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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Die allmälige Erkrankung des Königs, die Unsicherheit auch seiner künf¬
tigen Stellung vermochten ihn nicht einen Schritt von der Linie abzubringen,
"uf der ihn sein innerstes Wesen festhielt. Er vergab sich und dem Staate
nichts, er verletzte keinen Augenblick das zarte Verhältniß zu seinem könig-
lichen Bruder, er schwieg bei dem Drängen seiner Verehrer und handelte fest,
ho es galt. So wurde er Regent. Längst vorher mag er in der Stille bei
sich zu Rathe gegangen sein über die Wahl der Männer, welche sein Ver¬
dauen zur Negierung berief. Es sollten Männer von Ehre und reinem poli¬
tischen Ruf und die Fähigsten sein, welche er kannte. Und ihm und den
Preußen war seine Wahl zum Heil.

Der italienische Krieg nahte. Und mit Recht darf gesagt werden, was
i" der preußischen Politik männlich groß, entschlossen war. das kam aus der
eigensten Seele des Prinzen. Wenn in dem letzten Theil der preußischen Po¬
etik seit der Mobilmachung eine Zögerung sichtbar wurde, welche dem starken
Aufschwung, den der Prinz genommen, nicht ganz entsprach, seine Gedanken
^arm es nicht. Wol darf behauptet werden, daß er höher und größer von
der Aufgabe Preußens gedacht hat. als die Mehrzahl der redlichen und ehren¬
haften Mitglieder seines Ministeriums, und als die Mehrzahl der Preußen
^lbst. Möglich, daß er selbst mit geheimer Trauer erkannt hat, daß auch
die Besten seiner Gehilfen nach langen Jahren politischen Mißlingens und
unselbständiger Politik zu viel Selbstvertrauen und Stolz aus die Kraft des
Staates verloren haben. Denn wie viel auch der Souverän kann, er ver¬
mag nicht die Werkzeuge, mit denen zu arbeiten sein Beruf ist. im Augenblick
umzubilden, und weiches Erz in harten Stahl zu wandeln. Aber grade, als
°r den Widerstand, den ihm auch pflichtgetreue Gesinnung entgegensetzte, durch
d>e Energie seines Forderns gebrochen hatte, grade als er sein Heer mit festem
Entschluß an der Grenze sammelte, kam der Frieden, unzeitig, willkürlich,
suvol. wie wemge Wochen vorher der Ausbruch des Krieges gewesen war.
Und aus tiefster Empfindung kamen die Worte des Prinzen, welche er. wie
^an erzählt, bei der Abreise zu dem Fürsten Windischgrätz sprach, daß solches
^nde ihm ein großer Schmerz sei.

Wie bei diesem Frieden allen Betheiligten durch das Schicksal genau
"elohnt worden ist nach dem Maße von Ehrlichkeit. Urtheil. Energie und
Männlicher Kraft, die sie bewiesen, so hat auch dem Prinzen gegenüber die
öffentliche Meinung, trotz aller Anklagen, welche gegen die preußische Politik
^schleudert wurden, grade damals sehr wohl erkannt, wie werthvoll sem ge-
diegenes und mannhaftes Wesen für Deutschland sei. Das Vertrauen und
die achtungsvolle Zuneigung zu seiner Person ist es zumeist, was tue An-
^nge der preußisch-deutschen Bewegung hervorruft, die jetzt so gesetzlich, be-
^unen und hoffnungsvoll beginnt.


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Die allmälige Erkrankung des Königs, die Unsicherheit auch seiner künf¬
tigen Stellung vermochten ihn nicht einen Schritt von der Linie abzubringen,
"uf der ihn sein innerstes Wesen festhielt. Er vergab sich und dem Staate
nichts, er verletzte keinen Augenblick das zarte Verhältniß zu seinem könig-
lichen Bruder, er schwieg bei dem Drängen seiner Verehrer und handelte fest,
ho es galt. So wurde er Regent. Längst vorher mag er in der Stille bei
sich zu Rathe gegangen sein über die Wahl der Männer, welche sein Ver¬
dauen zur Negierung berief. Es sollten Männer von Ehre und reinem poli¬
tischen Ruf und die Fähigsten sein, welche er kannte. Und ihm und den
Preußen war seine Wahl zum Heil.

Der italienische Krieg nahte. Und mit Recht darf gesagt werden, was
i" der preußischen Politik männlich groß, entschlossen war. das kam aus der
eigensten Seele des Prinzen. Wenn in dem letzten Theil der preußischen Po¬
etik seit der Mobilmachung eine Zögerung sichtbar wurde, welche dem starken
Aufschwung, den der Prinz genommen, nicht ganz entsprach, seine Gedanken
^arm es nicht. Wol darf behauptet werden, daß er höher und größer von
der Aufgabe Preußens gedacht hat. als die Mehrzahl der redlichen und ehren¬
haften Mitglieder seines Ministeriums, und als die Mehrzahl der Preußen
^lbst. Möglich, daß er selbst mit geheimer Trauer erkannt hat, daß auch
die Besten seiner Gehilfen nach langen Jahren politischen Mißlingens und
unselbständiger Politik zu viel Selbstvertrauen und Stolz aus die Kraft des
Staates verloren haben. Denn wie viel auch der Souverän kann, er ver¬
mag nicht die Werkzeuge, mit denen zu arbeiten sein Beruf ist. im Augenblick
umzubilden, und weiches Erz in harten Stahl zu wandeln. Aber grade, als
°r den Widerstand, den ihm auch pflichtgetreue Gesinnung entgegensetzte, durch
d>e Energie seines Forderns gebrochen hatte, grade als er sein Heer mit festem
Entschluß an der Grenze sammelte, kam der Frieden, unzeitig, willkürlich,
suvol. wie wemge Wochen vorher der Ausbruch des Krieges gewesen war.
Und aus tiefster Empfindung kamen die Worte des Prinzen, welche er. wie
^an erzählt, bei der Abreise zu dem Fürsten Windischgrätz sprach, daß solches
^nde ihm ein großer Schmerz sei.

Wie bei diesem Frieden allen Betheiligten durch das Schicksal genau
»elohnt worden ist nach dem Maße von Ehrlichkeit. Urtheil. Energie und
Männlicher Kraft, die sie bewiesen, so hat auch dem Prinzen gegenüber die
öffentliche Meinung, trotz aller Anklagen, welche gegen die preußische Politik
^schleudert wurden, grade damals sehr wohl erkannt, wie werthvoll sem ge-
diegenes und mannhaftes Wesen für Deutschland sei. Das Vertrauen und
die achtungsvolle Zuneigung zu seiner Person ist es zumeist, was tue An-
^nge der preußisch-deutschen Bewegung hervorruft, die jetzt so gesetzlich, be-
^unen und hoffnungsvoll beginnt.


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[0329] Die allmälige Erkrankung des Königs, die Unsicherheit auch seiner künf¬ tigen Stellung vermochten ihn nicht einen Schritt von der Linie abzubringen, "uf der ihn sein innerstes Wesen festhielt. Er vergab sich und dem Staate nichts, er verletzte keinen Augenblick das zarte Verhältniß zu seinem könig- lichen Bruder, er schwieg bei dem Drängen seiner Verehrer und handelte fest, ho es galt. So wurde er Regent. Längst vorher mag er in der Stille bei sich zu Rathe gegangen sein über die Wahl der Männer, welche sein Ver¬ dauen zur Negierung berief. Es sollten Männer von Ehre und reinem poli¬ tischen Ruf und die Fähigsten sein, welche er kannte. Und ihm und den Preußen war seine Wahl zum Heil. Der italienische Krieg nahte. Und mit Recht darf gesagt werden, was i" der preußischen Politik männlich groß, entschlossen war. das kam aus der eigensten Seele des Prinzen. Wenn in dem letzten Theil der preußischen Po¬ etik seit der Mobilmachung eine Zögerung sichtbar wurde, welche dem starken Aufschwung, den der Prinz genommen, nicht ganz entsprach, seine Gedanken ^arm es nicht. Wol darf behauptet werden, daß er höher und größer von der Aufgabe Preußens gedacht hat. als die Mehrzahl der redlichen und ehren¬ haften Mitglieder seines Ministeriums, und als die Mehrzahl der Preußen ^lbst. Möglich, daß er selbst mit geheimer Trauer erkannt hat, daß auch die Besten seiner Gehilfen nach langen Jahren politischen Mißlingens und unselbständiger Politik zu viel Selbstvertrauen und Stolz aus die Kraft des Staates verloren haben. Denn wie viel auch der Souverän kann, er ver¬ mag nicht die Werkzeuge, mit denen zu arbeiten sein Beruf ist. im Augenblick umzubilden, und weiches Erz in harten Stahl zu wandeln. Aber grade, als °r den Widerstand, den ihm auch pflichtgetreue Gesinnung entgegensetzte, durch d>e Energie seines Forderns gebrochen hatte, grade als er sein Heer mit festem Entschluß an der Grenze sammelte, kam der Frieden, unzeitig, willkürlich, suvol. wie wemge Wochen vorher der Ausbruch des Krieges gewesen war. Und aus tiefster Empfindung kamen die Worte des Prinzen, welche er. wie ^an erzählt, bei der Abreise zu dem Fürsten Windischgrätz sprach, daß solches ^nde ihm ein großer Schmerz sei. Wie bei diesem Frieden allen Betheiligten durch das Schicksal genau »elohnt worden ist nach dem Maße von Ehrlichkeit. Urtheil. Energie und Männlicher Kraft, die sie bewiesen, so hat auch dem Prinzen gegenüber die öffentliche Meinung, trotz aller Anklagen, welche gegen die preußische Politik ^schleudert wurden, grade damals sehr wohl erkannt, wie werthvoll sem ge- diegenes und mannhaftes Wesen für Deutschland sei. Das Vertrauen und die achtungsvolle Zuneigung zu seiner Person ist es zumeist, was tue An- ^nge der preußisch-deutschen Bewegung hervorruft, die jetzt so gesetzlich, be- ^unen und hoffnungsvoll beginnt. 40*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/329>, abgerufen am 22.07.2024.