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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Das Gegentheil von dieser Armuth sahen wir beim armenischen Patriar¬
chen, zu dem wir uns von hier begaben. Derselbe wohnt in einem Palast,
welcher mit dem Jnkobnskloster verbunden ist. Man führte uns über ver¬
schiedene Gänge und Treppen in eine schöne, hochgewölbte Halle, die recht
Wohl zum Audienzsanl eines Fürsten hätte dienen können. Den Eingang bil¬
dete eine elegante Flügelthür. Wände und Decke waren mit Stuckatur ge¬
schmückt, der Fußboden mit Marmor getäfelt. die Fenster mit europäischen
Vorhängen verhangen und außen mit jenem hübsch gemusterten Eisengitterwerk
verwahrt, in dessen Verfertigung die Armenier sich auszeichnen. In der Mitte
Saales standen Tische mit Blumen in Lasen. An einem Theil der Wand
liefen Divane herum, und an der einen Seite hingen Lithographien russischer
Staatsmänner, vermuthlich früherer Gouverneure von Transkaukasien. wo in
Etschmiatsin der Patriarch der armenischen Kirche wohnt. Der Patriarch,
wahrscheinlich beim Mittagsschläfchen, ließ uns geraume Zeit warten. In¬
zwischen unterhielt uns ein anderer höherer Geistlicher, und ein dienender
Geistlicher brachte uns kostbare Jasminpfeisen mit vergoldeten Untersetzern,
und auf einem großen silbernen Präsentirbret Süßigkeiten und geschliffne Gläschen
'"it dem unausbleiblichen Aquavit. Endlich kam auch der Patriarch, ein freund¬
licher, wohlgenährter Herr mit klugen Augen und einem sehr sinnlichen Munde.
^ trug einen lichtgrauen Pelz und darunter einen dunkelgrauen Kaftan mit
einem röthlichbraunen Gürtel. Den Kopf bedeckte eine sammtene Bischof-
"'ütze halb schwarz, halb blau. An den Füßen hatte er dunkelblaue Sammt-
pantosfeln. Den kleinen Finger der rechten Hand schmückte ein Ring mit
einem großen Smaragd. Er unterhielt sich mit dem Consul in türkischer
Drache über Stadtneuigkeiten, die Pilger und besonders über Politik, über
deren brennende Fragen er ziemlich gut Bescheid wußte. Von Rußland sprach
^ ">it Abneigung, dagegen erklärte er sich jedes Mal zu freuen, wenn ihn ein
P"uße besuche. Das Erscheinen des Kaffees gab endlich das Zeichen, daß wir
entlassen seien.

Wir sahen uns nun das Kloster an. ein Labyrinth von Höfen, Terrain.
Freitreppen, Gängen und Kuppeln, in welchem gegen hundert Mönche wohnen
U"d mehr als zweitausend Pilger Unterkunft finden, und ließen uns dann
^e Kirche aufschließen, die an Pracht mit dem Griechenchor in der Grabes-
^UHe wetteifert. Die Wände des Schiffs sind unten bis auf Mannshöhe
'^t blauglasirten, gemusterten Ziegeln belegt, darüber laufen Reihen von
wildern hin. weiche Scenen aus den Zeiten der Christenverfolgungen, ge-
^pste, zerhackte und erschossene Märtyrer u. s. w. darstellen. Zu beiden Su-
^" des Chors stehen bunt und voll Goldschmuck die Gestalten der Patriarchen,
Welche der Kirche bis jetzt vorstanden: Jakobus, Simeon, Justus u. f. f. mit
^"gen Barten. Schlangenstäben und zur Segnung ausgehöhlten Händen. Der


^enzboten III. 1859. ^

Das Gegentheil von dieser Armuth sahen wir beim armenischen Patriar¬
chen, zu dem wir uns von hier begaben. Derselbe wohnt in einem Palast,
welcher mit dem Jnkobnskloster verbunden ist. Man führte uns über ver¬
schiedene Gänge und Treppen in eine schöne, hochgewölbte Halle, die recht
Wohl zum Audienzsanl eines Fürsten hätte dienen können. Den Eingang bil¬
dete eine elegante Flügelthür. Wände und Decke waren mit Stuckatur ge¬
schmückt, der Fußboden mit Marmor getäfelt. die Fenster mit europäischen
Vorhängen verhangen und außen mit jenem hübsch gemusterten Eisengitterwerk
verwahrt, in dessen Verfertigung die Armenier sich auszeichnen. In der Mitte
Saales standen Tische mit Blumen in Lasen. An einem Theil der Wand
liefen Divane herum, und an der einen Seite hingen Lithographien russischer
Staatsmänner, vermuthlich früherer Gouverneure von Transkaukasien. wo in
Etschmiatsin der Patriarch der armenischen Kirche wohnt. Der Patriarch,
wahrscheinlich beim Mittagsschläfchen, ließ uns geraume Zeit warten. In¬
zwischen unterhielt uns ein anderer höherer Geistlicher, und ein dienender
Geistlicher brachte uns kostbare Jasminpfeisen mit vergoldeten Untersetzern,
und auf einem großen silbernen Präsentirbret Süßigkeiten und geschliffne Gläschen
'"it dem unausbleiblichen Aquavit. Endlich kam auch der Patriarch, ein freund¬
licher, wohlgenährter Herr mit klugen Augen und einem sehr sinnlichen Munde.
^ trug einen lichtgrauen Pelz und darunter einen dunkelgrauen Kaftan mit
einem röthlichbraunen Gürtel. Den Kopf bedeckte eine sammtene Bischof-
"'ütze halb schwarz, halb blau. An den Füßen hatte er dunkelblaue Sammt-
pantosfeln. Den kleinen Finger der rechten Hand schmückte ein Ring mit
einem großen Smaragd. Er unterhielt sich mit dem Consul in türkischer
Drache über Stadtneuigkeiten, die Pilger und besonders über Politik, über
deren brennende Fragen er ziemlich gut Bescheid wußte. Von Rußland sprach
^ ">it Abneigung, dagegen erklärte er sich jedes Mal zu freuen, wenn ihn ein
P"uße besuche. Das Erscheinen des Kaffees gab endlich das Zeichen, daß wir
entlassen seien.

Wir sahen uns nun das Kloster an. ein Labyrinth von Höfen, Terrain.
Freitreppen, Gängen und Kuppeln, in welchem gegen hundert Mönche wohnen
U"d mehr als zweitausend Pilger Unterkunft finden, und ließen uns dann
^e Kirche aufschließen, die an Pracht mit dem Griechenchor in der Grabes-
^UHe wetteifert. Die Wände des Schiffs sind unten bis auf Mannshöhe
'^t blauglasirten, gemusterten Ziegeln belegt, darüber laufen Reihen von
wildern hin. weiche Scenen aus den Zeiten der Christenverfolgungen, ge-
^pste, zerhackte und erschossene Märtyrer u. s. w. darstellen. Zu beiden Su-
^" des Chors stehen bunt und voll Goldschmuck die Gestalten der Patriarchen,
Welche der Kirche bis jetzt vorstanden: Jakobus, Simeon, Justus u. f. f. mit
^"gen Barten. Schlangenstäben und zur Segnung ausgehöhlten Händen. Der


^enzboten III. 1859. ^
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[0351] Das Gegentheil von dieser Armuth sahen wir beim armenischen Patriar¬ chen, zu dem wir uns von hier begaben. Derselbe wohnt in einem Palast, welcher mit dem Jnkobnskloster verbunden ist. Man führte uns über ver¬ schiedene Gänge und Treppen in eine schöne, hochgewölbte Halle, die recht Wohl zum Audienzsanl eines Fürsten hätte dienen können. Den Eingang bil¬ dete eine elegante Flügelthür. Wände und Decke waren mit Stuckatur ge¬ schmückt, der Fußboden mit Marmor getäfelt. die Fenster mit europäischen Vorhängen verhangen und außen mit jenem hübsch gemusterten Eisengitterwerk verwahrt, in dessen Verfertigung die Armenier sich auszeichnen. In der Mitte Saales standen Tische mit Blumen in Lasen. An einem Theil der Wand liefen Divane herum, und an der einen Seite hingen Lithographien russischer Staatsmänner, vermuthlich früherer Gouverneure von Transkaukasien. wo in Etschmiatsin der Patriarch der armenischen Kirche wohnt. Der Patriarch, wahrscheinlich beim Mittagsschläfchen, ließ uns geraume Zeit warten. In¬ zwischen unterhielt uns ein anderer höherer Geistlicher, und ein dienender Geistlicher brachte uns kostbare Jasminpfeisen mit vergoldeten Untersetzern, und auf einem großen silbernen Präsentirbret Süßigkeiten und geschliffne Gläschen '"it dem unausbleiblichen Aquavit. Endlich kam auch der Patriarch, ein freund¬ licher, wohlgenährter Herr mit klugen Augen und einem sehr sinnlichen Munde. ^ trug einen lichtgrauen Pelz und darunter einen dunkelgrauen Kaftan mit einem röthlichbraunen Gürtel. Den Kopf bedeckte eine sammtene Bischof- "'ütze halb schwarz, halb blau. An den Füßen hatte er dunkelblaue Sammt- pantosfeln. Den kleinen Finger der rechten Hand schmückte ein Ring mit einem großen Smaragd. Er unterhielt sich mit dem Consul in türkischer Drache über Stadtneuigkeiten, die Pilger und besonders über Politik, über deren brennende Fragen er ziemlich gut Bescheid wußte. Von Rußland sprach ^ ">it Abneigung, dagegen erklärte er sich jedes Mal zu freuen, wenn ihn ein P"uße besuche. Das Erscheinen des Kaffees gab endlich das Zeichen, daß wir entlassen seien. Wir sahen uns nun das Kloster an. ein Labyrinth von Höfen, Terrain. Freitreppen, Gängen und Kuppeln, in welchem gegen hundert Mönche wohnen U"d mehr als zweitausend Pilger Unterkunft finden, und ließen uns dann ^e Kirche aufschließen, die an Pracht mit dem Griechenchor in der Grabes- ^UHe wetteifert. Die Wände des Schiffs sind unten bis auf Mannshöhe '^t blauglasirten, gemusterten Ziegeln belegt, darüber laufen Reihen von wildern hin. weiche Scenen aus den Zeiten der Christenverfolgungen, ge- ^pste, zerhackte und erschossene Märtyrer u. s. w. darstellen. Zu beiden Su- ^" des Chors stehen bunt und voll Goldschmuck die Gestalten der Patriarchen, Welche der Kirche bis jetzt vorstanden: Jakobus, Simeon, Justus u. f. f. mit ^"gen Barten. Schlangenstäben und zur Segnung ausgehöhlten Händen. Der ^enzboten III. 1859. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/351>, abgerufen am 29.12.2024.