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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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östreichischen Protestanten ohnehin zur zweiten Natur geworden ist, so gab
'An>n sich auch jetzt ruhigem Zuwarten hin, und wenn wiener Correspondenten
deutschen Blättern von Zeit zu Zeit die Nachricht verbreiteten, daß der
Kaiser Franz Joseph die gemessensten Befehle zur Beschleunigung der bezüg¬
lichen Verhandlungen gegeben habe, so schenkte man dem um so zuversicht-
l'Her Glauben, als es ja bekannt war. daß Sr. Majestät schon bei Gelegen¬
heit der Bereisung Ungarns im Jahr 1857 dem Geheimrath Gyurki bei
ewer Hoftasel in Ofen trostvoll versichert hatte: a' 2final leg? (die Synode
^ird stattfinden). Da kam der Krieg, und man mußte erwarten, daß die
^g'erung die Gelegenheit benutzen würde, die vier Millionen Protestanten
ih^er gedrückten Stimmung durch liberale Publicationen endlich zu be¬
dien. Die Hoffnung schlug jedoch auch diesmal fehl. Als endlich die "Neue
Auszische Zeitung", nachdem die süddeutsche Presse die Verbesserung der Lage
^' Protestanten in Oestreich als eine unabweisliche Forderung deo Zeit ener-
und nachdrücklich hingestellt und in richtiger Würdigung der Sachlage
ewe solche That eine gewonnene Schlacht genannt hatte, -- vielleicht mit
^rdenziöser Berechnung für die Stimmung in Deutschland -- unmittelbar
nach der Abreise des Kaisers Franz Joseph auf den Kriegsschauplatz, die auch
^ diese Blätter übergegangene Nachricht brachte, daß Sr. Majestät vor der
Abfahrt nach Verona das bezügliche Patent unterzeichnet habe, da sing man
^- freier aufzuathmen, obwol es an Pessimisten nicht fehlte, die alles das für
^res Stroh hielten. Die Pessimisten haben Recht gehabt. Es ist möglich,
^ der Kaiser vor seiner Abreise die Weisung ertheilt hatte, ihm die Spruch-
^fen Elaborate behufs der Sanction in das Hauptquartier nachzusenden;
dieses aber nicht geschehen, beweist die Thatsache, daß wir das Patent
Ehrenb des Krieges vergebens in der Wiener Zeitung gesucht haben und
^ß'es bis auf den heutigen Tag. -- lange nach der Rückkehr des Kaisers
Italien -- nicht erschienen ist.

Sollte derselbe Einfluß, welcher die Protestanten in Oestreich bisher nicht
^ ihrem Recht gelangen ließ und seine hochfliegenden Speculationen auf die
Desorganisation unserer protestantischen Kirche baut, seine Hände auch dies¬
mal im Spiele haben? Wenn wir die Versicherungen der klerikalen Blätter in
^>tschland lesen, daß an der Verzögerung der in Frage stehenden Entschei¬
dungen nicht die Regierung, sondern die Uneinigkeit der Protestanten selbst
lchuld sei. so müssen wir trotz des 'von der "Neuen evang. Kirchenzeitung"
^o- 14 1859) auf seinen wahren Werth zurückgeführten Bedauerns der Münch-
^ gelben Blätter (5. Heft 1859 S. 358) über den "endlos langen Verzug der
Unbildung ihrer Kirchenverfassung" das Schlimmste fürchten. An der Ver-
^^PPung der evangelischen Kirchenfrage ist, wir sagen es fiant und frei, niemand
anders schuld als die Staatsgewalt selbst, die doch durch die Resultate des


östreichischen Protestanten ohnehin zur zweiten Natur geworden ist, so gab
'An>n sich auch jetzt ruhigem Zuwarten hin, und wenn wiener Correspondenten
deutschen Blättern von Zeit zu Zeit die Nachricht verbreiteten, daß der
Kaiser Franz Joseph die gemessensten Befehle zur Beschleunigung der bezüg¬
lichen Verhandlungen gegeben habe, so schenkte man dem um so zuversicht-
l'Her Glauben, als es ja bekannt war. daß Sr. Majestät schon bei Gelegen¬
heit der Bereisung Ungarns im Jahr 1857 dem Geheimrath Gyurki bei
ewer Hoftasel in Ofen trostvoll versichert hatte: a' 2final leg? (die Synode
^ird stattfinden). Da kam der Krieg, und man mußte erwarten, daß die
^g'erung die Gelegenheit benutzen würde, die vier Millionen Protestanten
ih^er gedrückten Stimmung durch liberale Publicationen endlich zu be¬
dien. Die Hoffnung schlug jedoch auch diesmal fehl. Als endlich die „Neue
Auszische Zeitung", nachdem die süddeutsche Presse die Verbesserung der Lage
^' Protestanten in Oestreich als eine unabweisliche Forderung deo Zeit ener-
und nachdrücklich hingestellt und in richtiger Würdigung der Sachlage
ewe solche That eine gewonnene Schlacht genannt hatte, — vielleicht mit
^rdenziöser Berechnung für die Stimmung in Deutschland — unmittelbar
nach der Abreise des Kaisers Franz Joseph auf den Kriegsschauplatz, die auch
^ diese Blätter übergegangene Nachricht brachte, daß Sr. Majestät vor der
Abfahrt nach Verona das bezügliche Patent unterzeichnet habe, da sing man
^- freier aufzuathmen, obwol es an Pessimisten nicht fehlte, die alles das für
^res Stroh hielten. Die Pessimisten haben Recht gehabt. Es ist möglich,
^ der Kaiser vor seiner Abreise die Weisung ertheilt hatte, ihm die Spruch-
^fen Elaborate behufs der Sanction in das Hauptquartier nachzusenden;
dieses aber nicht geschehen, beweist die Thatsache, daß wir das Patent
Ehrenb des Krieges vergebens in der Wiener Zeitung gesucht haben und
^ß'es bis auf den heutigen Tag. — lange nach der Rückkehr des Kaisers
Italien — nicht erschienen ist.

Sollte derselbe Einfluß, welcher die Protestanten in Oestreich bisher nicht
^ ihrem Recht gelangen ließ und seine hochfliegenden Speculationen auf die
Desorganisation unserer protestantischen Kirche baut, seine Hände auch dies¬
mal im Spiele haben? Wenn wir die Versicherungen der klerikalen Blätter in
^>tschland lesen, daß an der Verzögerung der in Frage stehenden Entschei¬
dungen nicht die Regierung, sondern die Uneinigkeit der Protestanten selbst
lchuld sei. so müssen wir trotz des 'von der „Neuen evang. Kirchenzeitung"
^o- 14 1859) auf seinen wahren Werth zurückgeführten Bedauerns der Münch-
^ gelben Blätter (5. Heft 1859 S. 358) über den „endlos langen Verzug der
Unbildung ihrer Kirchenverfassung" das Schlimmste fürchten. An der Ver-
^^PPung der evangelischen Kirchenfrage ist, wir sagen es fiant und frei, niemand
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/285>, abgerufen am 22.07.2024.