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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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meinbtarnte aus Thüringen an, der später mein Zimmergenoß und dann ,
Begleiter auf der Reise nach Galiläa und Phönizien wurde. Erst Husaren-
Wachtmeister, dann Steueraufseher gewesen, war er wegen einer Brustkrank-
^'t pensionirt worden. Von seinem Uebel geheilt und im Besitz von einem
kunst unbedeutenden Vermögen, hatte er, vermuthlich um sich beim Himmel
für seine Rettung am passendsten Orte zu bedanken, als guter Katholik eine
Wallfahrt nach Rom beschlossen und, vielleicht um das Angenehme mit dem
Nützlichen zu verbinden, wahrscheinlicher aber, weil er damit die kürzeste
Straße einzuschlagen meinte, seinen Weg über Paris genommen. Da er keiner
andern Sprache als der deutschen mächtig war und nur eine geringe Kennt-
"iß der Fremde mit auf die Reise nahm, so hatte es schon bis Paris nicht
"n Verlegenheiten gefehlt. Noch übler aber war es ihm in Marseille, wo
^ sich nach Civita Vecchia eingeschifft hatte, und am allerschlimmsten auf der
^e ergangen. Da auf seinem Dampfer keine Seele deutsch verstand, so
^ar er überall geprellt, oft übel behandelt, gehänselt und gehütete worden,
"n der italienischen Küste mehrmals in Gefahr gewesen, an unrechter Stelle
"Uf Land gesetzt zu werden, und endlich durch Mißverständnisse, die ihn ohne
Unterlaß verfolgten, hart an Rom vorbei nach Neapel gerathen -- ein Miß'
^schick, das er mit naivster Gelassenheit erzählte. Seine gute Laune war
dadurch nicht getrübt, wol aber war sein Entschluß nach Rom zu pilgern er¬
schüttert worden. Am Vesuv hatte er die Bekanntschaft eines Amerikaners
gemacht, der nach Syrien wollte und sich ihm dadurch empfahl, daß er
^ Dutzend Sätze deutsch auswendig konnte, und wenn diese nicht ausreich¬
en, auf besonders verständliche Weise mit den Füßen stampfte. Mit diesem
^ar er nach Malta und schließlich nach Jerusalem gelangt, wo er ohne mit
anderer Gesellschaft als den Gästen des Hospizes zu verkehren, sich bei mei-
Eintreffen schon acht Wochen aufhielt, jeden Morgen pünktlich die Messe
suchte, den Tag über den verschiedenen heiligen Orten seine Reverenz be¬
ugte, die übrige Zeit sich mit Wirth und Wirthin und deren Kindern unter¬
bot und nebenbei sich nach Gelegenheit umsah, ein "gutes Werk" zu thun.
Elches er daheim gelobt hatte.

Diese Gelegenheit fand sich endlich. Ein deutsches Dienstmädchen des
^ußischen Consuls hatte Heimweh bekommen und ihre Stelle aufgegeben,
,^ sich als Nätherin rascher das Geld zur Rückreise zu verdienen. Sie hatte
Hospiz geklagt, daß dies nicht schnell genug gehe, daß es doch schön wäre,
cum der liebe Gott einmal helfen und jemand schicken wollte, der ihr die
Wenden paar hundert Thaler schenkte. Und siehe da, nicht sobald war der be-
^idne Wunsch ausgesprochen, als er -- sie muß in der That ein Wunder drin
Kesehm haben -- Erhörung fand. Unser wunderlicher Pilger aus dem Erfurt-
^n hatte ihre Klage belauscht, und ohne Verzug ging er auf seine Stube,


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meinbtarnte aus Thüringen an, der später mein Zimmergenoß und dann ,
Begleiter auf der Reise nach Galiläa und Phönizien wurde. Erst Husaren-
Wachtmeister, dann Steueraufseher gewesen, war er wegen einer Brustkrank-
^'t pensionirt worden. Von seinem Uebel geheilt und im Besitz von einem
kunst unbedeutenden Vermögen, hatte er, vermuthlich um sich beim Himmel
für seine Rettung am passendsten Orte zu bedanken, als guter Katholik eine
Wallfahrt nach Rom beschlossen und, vielleicht um das Angenehme mit dem
Nützlichen zu verbinden, wahrscheinlicher aber, weil er damit die kürzeste
Straße einzuschlagen meinte, seinen Weg über Paris genommen. Da er keiner
andern Sprache als der deutschen mächtig war und nur eine geringe Kennt-
"iß der Fremde mit auf die Reise nahm, so hatte es schon bis Paris nicht
"n Verlegenheiten gefehlt. Noch übler aber war es ihm in Marseille, wo
^ sich nach Civita Vecchia eingeschifft hatte, und am allerschlimmsten auf der
^e ergangen. Da auf seinem Dampfer keine Seele deutsch verstand, so
^ar er überall geprellt, oft übel behandelt, gehänselt und gehütete worden,
"n der italienischen Küste mehrmals in Gefahr gewesen, an unrechter Stelle
"Uf Land gesetzt zu werden, und endlich durch Mißverständnisse, die ihn ohne
Unterlaß verfolgten, hart an Rom vorbei nach Neapel gerathen — ein Miß'
^schick, das er mit naivster Gelassenheit erzählte. Seine gute Laune war
dadurch nicht getrübt, wol aber war sein Entschluß nach Rom zu pilgern er¬
schüttert worden. Am Vesuv hatte er die Bekanntschaft eines Amerikaners
gemacht, der nach Syrien wollte und sich ihm dadurch empfahl, daß er
^ Dutzend Sätze deutsch auswendig konnte, und wenn diese nicht ausreich¬
en, auf besonders verständliche Weise mit den Füßen stampfte. Mit diesem
^ar er nach Malta und schließlich nach Jerusalem gelangt, wo er ohne mit
anderer Gesellschaft als den Gästen des Hospizes zu verkehren, sich bei mei-
Eintreffen schon acht Wochen aufhielt, jeden Morgen pünktlich die Messe
suchte, den Tag über den verschiedenen heiligen Orten seine Reverenz be¬
ugte, die übrige Zeit sich mit Wirth und Wirthin und deren Kindern unter¬
bot und nebenbei sich nach Gelegenheit umsah, ein „gutes Werk" zu thun.
Elches er daheim gelobt hatte.

Diese Gelegenheit fand sich endlich. Ein deutsches Dienstmädchen des
^ußischen Consuls hatte Heimweh bekommen und ihre Stelle aufgegeben,
,^ sich als Nätherin rascher das Geld zur Rückreise zu verdienen. Sie hatte
Hospiz geklagt, daß dies nicht schnell genug gehe, daß es doch schön wäre,
cum der liebe Gott einmal helfen und jemand schicken wollte, der ihr die
Wenden paar hundert Thaler schenkte. Und siehe da, nicht sobald war der be-
^idne Wunsch ausgesprochen, als er — sie muß in der That ein Wunder drin
Kesehm haben — Erhörung fand. Unser wunderlicher Pilger aus dem Erfurt-
^n hatte ihre Klage belauscht, und ohne Verzug ging er auf seine Stube,


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[0297] meinbtarnte aus Thüringen an, der später mein Zimmergenoß und dann , Begleiter auf der Reise nach Galiläa und Phönizien wurde. Erst Husaren- Wachtmeister, dann Steueraufseher gewesen, war er wegen einer Brustkrank- ^'t pensionirt worden. Von seinem Uebel geheilt und im Besitz von einem kunst unbedeutenden Vermögen, hatte er, vermuthlich um sich beim Himmel für seine Rettung am passendsten Orte zu bedanken, als guter Katholik eine Wallfahrt nach Rom beschlossen und, vielleicht um das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, wahrscheinlicher aber, weil er damit die kürzeste Straße einzuschlagen meinte, seinen Weg über Paris genommen. Da er keiner andern Sprache als der deutschen mächtig war und nur eine geringe Kennt- "iß der Fremde mit auf die Reise nahm, so hatte es schon bis Paris nicht "n Verlegenheiten gefehlt. Noch übler aber war es ihm in Marseille, wo ^ sich nach Civita Vecchia eingeschifft hatte, und am allerschlimmsten auf der ^e ergangen. Da auf seinem Dampfer keine Seele deutsch verstand, so ^ar er überall geprellt, oft übel behandelt, gehänselt und gehütete worden, "n der italienischen Küste mehrmals in Gefahr gewesen, an unrechter Stelle "Uf Land gesetzt zu werden, und endlich durch Mißverständnisse, die ihn ohne Unterlaß verfolgten, hart an Rom vorbei nach Neapel gerathen — ein Miß' ^schick, das er mit naivster Gelassenheit erzählte. Seine gute Laune war dadurch nicht getrübt, wol aber war sein Entschluß nach Rom zu pilgern er¬ schüttert worden. Am Vesuv hatte er die Bekanntschaft eines Amerikaners gemacht, der nach Syrien wollte und sich ihm dadurch empfahl, daß er ^ Dutzend Sätze deutsch auswendig konnte, und wenn diese nicht ausreich¬ en, auf besonders verständliche Weise mit den Füßen stampfte. Mit diesem ^ar er nach Malta und schließlich nach Jerusalem gelangt, wo er ohne mit anderer Gesellschaft als den Gästen des Hospizes zu verkehren, sich bei mei- Eintreffen schon acht Wochen aufhielt, jeden Morgen pünktlich die Messe suchte, den Tag über den verschiedenen heiligen Orten seine Reverenz be¬ ugte, die übrige Zeit sich mit Wirth und Wirthin und deren Kindern unter¬ bot und nebenbei sich nach Gelegenheit umsah, ein „gutes Werk" zu thun. Elches er daheim gelobt hatte. Diese Gelegenheit fand sich endlich. Ein deutsches Dienstmädchen des ^ußischen Consuls hatte Heimweh bekommen und ihre Stelle aufgegeben, ,^ sich als Nätherin rascher das Geld zur Rückreise zu verdienen. Sie hatte Hospiz geklagt, daß dies nicht schnell genug gehe, daß es doch schön wäre, cum der liebe Gott einmal helfen und jemand schicken wollte, der ihr die Wenden paar hundert Thaler schenkte. Und siehe da, nicht sobald war der be- ^idne Wunsch ausgesprochen, als er — sie muß in der That ein Wunder drin Kesehm haben — Erhörung fand. Unser wunderlicher Pilger aus dem Erfurt- ^n hatte ihre Klage belauscht, und ohne Verzug ging er auf seine Stube, 36*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/297>, abgerufen am 22.07.2024.