Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Altar flimmert von Gold- und Silberschmuck. Von der Decke hängen zahlreiche
Lampen und Straußeneier herab, und auf mächtigen Kandelabern ragen do
wie Säulen bemalte Wachskerzen empor. Zwischen Schiff und Chor steht
ein vergoldeter Thronsessel mit einem reichverzierten Baldachin, vor dem eure
ewige Lampe brennt. Aus ihm sitzt, unsichtbar, aber dem Glauben siehe''
der heilige Jakobus. Daneben steht ein weniger prächtiger Stuhl für seinen
Stellvertreter, den Patriarchen. Auch hier finden sich schöne Arbeiten der arme¬
nischen Gitterschmicde. Noch bewundernswerther aber sind die eingelegten,
mit den elegantesten Mustern von Perlmutter- und Schildkrotmosaik über¬
kleideten Thüren, welche in das Grab des heiligen Jakobus und in die
Schatzkammer des' Klosters führen. Die Masse von goldenen und silbernen
Zierrathen. Gewändern, Bischosstäben und kirchlichen Gefäßen, die hier ver¬
wahrt wird, um die Osterprocession zu mehrer Erbauung der Pilger zu
schmücken, soll einen Werth von einer Million Piastern haben.

Die Zahl der in Jerusalem ansässigen Armenier soll etwa sechshundert
betragen. Um die Osterzeit mögen in guten Jahren fünfmal so viele
versammelt sein. Sie nähren sich von Handwerken, Tagelöhnerarbeit und
vom Handel. Einige sind Bankiers, einige Dragomane bei den Consulaten-
Früher galten sie für sehr arm, aber schon seit der Mitte des vorigen J"^'
Hunderts gelangte die Gemeinde zu Wohlstand, und einige ihrer Glieder sind
sogar reich zu nennen. Die Geistlichen üben einen sast unbeschränkten El"fu>>>
über die Laien. Ihr Verhältniß zu den übrigen Religionsparteien ist u"
Allgemeinen ein friedliches, und namentlich stehen sie mit den Protestanten
auf gutem Fuß.

Die mächtigste, zahlreichste und wohlhabendste Partei sind in Jerusalem
die Griechen; sie waren schon seit Jahrhunderten hier stark vertreten, über
erst seit den dreißiger Jahren trat zu der Kopfzahl auch der Reichthum
Mitteln, mit denen sie jetzt fortwährend neues Terrain erwerben und d"
übrigen Kirchen mehr und mehr einengen. Allenthalben wo sich Gelegenhe>
findet, machen sie Anläufe von Grund und Boden, erweitern und verschonet
sie ihre Klöster und Häuser, und wo man außerhalb der Thore eine neue
Pflanzung von Oel- und Maulbeerbäumen sieht, erfährt man unter nenn
Fällen von zehnen, daß sie von Griechen angelegt wurde. Beliebt Scheit'
sie in Jerusalem nirgend zu sein, und mag bei dieser Stimmung einigt
Neid mitunterlaufen, der Hauptgrund ihrer Verhaßtheit liegt jedenfalls U'
ihrem eignen Haß gegen Andersgläubige und in ihrem Bestreben, auf je
Weise die heiligen Orte ganz für sich zu erobern, außerdem aber in ihn'"
Hochmuth und ihrem verschmitzten, treulosen Wesen. Sie sind zum The
Handwerker, zum Theil Handelsleute. Wie in Polen der Schnapsschcmk "


Altar flimmert von Gold- und Silberschmuck. Von der Decke hängen zahlreiche
Lampen und Straußeneier herab, und auf mächtigen Kandelabern ragen do
wie Säulen bemalte Wachskerzen empor. Zwischen Schiff und Chor steht
ein vergoldeter Thronsessel mit einem reichverzierten Baldachin, vor dem eure
ewige Lampe brennt. Aus ihm sitzt, unsichtbar, aber dem Glauben siehe''
der heilige Jakobus. Daneben steht ein weniger prächtiger Stuhl für seinen
Stellvertreter, den Patriarchen. Auch hier finden sich schöne Arbeiten der arme¬
nischen Gitterschmicde. Noch bewundernswerther aber sind die eingelegten,
mit den elegantesten Mustern von Perlmutter- und Schildkrotmosaik über¬
kleideten Thüren, welche in das Grab des heiligen Jakobus und in die
Schatzkammer des' Klosters führen. Die Masse von goldenen und silbernen
Zierrathen. Gewändern, Bischosstäben und kirchlichen Gefäßen, die hier ver¬
wahrt wird, um die Osterprocession zu mehrer Erbauung der Pilger zu
schmücken, soll einen Werth von einer Million Piastern haben.

Die Zahl der in Jerusalem ansässigen Armenier soll etwa sechshundert
betragen. Um die Osterzeit mögen in guten Jahren fünfmal so viele
versammelt sein. Sie nähren sich von Handwerken, Tagelöhnerarbeit und
vom Handel. Einige sind Bankiers, einige Dragomane bei den Consulaten-
Früher galten sie für sehr arm, aber schon seit der Mitte des vorigen J"^'
Hunderts gelangte die Gemeinde zu Wohlstand, und einige ihrer Glieder sind
sogar reich zu nennen. Die Geistlichen üben einen sast unbeschränkten El»fu>>>
über die Laien. Ihr Verhältniß zu den übrigen Religionsparteien ist u»
Allgemeinen ein friedliches, und namentlich stehen sie mit den Protestanten
auf gutem Fuß.

Die mächtigste, zahlreichste und wohlhabendste Partei sind in Jerusalem
die Griechen; sie waren schon seit Jahrhunderten hier stark vertreten, über
erst seit den dreißiger Jahren trat zu der Kopfzahl auch der Reichthum
Mitteln, mit denen sie jetzt fortwährend neues Terrain erwerben und d"
übrigen Kirchen mehr und mehr einengen. Allenthalben wo sich Gelegenhe>
findet, machen sie Anläufe von Grund und Boden, erweitern und verschonet
sie ihre Klöster und Häuser, und wo man außerhalb der Thore eine neue
Pflanzung von Oel- und Maulbeerbäumen sieht, erfährt man unter nenn
Fällen von zehnen, daß sie von Griechen angelegt wurde. Beliebt Scheit'
sie in Jerusalem nirgend zu sein, und mag bei dieser Stimmung einigt
Neid mitunterlaufen, der Hauptgrund ihrer Verhaßtheit liegt jedenfalls U'
ihrem eignen Haß gegen Andersgläubige und in ihrem Bestreben, auf je
Weise die heiligen Orte ganz für sich zu erobern, außerdem aber in ihn'"
Hochmuth und ihrem verschmitzten, treulosen Wesen. Sie sind zum The
Handwerker, zum Theil Handelsleute. Wie in Polen der Schnapsschcmk »


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0352" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107938"/>
            <p xml:id="ID_1154" prev="#ID_1153"> Altar flimmert von Gold- und Silberschmuck. Von der Decke hängen zahlreiche<lb/>
Lampen und Straußeneier herab, und auf mächtigen Kandelabern ragen do<lb/>
wie Säulen bemalte Wachskerzen empor. Zwischen Schiff und Chor steht<lb/>
ein vergoldeter Thronsessel mit einem reichverzierten Baldachin, vor dem eure<lb/>
ewige Lampe brennt. Aus ihm sitzt, unsichtbar, aber dem Glauben siehe''<lb/>
der heilige Jakobus. Daneben steht ein weniger prächtiger Stuhl für seinen<lb/>
Stellvertreter, den Patriarchen. Auch hier finden sich schöne Arbeiten der arme¬<lb/>
nischen Gitterschmicde. Noch bewundernswerther aber sind die eingelegten,<lb/>
mit den elegantesten Mustern von Perlmutter- und Schildkrotmosaik über¬<lb/>
kleideten Thüren, welche in das Grab des heiligen Jakobus und in die<lb/>
Schatzkammer des' Klosters führen. Die Masse von goldenen und silbernen<lb/>
Zierrathen. Gewändern, Bischosstäben und kirchlichen Gefäßen, die hier ver¬<lb/>
wahrt wird, um die Osterprocession zu mehrer Erbauung der Pilger zu<lb/>
schmücken, soll einen Werth von einer Million Piastern haben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1155"> Die Zahl der in Jerusalem ansässigen Armenier soll etwa sechshundert<lb/>
betragen. Um die Osterzeit mögen in guten Jahren fünfmal so viele<lb/>
versammelt sein. Sie nähren sich von Handwerken, Tagelöhnerarbeit und<lb/>
vom Handel. Einige sind Bankiers, einige Dragomane bei den Consulaten-<lb/>
Früher galten sie für sehr arm, aber schon seit der Mitte des vorigen J"^'<lb/>
Hunderts gelangte die Gemeinde zu Wohlstand, und einige ihrer Glieder sind<lb/>
sogar reich zu nennen. Die Geistlichen üben einen sast unbeschränkten El»fu&gt;&gt;&gt;<lb/>
über die Laien. Ihr Verhältniß zu den übrigen Religionsparteien ist u»<lb/>
Allgemeinen ein friedliches, und namentlich stehen sie mit den Protestanten<lb/>
auf gutem Fuß.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1156" next="#ID_1157"> Die mächtigste, zahlreichste und wohlhabendste Partei sind in Jerusalem<lb/>
die Griechen; sie waren schon seit Jahrhunderten hier stark vertreten, über<lb/>
erst seit den dreißiger Jahren trat zu der Kopfzahl auch der Reichthum<lb/>
Mitteln, mit denen sie jetzt fortwährend neues Terrain erwerben und d"<lb/>
übrigen Kirchen mehr und mehr einengen.  Allenthalben wo sich Gelegenhe&gt;<lb/>
findet, machen sie Anläufe von Grund und Boden, erweitern und verschonet<lb/>
sie ihre Klöster und Häuser, und wo man außerhalb der Thore eine neue<lb/>
Pflanzung von Oel- und Maulbeerbäumen sieht, erfährt man unter nenn<lb/>
Fällen von zehnen, daß sie von Griechen angelegt wurde.  Beliebt Scheit'<lb/>
sie in Jerusalem nirgend zu sein, und mag bei dieser Stimmung einigt<lb/>
Neid mitunterlaufen, der Hauptgrund ihrer Verhaßtheit liegt jedenfalls U'<lb/>
ihrem eignen Haß gegen Andersgläubige und in ihrem Bestreben, auf je<lb/>
Weise die heiligen Orte ganz für sich zu erobern, außerdem aber in ihn'"<lb/>
Hochmuth und ihrem verschmitzten, treulosen Wesen.  Sie sind zum The<lb/>
Handwerker, zum Theil Handelsleute. Wie in Polen der Schnapsschcmk »</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0352] Altar flimmert von Gold- und Silberschmuck. Von der Decke hängen zahlreiche Lampen und Straußeneier herab, und auf mächtigen Kandelabern ragen do wie Säulen bemalte Wachskerzen empor. Zwischen Schiff und Chor steht ein vergoldeter Thronsessel mit einem reichverzierten Baldachin, vor dem eure ewige Lampe brennt. Aus ihm sitzt, unsichtbar, aber dem Glauben siehe'' der heilige Jakobus. Daneben steht ein weniger prächtiger Stuhl für seinen Stellvertreter, den Patriarchen. Auch hier finden sich schöne Arbeiten der arme¬ nischen Gitterschmicde. Noch bewundernswerther aber sind die eingelegten, mit den elegantesten Mustern von Perlmutter- und Schildkrotmosaik über¬ kleideten Thüren, welche in das Grab des heiligen Jakobus und in die Schatzkammer des' Klosters führen. Die Masse von goldenen und silbernen Zierrathen. Gewändern, Bischosstäben und kirchlichen Gefäßen, die hier ver¬ wahrt wird, um die Osterprocession zu mehrer Erbauung der Pilger zu schmücken, soll einen Werth von einer Million Piastern haben. Die Zahl der in Jerusalem ansässigen Armenier soll etwa sechshundert betragen. Um die Osterzeit mögen in guten Jahren fünfmal so viele versammelt sein. Sie nähren sich von Handwerken, Tagelöhnerarbeit und vom Handel. Einige sind Bankiers, einige Dragomane bei den Consulaten- Früher galten sie für sehr arm, aber schon seit der Mitte des vorigen J"^' Hunderts gelangte die Gemeinde zu Wohlstand, und einige ihrer Glieder sind sogar reich zu nennen. Die Geistlichen üben einen sast unbeschränkten El»fu>>> über die Laien. Ihr Verhältniß zu den übrigen Religionsparteien ist u» Allgemeinen ein friedliches, und namentlich stehen sie mit den Protestanten auf gutem Fuß. Die mächtigste, zahlreichste und wohlhabendste Partei sind in Jerusalem die Griechen; sie waren schon seit Jahrhunderten hier stark vertreten, über erst seit den dreißiger Jahren trat zu der Kopfzahl auch der Reichthum Mitteln, mit denen sie jetzt fortwährend neues Terrain erwerben und d" übrigen Kirchen mehr und mehr einengen. Allenthalben wo sich Gelegenhe> findet, machen sie Anläufe von Grund und Boden, erweitern und verschonet sie ihre Klöster und Häuser, und wo man außerhalb der Thore eine neue Pflanzung von Oel- und Maulbeerbäumen sieht, erfährt man unter nenn Fällen von zehnen, daß sie von Griechen angelegt wurde. Beliebt Scheit' sie in Jerusalem nirgend zu sein, und mag bei dieser Stimmung einigt Neid mitunterlaufen, der Hauptgrund ihrer Verhaßtheit liegt jedenfalls U' ihrem eignen Haß gegen Andersgläubige und in ihrem Bestreben, auf je Weise die heiligen Orte ganz für sich zu erobern, außerdem aber in ihn'" Hochmuth und ihrem verschmitzten, treulosen Wesen. Sie sind zum The Handwerker, zum Theil Handelsleute. Wie in Polen der Schnapsschcmk »

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/352
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/352>, abgerufen am 25.08.2024.