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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Ein großer Theil des Uebergewichtes, welches die französische Armee bis¬
her gezeigt hat, liegt darin, daß es in ihren Reihen heißt: "die Intelligenz
marschirt voran;" während bei unsern guten Deutschen eigentlich der umge¬
kehrte Grundsatz gilt. Der gescheute Mann, der richtig urtheilt und handelt,
wird entweder damit bei Seite geschoben, daß er ein "Gelehrter" sei. oder
alte wackelbeinige Autoritäten versuchen ihn bescheiden zu machen, indem sie
ihn beständig zurückschieben und die Dummheit auf seine Kosten beloben.
Trotz des argen französischen Despotismus und trotzdem, daß er auch oft
etwas Anderes eher gebraucht als Geist, lebt doch in der französischen Armee
bis auf diesen Tag ein Respect vor der Intelligenz, welcher viele sonstige
Sünden ausgleicht. So finden denn in Frankreich immerhin neben den Ba-
raguays und den Ccmroberts die Mac Mahon und Niet ihre gebührende
Stelle. Wie sieht es damit in Deutschland aus? Bis auf Weiteres mise¬
rabel. Ehe nicht alle alten Scharteken abgenutzt sind, werden wol die
brauchbaren Leute nicht heraufkommen. *)

Die östreichische Festungsgruppe, welche die Ehre hat, gegenwärtig als
die Marke französischen Vorschreitens betrachtet zu werden, besteht aus den
Plätzen Peschiera und Mantua am Mincio. Verona und Legnago an der
Etsch. Verona ist der Hauptpunkt in ihr durch Lage. Bevölkerung, Reich¬
thum und Befestigung, dann folgt Mantua, endlich die beiden kleinen Orte
Peschiera und Legnago.

Man hat sich gewöhnt, nur diese vier als Punkte der Gruppe zu betrach¬
ten, unter gegenwärtigen Umständen dürfte man sich bald überzeugen, daß
dieselbe damit noch nicht vollständig ist. daß man vielmehr das System des
Po auf der einen Seite mit hineinziehen müßte und andererseits vielleicht ein
fester Uebergang über die Etsch oberhalb Veronas ein wesentlicher Vortheil
sein möchte.

Die Vortheile, welche eine solche Gruppe bietet, bestehen nämlich wesent¬
lich darin, daß die Armee, welche sich ihrer bedient, eine Anzahl von festen
Uebergangspunkten hat. welche der Feind ihr nicht ohne Belagerung nehmen
kann; daß sie dadurch die Möglichkeit gewinnen soll, -- wir sagen aus¬
drücklich nicht unbedingt gewinnt, -- die Schlacht zu vermeiden, wo ihr
dieselbe unbequem ist und unter günstigen Bedingungen wieder die Schlacht
anzunehmen oder zu suchen. Alle die festen Plätze oder Punkte, welche wir
als Hauptbestandtheile der Gruppe genannt haben, liegen an beiden Usern
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Anm. der Redaction. *)-- Die neue Schlacht scheint doch insofern ihre guten Wir¬
kungen geübt zu haben, als man endlich Heß das unbeschränkte und ungetheilte Commando
übertragen hat. Auch die Rückkehr des Kaisers "ach Wien scheint damit in Verbindung zu
stehn. Von jetzt an dürfen wir wol bessere Nachrichten erwarten; hätte man die Erfahrung
nur nicht zu theuer erkauft!

Ein großer Theil des Uebergewichtes, welches die französische Armee bis¬
her gezeigt hat, liegt darin, daß es in ihren Reihen heißt: „die Intelligenz
marschirt voran;" während bei unsern guten Deutschen eigentlich der umge¬
kehrte Grundsatz gilt. Der gescheute Mann, der richtig urtheilt und handelt,
wird entweder damit bei Seite geschoben, daß er ein „Gelehrter" sei. oder
alte wackelbeinige Autoritäten versuchen ihn bescheiden zu machen, indem sie
ihn beständig zurückschieben und die Dummheit auf seine Kosten beloben.
Trotz des argen französischen Despotismus und trotzdem, daß er auch oft
etwas Anderes eher gebraucht als Geist, lebt doch in der französischen Armee
bis auf diesen Tag ein Respect vor der Intelligenz, welcher viele sonstige
Sünden ausgleicht. So finden denn in Frankreich immerhin neben den Ba-
raguays und den Ccmroberts die Mac Mahon und Niet ihre gebührende
Stelle. Wie sieht es damit in Deutschland aus? Bis auf Weiteres mise¬
rabel. Ehe nicht alle alten Scharteken abgenutzt sind, werden wol die
brauchbaren Leute nicht heraufkommen. *)

Die östreichische Festungsgruppe, welche die Ehre hat, gegenwärtig als
die Marke französischen Vorschreitens betrachtet zu werden, besteht aus den
Plätzen Peschiera und Mantua am Mincio. Verona und Legnago an der
Etsch. Verona ist der Hauptpunkt in ihr durch Lage. Bevölkerung, Reich¬
thum und Befestigung, dann folgt Mantua, endlich die beiden kleinen Orte
Peschiera und Legnago.

Man hat sich gewöhnt, nur diese vier als Punkte der Gruppe zu betrach¬
ten, unter gegenwärtigen Umständen dürfte man sich bald überzeugen, daß
dieselbe damit noch nicht vollständig ist. daß man vielmehr das System des
Po auf der einen Seite mit hineinziehen müßte und andererseits vielleicht ein
fester Uebergang über die Etsch oberhalb Veronas ein wesentlicher Vortheil
sein möchte.

Die Vortheile, welche eine solche Gruppe bietet, bestehen nämlich wesent¬
lich darin, daß die Armee, welche sich ihrer bedient, eine Anzahl von festen
Uebergangspunkten hat. welche der Feind ihr nicht ohne Belagerung nehmen
kann; daß sie dadurch die Möglichkeit gewinnen soll, — wir sagen aus¬
drücklich nicht unbedingt gewinnt, — die Schlacht zu vermeiden, wo ihr
dieselbe unbequem ist und unter günstigen Bedingungen wieder die Schlacht
anzunehmen oder zu suchen. Alle die festen Plätze oder Punkte, welche wir
als Hauptbestandtheile der Gruppe genannt haben, liegen an beiden Usern
—''--'-"



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Anm. der Redaction. *)— Die neue Schlacht scheint doch insofern ihre guten Wir¬
kungen geübt zu haben, als man endlich Heß das unbeschränkte und ungetheilte Commando
übertragen hat. Auch die Rückkehr des Kaisers »ach Wien scheint damit in Verbindung zu
stehn. Von jetzt an dürfen wir wol bessere Nachrichten erwarten; hätte man die Erfahrung
nur nicht zu theuer erkauft!
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/32>, abgerufen am 28.12.2024.