Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

für wirklich römischen Ursprungs ausgegeben hat. Auch heute noch hat es
^>ne bedeutenden Schwierigkeiten, aus den Formen dieser Bauten allein, ohne
jeden urkundlichen Anhalt die Entstehungszeit auch nur auf ein halbes Jahr¬
hundert hinzu bestimmen. Bis in das zwölfte Jahrhundert herab finden sich
^uizelne Glieder an den romanischen Bauten der Provence, welche mit so
vielem Verständniß der antiken Form behandelt sind, daß man sie bei fluch-
^ger Betrachtung allenfalls für Werke der gelehrten Renaissance des sechzehn-
^ Jahrhunderts ansehen könnte. Aber nicht allein in decorativer, sondern
^gar auch in structiver Hinsicht klingt die Antike hier noch lebhafter als an¬
derwärts in das Mittelalter hinein. Das Tonnengewölbe und die Verbin-
^Ng des Mauerwerkes lassen uns dies herausfühlen. So nahm man noch
Anfang des zwölften Jahrhunderts keinen Anstand, das Triforium im
zu Autun in Burgund genau nach dem Muster der Porte d' Arroux auf¬
zuführen, und ähnliche Fälle haben sich anderwärts gleichfalls wiederholt.

In Italien bleibt die Bezeichnung "ein alter Dädalus" in .den Chroniken
des elften und zwölften Jahrhunderts ein stehender Ehrenname irgendwie
bekannterer gleichzeitiger Künstler. Auch in Deutschland ist in der ganzen Zeit
eigentlich romanischen Periode von einem völligen Aufgeben der antiken
Zündsätze keine Rede. So blieb die Säulenform der Trajanssäule in diesen
^hrhunderten ununterbrochen in Anwendung. Am bekanntesten dürfte die
^ernwardssäule vor dem Dom zu Hildesheim sein, an der sogar die Spiral-
^'>n des daran befindlichen Bildwerks beibehalten- ist. säulenförmig war
"uter anderen auch das Denkmal des Geschichtschreibers Witterind. An den
'!H>t weniger als jene Säule bekannten Erzthüren des Domes zu Hildesheim
Zeichnet meiner Ansicht nach ein zwischen zwei stylisirten Pflanzengebilden
^geknüpftes Tuch einfach nur gemäß der antiken Bildersprache das Zimmer,
^ welchem Eva ihr Kind säugt, so wie etwa der hinter dem lehrenden Christus
aufgehängte Teppich in den Katakombenkapellen dieselbe Bedeutung hat. So und
^'ehe anders wird dieser bei Heiligenbildern das ganze, Mittelalter hindurch
elicbte Hintergrund zu erklären sein. Jeder Archäolog, der bei Deutung mittel-
^terlicher Erscheinungen die Antike gänzlich vernachlässigt, tappt im Finstern.
^ von Karl dem Großen angeregte Eifer für das Alterthum fand durch
tlo den Ersten neue Nahrung und verhinderte so ein urplötzliches Erlöschen
^ für die Gestaltung des mittelalterlichen Lebens wichtigen Einwirkung an-
Bildung. Nach dem Empfang der Kaiserkrone fühlte sich dieser Fürst
"der als römischer Imperator; aus Italien holte er seine Gattin, während
^ für seinen Sohn eine byzantinische Kaisertochter zur Gemahlin erwählte,
angefeuert wurde der Eifer für classische Studien, und sein eigner Bruder
runo. Erzbischof von Köln, war ein sehr eifriger Freund der Wissenschaft.
er Gelehrte an sich zog, mit ihnen disputirte und seines Bücherschatzes selbst


für wirklich römischen Ursprungs ausgegeben hat. Auch heute noch hat es
^>ne bedeutenden Schwierigkeiten, aus den Formen dieser Bauten allein, ohne
jeden urkundlichen Anhalt die Entstehungszeit auch nur auf ein halbes Jahr¬
hundert hinzu bestimmen. Bis in das zwölfte Jahrhundert herab finden sich
^uizelne Glieder an den romanischen Bauten der Provence, welche mit so
vielem Verständniß der antiken Form behandelt sind, daß man sie bei fluch-
^ger Betrachtung allenfalls für Werke der gelehrten Renaissance des sechzehn-
^ Jahrhunderts ansehen könnte. Aber nicht allein in decorativer, sondern
^gar auch in structiver Hinsicht klingt die Antike hier noch lebhafter als an¬
derwärts in das Mittelalter hinein. Das Tonnengewölbe und die Verbin-
^Ng des Mauerwerkes lassen uns dies herausfühlen. So nahm man noch
Anfang des zwölften Jahrhunderts keinen Anstand, das Triforium im
zu Autun in Burgund genau nach dem Muster der Porte d' Arroux auf¬
zuführen, und ähnliche Fälle haben sich anderwärts gleichfalls wiederholt.

In Italien bleibt die Bezeichnung „ein alter Dädalus" in .den Chroniken
des elften und zwölften Jahrhunderts ein stehender Ehrenname irgendwie
bekannterer gleichzeitiger Künstler. Auch in Deutschland ist in der ganzen Zeit
eigentlich romanischen Periode von einem völligen Aufgeben der antiken
Zündsätze keine Rede. So blieb die Säulenform der Trajanssäule in diesen
^hrhunderten ununterbrochen in Anwendung. Am bekanntesten dürfte die
^ernwardssäule vor dem Dom zu Hildesheim sein, an der sogar die Spiral-
^'>n des daran befindlichen Bildwerks beibehalten- ist. säulenförmig war
"uter anderen auch das Denkmal des Geschichtschreibers Witterind. An den
'!H>t weniger als jene Säule bekannten Erzthüren des Domes zu Hildesheim
Zeichnet meiner Ansicht nach ein zwischen zwei stylisirten Pflanzengebilden
^geknüpftes Tuch einfach nur gemäß der antiken Bildersprache das Zimmer,
^ welchem Eva ihr Kind säugt, so wie etwa der hinter dem lehrenden Christus
aufgehängte Teppich in den Katakombenkapellen dieselbe Bedeutung hat. So und
^'ehe anders wird dieser bei Heiligenbildern das ganze, Mittelalter hindurch
elicbte Hintergrund zu erklären sein. Jeder Archäolog, der bei Deutung mittel-
^terlicher Erscheinungen die Antike gänzlich vernachlässigt, tappt im Finstern.
^ von Karl dem Großen angeregte Eifer für das Alterthum fand durch
tlo den Ersten neue Nahrung und verhinderte so ein urplötzliches Erlöschen
^ für die Gestaltung des mittelalterlichen Lebens wichtigen Einwirkung an-
Bildung. Nach dem Empfang der Kaiserkrone fühlte sich dieser Fürst
"der als römischer Imperator; aus Italien holte er seine Gattin, während
^ für seinen Sohn eine byzantinische Kaisertochter zur Gemahlin erwählte,
angefeuert wurde der Eifer für classische Studien, und sein eigner Bruder
runo. Erzbischof von Köln, war ein sehr eifriger Freund der Wissenschaft.
er Gelehrte an sich zog, mit ihnen disputirte und seines Bücherschatzes selbst


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0323" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107909"/>
          <p xml:id="ID_1066" prev="#ID_1065"> für wirklich römischen Ursprungs ausgegeben hat. Auch heute noch hat es<lb/>
^&gt;ne bedeutenden Schwierigkeiten, aus den Formen dieser Bauten allein, ohne<lb/>
jeden urkundlichen Anhalt die Entstehungszeit auch nur auf ein halbes Jahr¬<lb/>
hundert hinzu bestimmen. Bis in das zwölfte Jahrhundert herab finden sich<lb/>
^uizelne Glieder an den romanischen Bauten der Provence, welche mit so<lb/>
vielem Verständniß der antiken Form behandelt sind, daß man sie bei fluch-<lb/>
^ger Betrachtung allenfalls für Werke der gelehrten Renaissance des sechzehn-<lb/>
^ Jahrhunderts ansehen könnte. Aber nicht allein in decorativer, sondern<lb/>
^gar auch in structiver Hinsicht klingt die Antike hier noch lebhafter als an¬<lb/>
derwärts in das Mittelalter hinein. Das Tonnengewölbe und die Verbin-<lb/>
^Ng des Mauerwerkes lassen uns dies herausfühlen. So nahm man noch<lb/>
Anfang des zwölften Jahrhunderts keinen Anstand, das Triforium im<lb/>
zu Autun in Burgund genau nach dem Muster der Porte d' Arroux auf¬<lb/>
zuführen, und ähnliche Fälle haben sich anderwärts gleichfalls wiederholt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1067" next="#ID_1068"> In Italien bleibt die Bezeichnung &#x201E;ein alter Dädalus" in .den Chroniken<lb/>
des elften und zwölften Jahrhunderts ein stehender Ehrenname irgendwie<lb/>
bekannterer gleichzeitiger Künstler. Auch in Deutschland ist in der ganzen Zeit<lb/>
eigentlich romanischen Periode von einem völligen Aufgeben der antiken<lb/>
Zündsätze keine Rede. So blieb die Säulenform der Trajanssäule in diesen<lb/>
^hrhunderten ununterbrochen in Anwendung. Am bekanntesten dürfte die<lb/>
^ernwardssäule vor dem Dom zu Hildesheim sein, an der sogar die Spiral-<lb/>
^'&gt;n des daran befindlichen Bildwerks beibehalten- ist. säulenförmig war<lb/>
"uter anderen auch das Denkmal des Geschichtschreibers Witterind. An den<lb/>
'!H&gt;t weniger als jene Säule bekannten Erzthüren des Domes zu Hildesheim<lb/>
Zeichnet meiner Ansicht nach ein zwischen zwei stylisirten Pflanzengebilden<lb/>
^geknüpftes Tuch einfach nur gemäß der antiken Bildersprache das Zimmer,<lb/>
^ welchem Eva ihr Kind säugt, so wie etwa der hinter dem lehrenden Christus<lb/>
aufgehängte Teppich in den Katakombenkapellen dieselbe Bedeutung hat. So und<lb/>
^'ehe anders wird dieser bei Heiligenbildern das ganze, Mittelalter hindurch<lb/>
elicbte Hintergrund zu erklären sein. Jeder Archäolog, der bei Deutung mittel-<lb/>
^terlicher Erscheinungen die Antike gänzlich vernachlässigt, tappt im Finstern.<lb/>
^ von Karl dem Großen angeregte Eifer für das Alterthum fand durch<lb/>
tlo den Ersten neue Nahrung und verhinderte so ein urplötzliches Erlöschen<lb/>
^ für die Gestaltung des mittelalterlichen Lebens wichtigen Einwirkung an-<lb/>
Bildung.  Nach dem Empfang der Kaiserkrone fühlte sich dieser Fürst<lb/>
"der als römischer Imperator; aus Italien holte er seine Gattin, während<lb/>
^ für seinen Sohn eine byzantinische Kaisertochter zur Gemahlin erwählte,<lb/>
angefeuert wurde der Eifer für classische Studien, und sein eigner Bruder<lb/>
runo. Erzbischof von Köln, war ein sehr eifriger Freund der Wissenschaft.<lb/>
er Gelehrte an sich zog, mit ihnen disputirte und seines Bücherschatzes selbst</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0323] für wirklich römischen Ursprungs ausgegeben hat. Auch heute noch hat es ^>ne bedeutenden Schwierigkeiten, aus den Formen dieser Bauten allein, ohne jeden urkundlichen Anhalt die Entstehungszeit auch nur auf ein halbes Jahr¬ hundert hinzu bestimmen. Bis in das zwölfte Jahrhundert herab finden sich ^uizelne Glieder an den romanischen Bauten der Provence, welche mit so vielem Verständniß der antiken Form behandelt sind, daß man sie bei fluch- ^ger Betrachtung allenfalls für Werke der gelehrten Renaissance des sechzehn- ^ Jahrhunderts ansehen könnte. Aber nicht allein in decorativer, sondern ^gar auch in structiver Hinsicht klingt die Antike hier noch lebhafter als an¬ derwärts in das Mittelalter hinein. Das Tonnengewölbe und die Verbin- ^Ng des Mauerwerkes lassen uns dies herausfühlen. So nahm man noch Anfang des zwölften Jahrhunderts keinen Anstand, das Triforium im zu Autun in Burgund genau nach dem Muster der Porte d' Arroux auf¬ zuführen, und ähnliche Fälle haben sich anderwärts gleichfalls wiederholt. In Italien bleibt die Bezeichnung „ein alter Dädalus" in .den Chroniken des elften und zwölften Jahrhunderts ein stehender Ehrenname irgendwie bekannterer gleichzeitiger Künstler. Auch in Deutschland ist in der ganzen Zeit eigentlich romanischen Periode von einem völligen Aufgeben der antiken Zündsätze keine Rede. So blieb die Säulenform der Trajanssäule in diesen ^hrhunderten ununterbrochen in Anwendung. Am bekanntesten dürfte die ^ernwardssäule vor dem Dom zu Hildesheim sein, an der sogar die Spiral- ^'>n des daran befindlichen Bildwerks beibehalten- ist. säulenförmig war "uter anderen auch das Denkmal des Geschichtschreibers Witterind. An den '!H>t weniger als jene Säule bekannten Erzthüren des Domes zu Hildesheim Zeichnet meiner Ansicht nach ein zwischen zwei stylisirten Pflanzengebilden ^geknüpftes Tuch einfach nur gemäß der antiken Bildersprache das Zimmer, ^ welchem Eva ihr Kind säugt, so wie etwa der hinter dem lehrenden Christus aufgehängte Teppich in den Katakombenkapellen dieselbe Bedeutung hat. So und ^'ehe anders wird dieser bei Heiligenbildern das ganze, Mittelalter hindurch elicbte Hintergrund zu erklären sein. Jeder Archäolog, der bei Deutung mittel- ^terlicher Erscheinungen die Antike gänzlich vernachlässigt, tappt im Finstern. ^ von Karl dem Großen angeregte Eifer für das Alterthum fand durch tlo den Ersten neue Nahrung und verhinderte so ein urplötzliches Erlöschen ^ für die Gestaltung des mittelalterlichen Lebens wichtigen Einwirkung an- Bildung. Nach dem Empfang der Kaiserkrone fühlte sich dieser Fürst "der als römischer Imperator; aus Italien holte er seine Gattin, während ^ für seinen Sohn eine byzantinische Kaisertochter zur Gemahlin erwählte, angefeuert wurde der Eifer für classische Studien, und sein eigner Bruder runo. Erzbischof von Köln, war ein sehr eifriger Freund der Wissenschaft. er Gelehrte an sich zog, mit ihnen disputirte und seines Bücherschatzes selbst

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/323
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/323>, abgerufen am 29.12.2024.