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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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längere Zeit und zuletzt ganz aus. Da hierdurch ein Reiz zum Besuch des
heiligen Grabes wegfiel, so machte man das Wunder fortan mit bengalischen
Flammen, und noch jetzt schlägt es jeden Ostersonnabend aus den Locher"
in den Wänden der Engclskapelle heraus. In der Regel entzündet es dan"
nicht blos die Kerzen, welche die Pilger daran halten, sondern auch die
Köpfe derselben, und es gibt eine Prügelei, die an Furie ihres Gleiche"
sucht.

Auch dieses Jahr war keine Ausnahme von der Regel. Die Kirche war. wie
mir erzählt wurde, zum Ersticken voll von Pilgern. Jeder hielt wie gewöhn¬
lich sein Bündel gelber Wachskerzen in der Hand, des Augenblicks gewärtig-
wo das Feuer sich zeigen sollte. Einzelne Gruppen schrien gen Himmel u">
baldige Herabscndung der heiligen Glut, andere lagen in Eckstase aus de">
Boden, wieder andere schlugen ihre Doppelkreuze und klatschten dann >">t'
einander im Takt mit den Händen. Jeder hoffte der Erste mit Anzünden sei¬
nes Kerzenbündels zu sein, da man glaubt, daß ein solcher nicht verdammt
werden könne, weshalb man sich auch mit dem Feuer Kreuze auf Leinwand
sengt, aus der dann Sterbehemden gemacht werden. Alles war in gespannt"'
Erwartung, als plötzlich an einem Pfeiler der Rotunde ein heftiger Wortwechsel
losbrach. Es war der Pfeiler, der den Griechen und Armeniern zugleich ge¬
hört. Man hatte hier wie an den andern ein Bret angebracht, das einer
gewissen Anzahl von Pilgern zu Sitzen vermiethet wurde. Als gemeiM^se'
liebes Eigenthum der beiden Kirchen sollte es nach Uebereinkunft mit ebenso
viel Griechen als Armeniern besetzt werden. Die Griechen aber hatten eine"
Mann mehr darauf gebracht, und als die Armenier sich darüber beschwerten,
wurde ihnen erst mit Schimpfreden, dann mit Faustschlägen geantwortet. Sie
blieben die Erwiderung nicht schuldig. Nebenstehende nahmen für sie. andere
für die Gegner Partei, und bald hallte die ganze Kirche von Flüchen und
Hieben wieder. Man schlug sich mit zerbrochenen Bretern. mit Bankbeinen-
die aus der Kapelle der Maria Magdalena geholt wurden, dem Gerücht nach
sogar mit Altarleucbtern. Mehre wurden schwer, einer tödtlich verwundet,
und nicht eher nahm die Rauferei ein Ende, als bis türkisches Militär in
die Kirche drang. Die Soldaten verfuhren anfangs schonend, indem sie "">'
die Rotunde zu räumen suchten. Als aber ein wüthender Grieche ihren Ofß'
zier mit seinem Knüttel traf, gebrauchten sie Kolben und Bajonett, und ^
gab es noch verschiedene schwere Verwundungen.¬

Dieser Vorfall wurde mir erzählt, als wir uns eben dem Ausgang wie
der näherten, wo das steinerne Sopha für die türkischen Wächter steht. 3^
hatte ihnen beim Eintritt einen ziemlich vornehmen Blick zugeworfen. 2^
schlug ich die Augen nieder. In ihrer Kaabah fällt kein heiliges Feuer¬
prügeln sich keine Sekten, treibt man keinen Götzendienst mit Lügengebilden.


längere Zeit und zuletzt ganz aus. Da hierdurch ein Reiz zum Besuch des
heiligen Grabes wegfiel, so machte man das Wunder fortan mit bengalischen
Flammen, und noch jetzt schlägt es jeden Ostersonnabend aus den Locher"
in den Wänden der Engclskapelle heraus. In der Regel entzündet es dan»
nicht blos die Kerzen, welche die Pilger daran halten, sondern auch die
Köpfe derselben, und es gibt eine Prügelei, die an Furie ihres Gleiche»
sucht.

Auch dieses Jahr war keine Ausnahme von der Regel. Die Kirche war. wie
mir erzählt wurde, zum Ersticken voll von Pilgern. Jeder hielt wie gewöhn¬
lich sein Bündel gelber Wachskerzen in der Hand, des Augenblicks gewärtig-
wo das Feuer sich zeigen sollte. Einzelne Gruppen schrien gen Himmel u»>
baldige Herabscndung der heiligen Glut, andere lagen in Eckstase aus de»>
Boden, wieder andere schlugen ihre Doppelkreuze und klatschten dann >»>t'
einander im Takt mit den Händen. Jeder hoffte der Erste mit Anzünden sei¬
nes Kerzenbündels zu sein, da man glaubt, daß ein solcher nicht verdammt
werden könne, weshalb man sich auch mit dem Feuer Kreuze auf Leinwand
sengt, aus der dann Sterbehemden gemacht werden. Alles war in gespannt"'
Erwartung, als plötzlich an einem Pfeiler der Rotunde ein heftiger Wortwechsel
losbrach. Es war der Pfeiler, der den Griechen und Armeniern zugleich ge¬
hört. Man hatte hier wie an den andern ein Bret angebracht, das einer
gewissen Anzahl von Pilgern zu Sitzen vermiethet wurde. Als gemeiM^se'
liebes Eigenthum der beiden Kirchen sollte es nach Uebereinkunft mit ebenso
viel Griechen als Armeniern besetzt werden. Die Griechen aber hatten eine»
Mann mehr darauf gebracht, und als die Armenier sich darüber beschwerten,
wurde ihnen erst mit Schimpfreden, dann mit Faustschlägen geantwortet. Sie
blieben die Erwiderung nicht schuldig. Nebenstehende nahmen für sie. andere
für die Gegner Partei, und bald hallte die ganze Kirche von Flüchen und
Hieben wieder. Man schlug sich mit zerbrochenen Bretern. mit Bankbeinen-
die aus der Kapelle der Maria Magdalena geholt wurden, dem Gerücht nach
sogar mit Altarleucbtern. Mehre wurden schwer, einer tödtlich verwundet,
und nicht eher nahm die Rauferei ein Ende, als bis türkisches Militär in
die Kirche drang. Die Soldaten verfuhren anfangs schonend, indem sie »»>'
die Rotunde zu räumen suchten. Als aber ein wüthender Grieche ihren Ofß'
zier mit seinem Knüttel traf, gebrauchten sie Kolben und Bajonett, und ^
gab es noch verschiedene schwere Verwundungen.¬

Dieser Vorfall wurde mir erzählt, als wir uns eben dem Ausgang wie
der näherten, wo das steinerne Sopha für die türkischen Wächter steht. 3^
hatte ihnen beim Eintritt einen ziemlich vornehmen Blick zugeworfen. 2^
schlug ich die Augen nieder. In ihrer Kaabah fällt kein heiliges Feuer¬
prügeln sich keine Sekten, treibt man keinen Götzendienst mit Lügengebilden.


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[0310] längere Zeit und zuletzt ganz aus. Da hierdurch ein Reiz zum Besuch des heiligen Grabes wegfiel, so machte man das Wunder fortan mit bengalischen Flammen, und noch jetzt schlägt es jeden Ostersonnabend aus den Locher" in den Wänden der Engclskapelle heraus. In der Regel entzündet es dan» nicht blos die Kerzen, welche die Pilger daran halten, sondern auch die Köpfe derselben, und es gibt eine Prügelei, die an Furie ihres Gleiche» sucht. Auch dieses Jahr war keine Ausnahme von der Regel. Die Kirche war. wie mir erzählt wurde, zum Ersticken voll von Pilgern. Jeder hielt wie gewöhn¬ lich sein Bündel gelber Wachskerzen in der Hand, des Augenblicks gewärtig- wo das Feuer sich zeigen sollte. Einzelne Gruppen schrien gen Himmel u»> baldige Herabscndung der heiligen Glut, andere lagen in Eckstase aus de»> Boden, wieder andere schlugen ihre Doppelkreuze und klatschten dann >»>t' einander im Takt mit den Händen. Jeder hoffte der Erste mit Anzünden sei¬ nes Kerzenbündels zu sein, da man glaubt, daß ein solcher nicht verdammt werden könne, weshalb man sich auch mit dem Feuer Kreuze auf Leinwand sengt, aus der dann Sterbehemden gemacht werden. Alles war in gespannt"' Erwartung, als plötzlich an einem Pfeiler der Rotunde ein heftiger Wortwechsel losbrach. Es war der Pfeiler, der den Griechen und Armeniern zugleich ge¬ hört. Man hatte hier wie an den andern ein Bret angebracht, das einer gewissen Anzahl von Pilgern zu Sitzen vermiethet wurde. Als gemeiM^se' liebes Eigenthum der beiden Kirchen sollte es nach Uebereinkunft mit ebenso viel Griechen als Armeniern besetzt werden. Die Griechen aber hatten eine» Mann mehr darauf gebracht, und als die Armenier sich darüber beschwerten, wurde ihnen erst mit Schimpfreden, dann mit Faustschlägen geantwortet. Sie blieben die Erwiderung nicht schuldig. Nebenstehende nahmen für sie. andere für die Gegner Partei, und bald hallte die ganze Kirche von Flüchen und Hieben wieder. Man schlug sich mit zerbrochenen Bretern. mit Bankbeinen- die aus der Kapelle der Maria Magdalena geholt wurden, dem Gerücht nach sogar mit Altarleucbtern. Mehre wurden schwer, einer tödtlich verwundet, und nicht eher nahm die Rauferei ein Ende, als bis türkisches Militär in die Kirche drang. Die Soldaten verfuhren anfangs schonend, indem sie »»>' die Rotunde zu räumen suchten. Als aber ein wüthender Grieche ihren Ofß' zier mit seinem Knüttel traf, gebrauchten sie Kolben und Bajonett, und ^ gab es noch verschiedene schwere Verwundungen.¬ Dieser Vorfall wurde mir erzählt, als wir uns eben dem Ausgang wie der näherten, wo das steinerne Sopha für die türkischen Wächter steht. 3^ hatte ihnen beim Eintritt einen ziemlich vornehmen Blick zugeworfen. 2^ schlug ich die Augen nieder. In ihrer Kaabah fällt kein heiliges Feuer¬ prügeln sich keine Sekten, treibt man keinen Götzendienst mit Lügengebilden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/310>, abgerufen am 29.12.2024.