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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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eine gebrochene: Dünkirchen-Lauffenburg und Lauffenburg-Basel. 4) Preu¬
ßen mit den süddeutschen Staaten steht gegen Napoleon, der Belgien und
Holland zu Bundesgenossen hat; die Linie der Signatur ist Nimwegen-Ba-
sel. Für diese vier Fälle müssen wir uns nothwendig die Verhältnisse des
Kriegsschauplatzes ansehn, wozu wir in einem der nächsten Artikel schreiten
wollen.

Gefragt könnte jetzt noch werden nach der Rolle, welche die Schweiz.
Oestreich und England spielen möchten. Darüber noch einige Worte sogleich
hier. Oestreich nehmen wir ans jeden Fall als paralysirt an, entweder durch
seinen eignen Willen oder -- wenn es nothwendig würde, ihm einen pas-
senden zu octroyiren -- durch Italien und Rußland. Englands Staatsmänner
und insbesondere die jetzt am Ruder befindlichen haben in neuster Zeit so wenig
Einsicht bewiesen, daß Napoleon, wenn er ihnen auch genügenden Stoff zu eine"'
Blaubuch liefert, doch wol die Sicherheit hat, England aus der Linie zuhalten,
auf welcher er es zu haben wünscht. Bethciligte sich England zu Gunsten Preu¬
ßens am Kriege, so würde es selbstverständlich nicht viel mehr thun als die fran¬
zösische Flotte im Schach halten können, was freilich schon eine nicht unwich¬
tige Leistung ist. Neuerdings hört man von den französischen Soldaten (Ossi'
ziere nicht ausgeschlossen) ziemlich viel schreien: Nach England! Wir glauben
auch, daß mancher Zuave beim Anblick Londons mit dem alten Blücher aus¬
rufen würde: welche Stadt zum Plündern! Indessen wir sind ebenso überzeugt,
daß vorläufig England nichts direct zu befürchten hat. Es gibt eine bequemer
zu lösende, sehr gut vorbereitete Ausgabe. Die Schweiz mit in den Krieg hinein¬
zuziehen könnte für Napoleon nur dann einen Sinn haben,' wenn auf preußi¬
scher Seite sich die süddeutschen Staaten an demselben betheiligten. Die
Schweiz gibt sich indessen sicher nicht freiwillig zum Kriegsgenossen Napoleons
her, und wie man auch über ihre innere Kraft denken möge, sie ist und bleibt
ein schwer verdaulicher Brocken. Sollte sie sich selbst im Anfang als wider¬
standsunfähig erweisen, sie hat Lebenskraft und Stoff genug in sich, um bei
wirklicher Gefahr allen Schäden abzuhelfen, zudem rasch abzuhelfen. W>r
sind aus diesem Grunde und aus andern, die mit Napoleons Jugend zu¬
sammenhängen, der Meinung, daß dieser ihre Neutralität respectiren werde-
Aber auch die Deutschen könnten auf den Beistand der Schweiz nicht rechne".
Sie bleibt für beide Theile eine sichere -- neutrale -- Flanke, nicht mehr
und nicht weniger.

Wir wissen aus Erfahrung, daß sehr viele Menschen männlichen Geschlecht
den Weibern gleichen, welche, wenn sie jeden einzelnen Beweisgrund und jede
Folge der Entwicklung zugegeben haben, doch immer von vorn anfangen u"d
rufen: Aber!

"Ja, aber! Lieber Mann, wie kommt denn Napoleon.dazu. Preuße"


eine gebrochene: Dünkirchen-Lauffenburg und Lauffenburg-Basel. 4) Preu¬
ßen mit den süddeutschen Staaten steht gegen Napoleon, der Belgien und
Holland zu Bundesgenossen hat; die Linie der Signatur ist Nimwegen-Ba-
sel. Für diese vier Fälle müssen wir uns nothwendig die Verhältnisse des
Kriegsschauplatzes ansehn, wozu wir in einem der nächsten Artikel schreiten
wollen.

Gefragt könnte jetzt noch werden nach der Rolle, welche die Schweiz.
Oestreich und England spielen möchten. Darüber noch einige Worte sogleich
hier. Oestreich nehmen wir ans jeden Fall als paralysirt an, entweder durch
seinen eignen Willen oder — wenn es nothwendig würde, ihm einen pas-
senden zu octroyiren — durch Italien und Rußland. Englands Staatsmänner
und insbesondere die jetzt am Ruder befindlichen haben in neuster Zeit so wenig
Einsicht bewiesen, daß Napoleon, wenn er ihnen auch genügenden Stoff zu eine»'
Blaubuch liefert, doch wol die Sicherheit hat, England aus der Linie zuhalten,
auf welcher er es zu haben wünscht. Bethciligte sich England zu Gunsten Preu¬
ßens am Kriege, so würde es selbstverständlich nicht viel mehr thun als die fran¬
zösische Flotte im Schach halten können, was freilich schon eine nicht unwich¬
tige Leistung ist. Neuerdings hört man von den französischen Soldaten (Ossi'
ziere nicht ausgeschlossen) ziemlich viel schreien: Nach England! Wir glauben
auch, daß mancher Zuave beim Anblick Londons mit dem alten Blücher aus¬
rufen würde: welche Stadt zum Plündern! Indessen wir sind ebenso überzeugt,
daß vorläufig England nichts direct zu befürchten hat. Es gibt eine bequemer
zu lösende, sehr gut vorbereitete Ausgabe. Die Schweiz mit in den Krieg hinein¬
zuziehen könnte für Napoleon nur dann einen Sinn haben,' wenn auf preußi¬
scher Seite sich die süddeutschen Staaten an demselben betheiligten. Die
Schweiz gibt sich indessen sicher nicht freiwillig zum Kriegsgenossen Napoleons
her, und wie man auch über ihre innere Kraft denken möge, sie ist und bleibt
ein schwer verdaulicher Brocken. Sollte sie sich selbst im Anfang als wider¬
standsunfähig erweisen, sie hat Lebenskraft und Stoff genug in sich, um bei
wirklicher Gefahr allen Schäden abzuhelfen, zudem rasch abzuhelfen. W>r
sind aus diesem Grunde und aus andern, die mit Napoleons Jugend zu¬
sammenhängen, der Meinung, daß dieser ihre Neutralität respectiren werde-
Aber auch die Deutschen könnten auf den Beistand der Schweiz nicht rechne».
Sie bleibt für beide Theile eine sichere — neutrale — Flanke, nicht mehr
und nicht weniger.

Wir wissen aus Erfahrung, daß sehr viele Menschen männlichen Geschlecht
den Weibern gleichen, welche, wenn sie jeden einzelnen Beweisgrund und jede
Folge der Entwicklung zugegeben haben, doch immer von vorn anfangen u»d
rufen: Aber!

„Ja, aber! Lieber Mann, wie kommt denn Napoleon.dazu. Preuße»


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[0282] eine gebrochene: Dünkirchen-Lauffenburg und Lauffenburg-Basel. 4) Preu¬ ßen mit den süddeutschen Staaten steht gegen Napoleon, der Belgien und Holland zu Bundesgenossen hat; die Linie der Signatur ist Nimwegen-Ba- sel. Für diese vier Fälle müssen wir uns nothwendig die Verhältnisse des Kriegsschauplatzes ansehn, wozu wir in einem der nächsten Artikel schreiten wollen. Gefragt könnte jetzt noch werden nach der Rolle, welche die Schweiz. Oestreich und England spielen möchten. Darüber noch einige Worte sogleich hier. Oestreich nehmen wir ans jeden Fall als paralysirt an, entweder durch seinen eignen Willen oder — wenn es nothwendig würde, ihm einen pas- senden zu octroyiren — durch Italien und Rußland. Englands Staatsmänner und insbesondere die jetzt am Ruder befindlichen haben in neuster Zeit so wenig Einsicht bewiesen, daß Napoleon, wenn er ihnen auch genügenden Stoff zu eine»' Blaubuch liefert, doch wol die Sicherheit hat, England aus der Linie zuhalten, auf welcher er es zu haben wünscht. Bethciligte sich England zu Gunsten Preu¬ ßens am Kriege, so würde es selbstverständlich nicht viel mehr thun als die fran¬ zösische Flotte im Schach halten können, was freilich schon eine nicht unwich¬ tige Leistung ist. Neuerdings hört man von den französischen Soldaten (Ossi' ziere nicht ausgeschlossen) ziemlich viel schreien: Nach England! Wir glauben auch, daß mancher Zuave beim Anblick Londons mit dem alten Blücher aus¬ rufen würde: welche Stadt zum Plündern! Indessen wir sind ebenso überzeugt, daß vorläufig England nichts direct zu befürchten hat. Es gibt eine bequemer zu lösende, sehr gut vorbereitete Ausgabe. Die Schweiz mit in den Krieg hinein¬ zuziehen könnte für Napoleon nur dann einen Sinn haben,' wenn auf preußi¬ scher Seite sich die süddeutschen Staaten an demselben betheiligten. Die Schweiz gibt sich indessen sicher nicht freiwillig zum Kriegsgenossen Napoleons her, und wie man auch über ihre innere Kraft denken möge, sie ist und bleibt ein schwer verdaulicher Brocken. Sollte sie sich selbst im Anfang als wider¬ standsunfähig erweisen, sie hat Lebenskraft und Stoff genug in sich, um bei wirklicher Gefahr allen Schäden abzuhelfen, zudem rasch abzuhelfen. W>r sind aus diesem Grunde und aus andern, die mit Napoleons Jugend zu¬ sammenhängen, der Meinung, daß dieser ihre Neutralität respectiren werde- Aber auch die Deutschen könnten auf den Beistand der Schweiz nicht rechne». Sie bleibt für beide Theile eine sichere — neutrale — Flanke, nicht mehr und nicht weniger. Wir wissen aus Erfahrung, daß sehr viele Menschen männlichen Geschlecht den Weibern gleichen, welche, wenn sie jeden einzelnen Beweisgrund und jede Folge der Entwicklung zugegeben haben, doch immer von vorn anfangen u»d rufen: Aber! „Ja, aber! Lieber Mann, wie kommt denn Napoleon.dazu. Preuße»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/282>, abgerufen am 22.07.2024.