes führt. Mit dem Kloster ist eine Kirche
eine Schule und in der sogenannten Casa nuova eine Pilgerherberge ve>-
bunten. Außerdem enthält es eine Druckerei, deren Vorstand ein deutsche
Mönch, Pater Heribert ist, und mehre Werkstätten, in denen Laienbrüde>
Schmiede-, Tischler-, Schuster- und Schneiderarbeiten verfertigen. Obwol den
Mönchen wiederholt große Geschenke zuflössen und aus Oestreich alljährlich d^
Ertrag einer Collecte hierhergelangt, sind die Ausgaben doch immer so bedeu¬
tend gewesen, daß das Kloster tief verschuldet ist. Die Mönche, die von den
Einen als unwissende Tröpfe, verbannte Banditen u. s. w., von den Arde"'
als halbe Engel und wahre Hüter und Verkünder der untrüglichen Ueberl'e-
serungen geschildert werden**) betrachten sich, und zwar, da ihre Congregation
der Grundstock der lateinischen Gemeinden in Palästina ist, nicht mit Unreehl-
als Eigenthümer des Antheils, den die katholische Kirche an den heiligen
Stätten hat, und sie schälkelen und walteten früher fast uneingeschränkt und
nur vom Papst abhängig über die Mittel und die Institute, die mit ih>'""
Kloster und den übrigen Franciscanerhäusern der Terra Santa verbunden sind-
Seit einigen Jahren aber ist ihnen in der Person des Monsignore Giuseppe
Valerga, eines Piemontesen, der, nachdem er eine Zeit lang Missionär >n
Mossul gewesen, zum Patriarchen von Jerusalem ernannt wurde, ein Bö>-
gesetzter gegeben worden, welcher, indem er den Ansprüchen des Franciscaner-




") Nicht durch Bekehrung vom Islam, denn darauf steht noch jetzt Todesstrafe, fort""
von andern christlichen Sekten und vom Judenthum.°
") Ich habe bei ihnen nur Gutherzigkeit, Gefälligkeit und Gastfreundschaft bei gr^
geistiger Beschränktheit gesunden.

Rußland als ihre Schutzmacht und als künstigen Erben des heiligen Landes
erscheinen zu lassen, vereitelt, das Jmponirende seines Auftretens durch den
Glanz der Königskrone wenigstens geschwächt worden.

Die Griechen haben es übrigens leicht, Eroberungen zu machen, da ihre
Hauptgegner, die Lateiner, genug zu thun haben mit dem Austrag der
Streitigkeiten, die sie in zwei große Lager trennen. Die Lateiner, d. h- ^
Bekenner der römisch-katholischen Kirche, bestehen theils aus arabischen EM-
geborncn, die meist durch Bekehrung gewonnen worden find"), theils aus
eingewanderten Franzosen, Spaniern, Italienern und Deutschen. Sie send
zum größeren Theil sehr arm und zahlen, während die Griechen gegen zwe>'
tausend Köpfe stark sind, nur etwas über neunhundert Seelen. Ihr Centrum,
gewissermaßen ihre Burg, ist seit alten Zeiten das Franciscanerkloster S>,
Salvator, welches, von den Arabern Der El Frandsch genannt, nicht fern
vom Jnfsathor im Nordwesten der Stadt liegt. Es ist ein ausgedehnte»
solider Bau, dessen Terrassen eine gute Aussicht über die Stadt bieten, und
in welchem jetzt etwa sechzig Mönche wohnen, deren Vorstand den Titel Gucw
blau und Custos des heiligen Landes führt. Mit dem Kloster ist eine Kirche
eine Schule und in der sogenannten Casa nuova eine Pilgerherberge ve>-
bunten. Außerdem enthält es eine Druckerei, deren Vorstand ein deutsche
Mönch, Pater Heribert ist, und mehre Werkstätten, in denen Laienbrüde>
Schmiede-, Tischler-, Schuster- und Schneiderarbeiten verfertigen. Obwol den
Mönchen wiederholt große Geschenke zuflössen und aus Oestreich alljährlich d^
Ertrag einer Collecte hierhergelangt, sind die Ausgaben doch immer so bedeu¬
tend gewesen, daß das Kloster tief verschuldet ist. Die Mönche, die von den
Einen als unwissende Tröpfe, verbannte Banditen u. s. w., von den Arde"'
als halbe Engel und wahre Hüter und Verkünder der untrüglichen Ueberl'e-
serungen geschildert werden**) betrachten sich, und zwar, da ihre Congregation
der Grundstock der lateinischen Gemeinden in Palästina ist, nicht mit Unreehl-
als Eigenthümer des Antheils, den die katholische Kirche an den heiligen
Stätten hat, und sie schälkelen und walteten früher fast uneingeschränkt und
nur vom Papst abhängig über die Mittel und die Institute, die mit ih>'""
Kloster und den übrigen Franciscanerhäusern der Terra Santa verbunden sind-
Seit einigen Jahren aber ist ihnen in der Person des Monsignore Giuseppe
Valerga, eines Piemontesen, der, nachdem er eine Zeit lang Missionär >n
Mossul gewesen, zum Patriarchen von Jerusalem ernannt wurde, ein Bö>-
gesetzter gegeben worden, welcher, indem er den Ansprüchen des Franciscaner-




") Nicht durch Bekehrung vom Islam, denn darauf steht noch jetzt Todesstrafe, fort«"
von andern christlichen Sekten und vom Judenthum.°
") Ich habe bei ihnen nur Gutherzigkeit, Gefälligkeit und Gastfreundschaft bei gr^
geistiger Beschränktheit gesunden.
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[0354] Rußland als ihre Schutzmacht und als künstigen Erben des heiligen Landes erscheinen zu lassen, vereitelt, das Jmponirende seines Auftretens durch den Glanz der Königskrone wenigstens geschwächt worden. Die Griechen haben es übrigens leicht, Eroberungen zu machen, da ihre Hauptgegner, die Lateiner, genug zu thun haben mit dem Austrag der Streitigkeiten, die sie in zwei große Lager trennen. Die Lateiner, d. h- ^ Bekenner der römisch-katholischen Kirche, bestehen theils aus arabischen EM- geborncn, die meist durch Bekehrung gewonnen worden find"), theils aus eingewanderten Franzosen, Spaniern, Italienern und Deutschen. Sie send zum größeren Theil sehr arm und zahlen, während die Griechen gegen zwe>' tausend Köpfe stark sind, nur etwas über neunhundert Seelen. Ihr Centrum, gewissermaßen ihre Burg, ist seit alten Zeiten das Franciscanerkloster S>, Salvator, welches, von den Arabern Der El Frandsch genannt, nicht fern vom Jnfsathor im Nordwesten der Stadt liegt. Es ist ein ausgedehnte» solider Bau, dessen Terrassen eine gute Aussicht über die Stadt bieten, und in welchem jetzt etwa sechzig Mönche wohnen, deren Vorstand den Titel Gucw blau und Custos des heiligen Landes führt. Mit dem Kloster ist eine Kirche eine Schule und in der sogenannten Casa nuova eine Pilgerherberge ve>- bunten. Außerdem enthält es eine Druckerei, deren Vorstand ein deutsche Mönch, Pater Heribert ist, und mehre Werkstätten, in denen Laienbrüde> Schmiede-, Tischler-, Schuster- und Schneiderarbeiten verfertigen. Obwol den Mönchen wiederholt große Geschenke zuflössen und aus Oestreich alljährlich d^ Ertrag einer Collecte hierhergelangt, sind die Ausgaben doch immer so bedeu¬ tend gewesen, daß das Kloster tief verschuldet ist. Die Mönche, die von den Einen als unwissende Tröpfe, verbannte Banditen u. s. w., von den Arde"' als halbe Engel und wahre Hüter und Verkünder der untrüglichen Ueberl'e- serungen geschildert werden**) betrachten sich, und zwar, da ihre Congregation der Grundstock der lateinischen Gemeinden in Palästina ist, nicht mit Unreehl- als Eigenthümer des Antheils, den die katholische Kirche an den heiligen Stätten hat, und sie schälkelen und walteten früher fast uneingeschränkt und nur vom Papst abhängig über die Mittel und die Institute, die mit ih>'"" Kloster und den übrigen Franciscanerhäusern der Terra Santa verbunden sind- Seit einigen Jahren aber ist ihnen in der Person des Monsignore Giuseppe Valerga, eines Piemontesen, der, nachdem er eine Zeit lang Missionär >n Mossul gewesen, zum Patriarchen von Jerusalem ernannt wurde, ein Bö>- gesetzter gegeben worden, welcher, indem er den Ansprüchen des Franciscaner- ") Nicht durch Bekehrung vom Islam, denn darauf steht noch jetzt Todesstrafe, fort«" von andern christlichen Sekten und vom Judenthum.° ") Ich habe bei ihnen nur Gutherzigkeit, Gefälligkeit und Gastfreundschaft bei gr^ geistiger Beschränktheit gesunden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/354>, abgerufen am 29.12.2024.