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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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setzt vermauert ist, und über denen sich zwei gleich große und gleichgeformte,
IM ebenfalls mit Steinen geschlossene Fenster befinden, schmücken mit ihren
von kleinen Säulen getragenen Rundbogen die Fayade. Das flache Dach
überragt eine große und weiter zurück eine kleinere und spitzer zulaufende Kup-
pel, während sich zur Linken ein halbeingefallener Glockenthurm und ganz im
Hintergrund das Minaret einer Moschee erhebt. Die Pforte wird jeden Tag
auf einige Stunden geöffnet, der Eintritt ist gegenwärtig frei. Das Wächter¬
amt an der Thür versehen Türken aus gewissen Familien, die in einer großen
Nische links vom Eingang zu sitzen Pflegen, ihre Pfeifen rauchen, Kaffee trinken
"der sich mit einem Bretspiel unterhalten.

Einige Schritte von hier steht man vor der ersten Reliquie dieses größten
Reliquienschreins der Welt. Es ist eine röthliche Marmorplatte, aus welcher
die Salbung des Gekreuzigten durch Joseph von Arimathia stattgefunden haben
soll. Leuchter mit dicken Wachskerzen und acht Hängelampen werfen ihr Licht
auf den Stein. Wenden wir uns von hier zur Rechten, so gelangen wir an eine
Treppe, welche auf den Hügel Golgatha führt, wenden wir uns zur Linken, so kom¬
men wir an das heilige Grab. Der Gipfel des Golgatha ist überbaut und in
eine Kirche verwandelt, die durch weiße Marmorsäulen in zwei Hälften geschie.
den wird. Die Nordhälfte umsaßt die Stelle, wo man Jesus ans Kreuz hef-
tete. die südliche den Ort, wo man sein Kreuz neben denen der beiden Schacher
aufstellte. In beiden Abtheilungen brennen an hundert Lampen und Kerzen.
Ueber der Vertiefung, in welcher das Kreuz Christi stand, hat man eine Silber-
Platte mit der griechischen Inschrift: "Hier bewirkte Gott unser König vor
Jahrhunderten das Heil im Mittelpunkte der Erde" befestigt. Zu beiden Seiten
Zeigt man die Stellen, wo die Kreuze der Schächer sich befanden, und dahinter
schimmert ein mit Silber beschlagener Altar. Nicht fern von dem Punkt, an
welchem das Kreuz des linken Schachers eingelassen war, sieht man den beim
^'scheiden Christi entstandenen Riß, der bis zum Centrum des Erdballs hinab¬
seht und die Bestimmung hat, beim jüngsten Gericht die Lämmer von den
Böcken zu scheiden. Der Raum unter der Kreuzigungskirche ist ebenfalls durch
eine Scheidewand in eine südliche und eine nördliche Hälfte getrennt, von denen
^e erstere als eine Art Sakristei für die griechischen Geistlichen dient, welche
hier den Dienst versehen. Die andere Abtheilung ist eine Kapelle des Evan¬
gelisten Johannes. Hier stand das Grab Melchisedeks. des Priesterkönigs von
Malern und hier wurde der Schädel Adams gefunden. Vor der Kapelle aber
lagen einst in ihren Steinsärgen die Kreuzfahrerkönige Gottfried von Bouillon
""d Balduin der Erste. Jetzt sind nur die Grabschriften noch vorhanden.

Betritt man durch das Pförtchen neben der Treppe zur Kreuzigungs-
den halbrunden dunkeln Gang, der die Ostseite des innern Kirchenbaues
^gibt, so öffnet sich nach einigen Schritten rechts eine Kapelle, in welcher


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setzt vermauert ist, und über denen sich zwei gleich große und gleichgeformte,
IM ebenfalls mit Steinen geschlossene Fenster befinden, schmücken mit ihren
von kleinen Säulen getragenen Rundbogen die Fayade. Das flache Dach
überragt eine große und weiter zurück eine kleinere und spitzer zulaufende Kup-
pel, während sich zur Linken ein halbeingefallener Glockenthurm und ganz im
Hintergrund das Minaret einer Moschee erhebt. Die Pforte wird jeden Tag
auf einige Stunden geöffnet, der Eintritt ist gegenwärtig frei. Das Wächter¬
amt an der Thür versehen Türken aus gewissen Familien, die in einer großen
Nische links vom Eingang zu sitzen Pflegen, ihre Pfeifen rauchen, Kaffee trinken
"der sich mit einem Bretspiel unterhalten.

Einige Schritte von hier steht man vor der ersten Reliquie dieses größten
Reliquienschreins der Welt. Es ist eine röthliche Marmorplatte, aus welcher
die Salbung des Gekreuzigten durch Joseph von Arimathia stattgefunden haben
soll. Leuchter mit dicken Wachskerzen und acht Hängelampen werfen ihr Licht
auf den Stein. Wenden wir uns von hier zur Rechten, so gelangen wir an eine
Treppe, welche auf den Hügel Golgatha führt, wenden wir uns zur Linken, so kom¬
men wir an das heilige Grab. Der Gipfel des Golgatha ist überbaut und in
eine Kirche verwandelt, die durch weiße Marmorsäulen in zwei Hälften geschie.
den wird. Die Nordhälfte umsaßt die Stelle, wo man Jesus ans Kreuz hef-
tete. die südliche den Ort, wo man sein Kreuz neben denen der beiden Schacher
aufstellte. In beiden Abtheilungen brennen an hundert Lampen und Kerzen.
Ueber der Vertiefung, in welcher das Kreuz Christi stand, hat man eine Silber-
Platte mit der griechischen Inschrift: „Hier bewirkte Gott unser König vor
Jahrhunderten das Heil im Mittelpunkte der Erde" befestigt. Zu beiden Seiten
Zeigt man die Stellen, wo die Kreuze der Schächer sich befanden, und dahinter
schimmert ein mit Silber beschlagener Altar. Nicht fern von dem Punkt, an
welchem das Kreuz des linken Schachers eingelassen war, sieht man den beim
^'scheiden Christi entstandenen Riß, der bis zum Centrum des Erdballs hinab¬
seht und die Bestimmung hat, beim jüngsten Gericht die Lämmer von den
Böcken zu scheiden. Der Raum unter der Kreuzigungskirche ist ebenfalls durch
eine Scheidewand in eine südliche und eine nördliche Hälfte getrennt, von denen
^e erstere als eine Art Sakristei für die griechischen Geistlichen dient, welche
hier den Dienst versehen. Die andere Abtheilung ist eine Kapelle des Evan¬
gelisten Johannes. Hier stand das Grab Melchisedeks. des Priesterkönigs von
Malern und hier wurde der Schädel Adams gefunden. Vor der Kapelle aber
lagen einst in ihren Steinsärgen die Kreuzfahrerkönige Gottfried von Bouillon
""d Balduin der Erste. Jetzt sind nur die Grabschriften noch vorhanden.

Betritt man durch das Pförtchen neben der Treppe zur Kreuzigungs-
den halbrunden dunkeln Gang, der die Ostseite des innern Kirchenbaues
^gibt, so öffnet sich nach einigen Schritten rechts eine Kapelle, in welcher


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/305>, abgerufen am 29.12.2024.